Nach dem CAS-Urteil gegen Jan Ullrich hat der einzige deutsche Tour-Sieger in einer Stellungnahme Kontakt zum mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes eingeräumt. Die Aufarbeitung seiner Vergangenheit ist für Ullrich damit beendet. Die Chance zu einem vollumfänglichen Dopinggeständnis hat er allerdings nicht genutzt.

Hamburg/Lausanne. Vorbei, erledigt, abgehakt. Der Blick geht nach vorn. Ex-Radprofi Jan Ullrich hat sich am späten Donnerstagabend nach jahrelangem Schweigen zu seiner unrühmlichen Vergangenheit erklärt, hat sich entschuldigt, hat „große Fehler“ eingestanden. Dabei will es der einzige deutsche Tour-de-France-Sieger nun bewenden lassen. „Ich ziehe hiermit einen Schlussstrich“, schrieb der 38-Jährige in einer Stellungnahme auf seiner Webseite.

Die Chance, umfassend mit den Vorgängen in der Affäre um den mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes abzuschließen, hat das frühere Radsport-Idol jedoch versäumt. „Ich bestätige, dass ich Kontakt zu Fuentes hatte“, ließ Ullrich, der vom Internationalen Sportgerichtshof CAS rückwirkend vom 22. August 2011 wegen Verstoßes gegen die Anti-Doping-Verordnung zwei Jahre gesperrt wurde, lediglich wissen. Er habe für die Tour 2006 „nochmal alles rausholen“ wollen, der Druck der Öffentlichkeit, der Sponsoren und sein Eigendruck seien „immens groß“ gewesen. „Alle wollten einen zweiten Toursieg, besonders nach dem Rücktritt von Lance Armstrong“, meinte der Gewinner der Frankreich-Rundfahrt von 1997.

Nach dem auf stichhaltigen Indizien beruhenden Urteil des CAS war es gut zwölf Stunden später jedoch kein Dopinggeständnis, das Ullrich abgegeben hat, nicht einmal ein verklausuliertes. „Er bestätigt nicht ausdrücklich, tatsächlich gedopt zu haben“, sagte Rechtsanwalt Dirk Feldmann dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Den Schiedsspruch werde Ullrich hinnehmen und nicht anfechten, obwohl er nicht „mit allen Punkten“ der Urteilsbegründung übereinstimme. Deshalb sei es „schwer vorstellbar, dass er nach dem Akzeptieren des Schiedsspruchs noch behaupten will, er habe kein Blutdoping begangen“, fügte Feldmann hinzu. „Das ist pillepalle, so etwas ist lächerlich, aber so war es doch immer. Er hat nichts zugegeben, und ich rechne auch nicht damit, dass da noch etwas kommt“, kommentierte Dopingexperte und Ullrich-Intimfeind Werner Franke im Gespräch mit dem SID das Statement.

Eine Erklärung zu den dokumentierten Zahlungen an Fuentes, die der CAS in seiner Urteilsbegründung mit einer Summe von mehr als 80.000 Euro bezifferte, blieb aus. Auch zu seinen belegten Besuchen in Spanien verlor Ullrich keine Silbe. Dieser detaillierte Einblick wäre wünschenswert gewesen, nachdem der CAS bereits festgestellt hatte, dass der einstige Volksheld keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Nachweise gelassen habe. Ob noch Regressforderungen von Veranstaltern und Sponsoren kommen, ist offen. Bislang muss Ullrich nur die Prozesskosten in Höhe von etwas mehr als 8000 Euro tragen.

Immerhin aber hat der gebürtige Rostocker großes Bedauern ausgedrückt. „Ich weiß, dass das ein großer Fehler war, den ich sehr bereue. Für dieses Verhalten möchte ich mich aufrichtig bei allen entschuldigen - es tut mir sehr leid. Rückblickend würde ich in einigen Situationen während meiner Karriere anders handeln“, schrieb er.

Schon kurz nach seiner Suspendierung vor dem Start der Tour de France 2006 habe Ullrich den Fehler öffentlich eingestehen wollen, doch ihm seien die Hände gebunden gewesen. „Auf Anraten meiner Anwälte und wie es in solchen Fällen üblich ist, habe ich zu den Vorwürfen geschwiegen“. Stattdessen klammerte er sich jahrelang an die Formulierung, er habe „nie jemanden betrogen“.

Seine persönlichen Probleme und die Burn-out-Erkrankung, unter der Ullrich 2010 litt, erklärte der Olympiasieger von 2000 ebenfalls mit den Entwicklungen um die Fuentes-Affäre. „Dieses Thema hat mich über Jahre so sehr belastet, dass ich krank wurde und irgendwann zusammengebrochen bin“, schrieb Ullrich. Nach der Aufdeckung des Skandals habe er sich „alleingelassen“ gefühlt, „wie durch ein Sieb gefallen“. Die ganze Welt habe ihn „an die Mauer“ stellen wollen: „Da bin ich instinktiv in Deckung gegangen, habe mich erst mal zurückgezogen.“

Ab sofort will Ullrich nur noch über seine Zukunft sprechen, öffentliche Äußerungen zum dunklen Abschnitt seiner Laufbahn gibt es nicht mehr. „Das Kapitel meiner aktiven Radsportkarriere ist endgültig abgeschlossen“, teilte er mit. Eine Rückkehr in den aktiven Profiradsport sei ohnehin nie in Frage gekommen. Ullrich wolle aber seine wiedergewonnene „Freude und Leidenschaft an andere weitervermitteln“. In verschiedenen Funktionen und Bereichen im Jedermann-Radsport wolle er tätig sein.

Dort, das wurde schon bei Auftritten im vergangenen Jahr deutlich, hat Ullrich nach wie vor hohe Sympathiewerte. Ein Großteil seiner Fans steht offensichtlich auch nach all den Jahren zu ihm. Egal, ob und welche Einblicke er irgendwann noch gewährt. Oder eben nicht.

Jan Ullrichs Stellungnahme im Wortlaut

"Das Sportschiedsgericht hat mich nun für zwei Jahre gesperrt. Dieser Schiedsspruch bringt ein Disziplinarverfahren zu Ende, das beinahe drei Jahre gedauert hat. Dieses sportrechtliche Tauziehen war für alle Beteiligten unbefriedigend, für mich selbst wie für die Öffentlichkeit. Es ist für mich unverständlich, warum wir alle so lange auf dieses Urteil warten mussten.

Ich nehme den Schiedsspruch hin und werde ihn nicht anfechten. Nicht, weil ich mit allen Punkten in der Urteilsbegründung übereinstimme, sondern, weil ich das Thema endgültig beenden möchte. Persönliche Konsequenzen habe ich ja bereits 2007 mit dem Rücktritt vom Profiradsport gezogen. Ich bestätige, dass ich Kontakt zu Fuentes hatte. Ich weiß, dass das ein großer Fehler war, den ich sehr bereue. Für dieses Verhalten möchte ich mich aufrichtig bei allen entschuldigen - es tut mir sehr leid. Rückblickend würde ich in einigen Situationen während meiner Karriere anders handeln.

Ich wollte für die Tour 2006 nochmal alles rausholen. Nach meinem Toursieg 1997 und fünf zweiten Plätzen war der Druck der Öffentlichkeit, der Sponsoren und auch mein Eigendruck immens groß. Alle wollten einen zweiten Toursieg, besonders nach dem Rücktritt von Lance Armstrong.

Kurz vor der Tour 2006 macht es dann einen großen Schlag: Suspendierung, Schlagzeilen, Ächtung, Hausdurchsuchungen, Strafverfahren, Klagen. Ich fühlte mich alleingelassen, wie durch einen Sieb gefallen. Die ganze Welt wollte mich an die Mauer stellen und dann bin ich instinktiv in Deckung gegangen, habe mich erst mal zurückgezogen. Wie gesagt: Ich will mich nicht beklagen, dass alles kam nicht ohne Grund. Ich wollte schon damals, kurz nach meiner Suspendierung, den Fehler, den ich gemacht habe, öffentlich eingestehen, aber mir waren die Hände gebunden. Auf Anraten meiner Anwälte und wie es in solchen Fällen üblich ist, habe ich zu den Vorwürfen geschwiegen. Letztendlich hat mich dieses Thema über Jahre so sehr belastet, dass ich krank wurde und irgendwann zusammengebrochen bin.

Ich bin froh, dass endlich ein Urteil gefällt wurde. Für mich ist damit das Kapital meiner aktiven Radsportkarriere endgültig abgeschlossen und ganz persönlich ist es für mich und meine Familie das Ende einer über Jahre hinweg schwierigen Zeit. Der heutige Schiedsspruch kann für mich und meine Zukunftspläne nichts mehr ändern. Ich habe nie daran gedacht, in irgendeiner Funktion wieder in den aktiven Profiradsport zurückzukehren. Mit dieser Erklärung ist von meiner Seite alles gesagt und zu diesem Thema möchte ich keine weiteren Statements, Stellungnahmen oder Interviews in der Öffentlichkeit abgeben. Dafür bitte ich um Verständnis. Ich ziehe hiermit einen Schlussstrich.

Ich habe dem Radsport viel zu verdanken und werde auch weiterhin meine Freude und Leidenschaft für diesen Sport an andere weitervermitteln. In Zukunft werde ich deshalb auch in verschiedenen Funktionen und Bereichen im Jedermann-Radsport tätig sein. Ich blicke auf meine Radsport-Karriere und Erfolge mit Stolz zurück und freue mich auf mein neues Berufsleben."