Nico Rosberg gewinnt den ersten Formel-1-Grand-Prix für Mercedes seit 55 Jahren. Sein Teamkollege Michael Schumacher scheidet früh aus.

Shanghai. Nico Rosberg war immer noch im Renntrimm, als er vom Podest stieg. So schnell wie der 26-Jährige beim Großen Preis von China in Shanghai hat noch nie ein Formel-1-Sieger Bilanz gezogen. Das Protokoll der Atemlosigkeit: "Sehr glücklich. Sehr cool. Sehr aufregend. Das hätte ich nicht erwartet. Absolut sensationell. Der Hammer." Damit ist alles gesagt. Und ziemlich untertrieben. Rosberg hatte an diesem Nachmittag so ziemlich alles unter Kontrolle, wie schon in der Qualifikation. Sogar die eigene Überraschung: "Es ist unheimlich schön zu sehen, wie schnell es bei uns vorangeht. Ich war mir meiner Sache eigentlich recht sicher."

+++ Kommentar: Was lange fährt, wird endlich gut +++

Souveränität und ein kalkuliertes Risiko - die Taktik, einen Stopp weniger einzulegen, war die richtige. Mercedes ist zurück in der Erfolgsspur. Zeitweise hatte Nico Rosberg 25 Sekunden Vorsprung auf seine Verfolger. Mercedes-Sportchef Norbert Haug gab sich erlöst, pflegte aber ebenfalls das Understatement: "Das war schon mal ein Lebenszeichen. Genugtuung kenne ich nicht, was wir jetzt erreicht haben, war der Plan." Dazu wurde in Shanghai der umstrittene Aerodynamik-Trick ("F-Schacht") am Mercedes-Modell W03 endgültig legalisiert. Rosberg und Schumacher sind damit bei der ersten komplett silbernen Startreihe im Rahmen der Regeln geblieben.

Sternstunde. Der Begriff mag abgegriffen sein, trifft aber den Triumph. Der letzte Erfolg eines reinen Mercedes-Werksautos gelang 1955 in Monza Juan-Manuel Fangio - ebenfalls aus der Poleposition heraus. Nico Rosbergs Vater Keke, der später Formel-1-Champion wurde, war damals gerade sieben Jahre alt. Der Sohn hatte lange gewartet, saß nie in einem siegfähigen Auto - und dann räumte er alles auf einmal ab, für sich und für das Team. "Eigentlich ging es nur ums Reifenschonen, die ganzen 56 Runden lang. Ich wusste ja nie, was ich von den anderen hinter mir erwarten musste", erklärte Rosberg. In der ersten Analyse wirkte er fast noch so vorsichtig, als könne er es nicht glauben. Doch der Erfolg von China wird ihm und dem Team Rückenwind geben.

+++ Großer Preis von China +++

Doch Mercedes hat nicht nur den großen Sieger in den eigenen Reihen, auch den großen Verlierer des Wochenendes. Und der heißt Michael Schumacher. Der Rekordweltmeister war als Zweiter gestartet und hatte seinem Junior-Kollegen in der Anfangsphase den Rücken frei gehalten - bis zu seinem fatalen Boxenstopp in Runde 13. Das rechte Vorderrad saß nicht fest, aber die Fahrt wurde vom Mechaniker trotzdem freigegeben. Aus Sicherheitsgründen parkte Schumacher in der Wiese. Mercedes musste wegen des verpatzten Stopps 5000 Euro Strafe zahlen.

Es waren die Reifen und die Boxenarbeit, die diesen dritten WM-Lauf entschieden haben. Bei unerwartet kühlem Wetter bleiben nicht alle so cool wie Rosberg. McLaren-Hoffnung Jenson Button, der einen Stopp mehr unternahm als der Sieger, hätte dem Wiesbadener noch gefährlich werden können, doch beim Halt im 39. Umlauf patzten die Mechaniker. Der britische Geheimfavorit verlor zehn Sekunden. Rosberg dagegen hätte sich am Ende sogar einen weiteren Stopp leisten können, um die Reifen zu schonen.

Und der Weltmeister? Sebastian Vettel war zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren nicht aus den Top Ten gestartet. Der Heppenheimer fühlt sich offensichtlich in seinem neuen Red Bull immer noch nicht richtig wohl. Auf den Geraden hatte der RB 8 kaum Chancen, Gegner zu überholen. Zwischenzeitlich muss sich Vettel auf Platz 15 herumplagen. Doch die verschiedenen Rennstrategien und unterhaltsamen Verschleißerscheinungen der Rennreifen wirbelten das Klassement immer wieder durcheinander. Für die Fernsehzuschauer waren die Positionskämpfe ein unterhaltsames Morgenprogramm. Acht Runden vor Schluss hatte sich Vettel bis auf Platz zwei vorgearbeitet, musste dann aber die Konkurrenz auf frischeren Gummis ziehen lassen. Vier Runden vor Schluss zog Button locker vorbei. Der erste deutsche Doppelsieg seit den Schumacher-Brüdern 2004 war damit passé. Am Ende überholten sogar noch Lewis Hamilton (McLaren) und Teamkollege Mark Webber den Weltmeister. "Uns fehlt auf der Geraden einfach ein bisschen Dampf", bilanzierte Vettel. "Es war turbulent, nicht ganz einfach."

Nach dem dritten Saisonrennen ist klar: Die Machtverhältnisse haben sich geändert, und sie ändern sich ständig von Rennen zu Rennen.

Dass der bunte Siegerpokal von Shanghai ziemlich geschmacklos ist, konnte Mercedes-Sportchef Haug verschmerzen. Umso heftiger reckte er die Trophäe in den Himmel. Und der war, dem Anlass entsprechend, silbergrau.