Nach der Strafe für Alberto Contador schlagen die Wellen weiter hoch. Vor allem in Contadors Heimat Spanien ist die Entrüstung über die Sperre gegen den Nationalhelden groß.

MÜNCHEN. Spanien ist sich einig, es fallen Worte wie skandalös, unglaublich, unerklärlich. Die Dopingsperre gegen ihren Volkshelden Alberto Contador verletzt den Stolz der Iberer bis ins Mark. Es ist die Reaktion eines Landes, das in jüngster Vergangenheit im Weltsport mehr große Erfolge gefeiert hat als jedes andere - und nun verdächtiger denn je ist, beim Thema Doping auf beiden Augen blind zu sein. «Spanien ist bekannt dafür, eigene sportliche Erfolge abzuschotten. In Spanien wird gerne vertuscht», sagte der Heidelberger Dopingexperte Werner Franke.

Franke ist daher von der Empörung auf der iberischen Halbinsel nicht überrascht. Von allen Seiten hatte Contador Zuspruch erhalten. Nicht nur ehemalige Radstars wie Miguel Indurain, Pedro Delgado oder Carlos Sastre ergriffen Partei, sondern auch Tennis-Superstar Rafael Nadal oder Basketball-Held Pau Gasol. «Die Contador-Nachricht ist unglaublich. Es gibt keinen endgültigen Beweis, und sie geben ihm die Höchststrafe. Das ist zum Heulen. Nur Mut Champion! Du hast meine Unterstützung!», twitterte bespielsweise Nadal.

Der Unmut richtet sich deshalb auch gegen den CAS, weil dieser nicht exakt begründet hatte, auf welche Weise nun die Substanz Clenbuterol in den Körper Contadors kam. Die Heranführung des kontaminierten Steaks wurde jedenfalls nicht akzeptiert. Das Sportgericht leitete eine klare «Dopingabsicht» aus den vorliegenden Indizien ab. «Höchststrafe ohne Beweise. Ein skandalöses und unerklärliches Urteil. Die Begründungen grenzen an Surrealismus», titelte die Madrider Sporttageszeitung Marca.

Dabei ist es um den spanischen Anti-Doping-Kampf offensichtlich nicht gut bestellt. An Konsequenz ließen es die Institutionen im Fall Contador mangeln. Im Januar 2011 hatte der spanische Radsportverband RFEC seinen Vorzeigeathleten für ein Jahr gesperrt, wenige Wochen später aber zurückgerudert - auch, nachdem sich Regierungschef Jose Luis Zapatero eingeschaltet hatte. John Fahey, Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), hat diese Tatsache nun noch einmal kritisiert. «Es ist bedauerlich, dass es in der ersten Instanz eine Einflussnahme gab», sagte er bei einem Workshop in Lausanne.

Zudem war dies nicht der erste Vorgang, der an der Glaubwürdigkeit der Iberer zweifeln lässt. Die Operacion Puerto um den mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes im Jahr 2006 ist hierzulande, auch wegen der Verwicklung des einzigen deutschen Tour-Siegers Jan Ullrich, noch in allerbester Erinnerung. Trotz klarer Sachlage wurden die Ermittlungen wiederholt eingestellt mit der Begründung, dass das 2007 in Spanien eingeführte Anti-Doping-Gesetz nicht rückwirkend anwendbar sei. «Seit 2006 hat der spanische Sport seine Glaubwürdigkeit verspielt», sagt Franke.

Denn damals wurden nicht nur Radsportler, sondern auch Leichathleten, Fußballer und Tennisspieler mit dem Fall in Verbindung gebracht - und offenbar nach Kräften geschützt. Auch Contador war zu der Zeit neben vielen anderen in Bedrängnis geraten, doch seine Initialen verschwanden plötzlich wie von Geisterhand von der Fuentes-Kundenliste. Mit den immer gleichen Reflexen hatte er seither Doping wieder und wieder bestritten.

Die Signale, die nun in jüngerer Vergangenheit aus Spanien kamen, lassen eine Umkehr im Denken nicht erkennen. Im letzten Jahr musste die nationale Anti-Doping-Agentur (AEA) mit einem deutlich geringeren Budget auskommen. Und Ende Oktober 2011 wurde das Anti-Doping-Gesetz aufgeweicht und eine 2009 verschärfte Version damit rückgängig gemacht. Spanische Sportler müssen infolge dessen keine nächtlichen Kontrollen mehr befürchten. Ausgelöst hatte diesen Vorgang der spanische Radverband per Einspruch. (sid/abendblatt.de)