Ullrichs erwartete Doping-Beichte blieb aus. Medienberichten zufolge gab er aber Kontakt zu dem mutmaßlichen Dopingarzt Fuentes zu.

Lausanne/Berlin. Die ganze Nation bewunderte ihn, jetzt bestätigte der CAS: Jan Ullrich war ein Doper. Knapp 12 Stunden nachdem das Urteil gefällt war, meldete sich Ullrich zu Wort, die erwartete Doping-Beichte war es aber noch nicht. Immerhin gab er erstmals zu, Kontakt zum umstrittenen spanischen Arzt Eufemiano Fuentes gehabt zu haben.

„Ich bestätige, dass ich Kontakt zu Fuentes hatte. Ich weiß, dass das ein großer Fehler war, den ich sehr bereue. Für dieses Verhalten möchte ich mich bei allen aufrichtig entschuldigen – es tut mir sehr leid“, zitierte die „Bild“-Zeitung aus einer Erklärung des 38-Jährigen. Doch den Beweis für den Kontakt hatte die Staatsanwaltschaft Bonn schon vor fünf Jahren erbracht.

Ullrich beschrieb in der Erklärung auch den Druck, unter dem er stand: „Mit dem Sieg bei der Tour 1997 stand ich blitzartig im Fokus der Öffentlichkeit. Alle erwarten Siege von mir. Der zweite Platz ist der erste Verlierer“, zitierte ihn die „Bild“ weiter.

Fünf Jahre nach seinem Rücktritt war der ehemalige Radsport-Held vom CAS überführt worden, Blutdoping betrieben zu haben. Dem einzigen deutschen Tour-de-France-Sieger wurden am Donnerstag sämtliche Erfolge vom 1. Mai 2005 bis zu seinem Karriereende aberkannt. Zudem sperrte der Internationale Sportgerichtshof CAS den Wahl-Schweizer für zwei Jahre bis 21. August 2013.

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„Es ist bedauerlich, dass Jan Ullrich nicht vorher die Chance ergriffen hat, von sich aus Klarheit zu schaffen“, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Wir hoffen auch in seinem eigenen Interesse, dass er zumindest jetzt einsichtig ist und sich entsprechend erklärt“, ließ Deutschlands höchster Sportfunktionär, DOSB-Präsident Thomas Bach nach Verkündung des Urteils wissen. Der altgediente Radprofi Jens Voigt vermutete, „die Sperre wird ihn nicht sehr bedrücken“. Es sei „gut, dass jetzt ein Schlussstrich gezogen wurde“, meinte der 40-Jährige.

Der CAS hatte sein Strafmaß mit den erwiesenen Verstrickungen Ullrichs in die Affäre um Fuentes begründet – die schon die Staatsanwaltschaft Bonn 2007 mit einem positiven DNA-Abgleich offengelegt hatte. Allein mit einer Zahlung von 250 000 Euro für gemeinnützige Zwecke hatte Ullrich damals einen drohenden Prozess verhindert. Für den Sportgerichtshof besteht kein Zweifel, dass der Olympiasieger von Sydney spätestens vom 1. Mai 2005 an Kunde von Fuentes war. Als Beweis wertete der CAS unter anderem die Zahlung von mehr als 80 000 Euro an den spanischen Mediziner, wie es in der 24-seitigen Begründung des Urteils hieß.

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Drei Tage nach dem drakonischen Urteil gegen Alberto Contador hatte sich der CAS erneut unnachgiebig gezeigt. Ullrich, der bereits im Februar 2007 seine professionelle Karriere beendet hatte, wurden alle Ergebnisse seit dem 1. Mai 2005 – darunter Rang drei bei der Tour de France 2005, Rang zwei im selben Jahr bei der Deutschland-Tour und der Gesamtsieg bei der Tour de Suisse 2006 - annulliert. Außerdem muss Ullrich an den Gewinner des Verfahrens, den Weltverband UCI, 10 000 Schweizer Franken an Prozesskosten bezahlen.

Der Weltverband UCI hatte in der CAS-Anhörung zum Fall am 22. August 2011 eine lebenslange Sperre gefordert. Weil Ullrich aber nicht als Wiederholungstäter anzusehen ist – sein Ecstasy-Befund von 2002 ist in diesem Zusammenhang nicht relevant – beschränkte sich das Gericht auf eine Zwei-Jahres-Sperre. Der CAS zeigte sich überrascht, dass sich der Ex-Profi in der Sache nicht gegen die Vorwürfe und Beweise wehrte. Die Dauer des Verfahrens habe auch damit zusammengehangen.

Anders als Contador fühlt sich Ullrich durch das Urteil vermutlich nicht ins Unglück gestürzt. Im Gegenteil: Der 38-Jährige wertete die Entscheidung im Vorfeld als überfällige Gelegenheit, einen Schlussstrich unter seine wechselvolle Profikarriere zu ziehen. An seiner persönlichen Vergangenheitsbewältigung konnte Ullrich mit Hilfe seiner Berater lange feilen – das Urteil war ähnlich wie im Fall Contador immer wieder verschoben worden. Das lag offenbar auch an dem Sportler selbst, der nie zu einer Anhörung beim CAS erschien.

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Swiss Cycling hatte als früherer Lizenzgeber des gestürzten Superstars 2010 die Ermittlungen gegen Ullrich vor dem Hintergrund der Doping-Affäre Fuentes eingestellt mit dem Hinweis auf „fehlende Disziplinargewalt“. Gegen die Entscheidung hatte die UCI geklagt.

Mit dem Eingeständnis, Kontakt zu Fuentes gehabt zu haben, setzte Ullrich noch keinen vorläufigen Schlusspunkt unter seine seit vergangenem Jahr vorsichtig versuchte Resozialisierung. Da muss noch mehr kommen. Nachdem er 2010 an Burnout erkrankt war, hatte er sich behutsam zurück in die Öffentlichkeit getastet. Einen Tag vor dem Urteil wirkte der dreifache Familienvater auf einem PR-Termin in Bielefeld bei seinem neuen Werbepartner Alpecin („Doping für die Haare“) sogar so gelöst, wie man ihn aus aktiven Zeiten nicht kannte. Diese Lockerheit müsste er jetzt nutzen, um umfassend reinen Tisch zu machen. (dpa)