Das ist bitter: Die deutschen Handballer unterliegen Polen 32:33 und verpassen damit das EM-Halbfinale und die Olympischen Spiele.

Belgrad. Am Ende eines für sie enttäuschenden Tages bei der Europameisterschaft in Serbien waren die deutschen Handballer alle Fans der ungarischen Mannschaft. Die musste in Novi Sad gegen Kroatien gewinnen, um den Deutschen die letzte Olympiachance zu wahren. Ungarn schaffte trotz wiederholter Führung nur ein 24:24-Unentschieden. Damit nimmt erstmals keine deutsche Handballmannschaft an Olympischen Spielen teil. Vier Stunden zuvor hatte das Team von Bundestrainer Martin Heuberger in Belgrad mit der 32:33-(17:18) Niederlage gegen Polen die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben - und zunächst das Halbfinale verpasst. Das bestreiten morgen Spanien gegen Dänemark und Serbien gegen Kroatien.

"Wir haben zwei Matchbälle nicht genutzt, um ins Halbfinale zu kommen, erst gegen Dänemark, jetzt gegen Polen. Das tut verdammt weh. Wir sind alle restlos enttäuscht", sagte der Flensburger Lars Kaufmann. Heuberger fand am Abend als Erster seine Fassung wieder: "Ich bin stolz auf diese Mannschaft. Sie hat nie aufgegeben und eine vorbildliche Einstellung gezeigt. Es ist bitter, dass wir jetzt mit leeren Händen dastehen." Zum sportlichen Frust kam die Sorge um Spielmacher Michael Haaß. Der Göppinger hatte sich gegen Polen kurz vor Schluss den rechten Fuß gebrochen, als Krzysztof Lijewski - nach einem Foul Dominik Kleins - auf ihn gestürzt war. Klein sah für seine Aktion die Rote Karte. Haaß fliegt heute nach Deutschland zurück und soll in den nächsten Tagen operiert werden. Er fällt vermutlich bis zum Saisonende aus. Als Sofortmaßnahme hatte Mannschaftsarzt Berthold Hallmaier Haaß' Fuß in der Halle eingerenkt. In einem Belgrader Krankenhaus wurde dann die Schwere der Verletzung festgestellt.

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Zum Spiel: Im Gegensatz zu den ersten beiden Hauptrundenbegegnungen starteten die Polen konzentriert und aggressiv. Ihr Trainer Bogdan Wenta hatte die Begegnung zum Charaktertest ausgerufen. Das hatte Wirkung hinterlassen. Die deutsche Deckung, sonst das Prunkstück des Teams, bekam die polnischen Angreifer nicht zu fassen, selbst nicht mit verbotenen Griffen ans Trikot. "Wir waren diesmal nicht spritzig genug", sagte Heuberger, "das ist im sechsten Turnierspiel aber verständlich." Hinter der Abwehr hatte der Berliner Torhüter Silvio Heinevetter, Fangquote: 15 Prozent, diesmal selten das Glück, Hände oder Füße an die Bälle zu bekommen. In der 20. Minute, Stand 10:13, räumte er zwischenzeitlich für den Lemgoer Carsten Lichtlein seinen Arbeitsplatz. Der machte es besser, hielt acht von 24 Würfen.

Dass die deutsche Mannschaft ins Spiel zurückfand, daran hatte in der ersten Hälfte der Kieler Klein größten Anteil. Zweimal fing er vor dem eigenen Kreis Pässe der Polen ab und nutzte den Ballgewinn auf der Gegenseite zu Treffern. Vier gelangen ihm in den ersten 30 Minuten, sieben insgesamt. Wenn es etwas zu loben galt im deutschen Spiel, dann war es diese Bereitschaft, keinen Ball verloren zu geben. Oliver Roggisch und Christoph Theuerkauf gingen da mit bestem Beispiel voran. Die von Torhüter Piotr Wyszomirski bis an den Kreis abgeprallten Bälle griffen sie sich vor ihren Gegenspielern und holten in zwei Situationen die Tore nach, die Wyszomirski zuvor verhindert hatte.

Es bedurfte schon solcher Aktionen, um die deutsche Angriffseffektivität zu erhöhen. Im normalen Positionsspiel, sechs gegen sechs, fehlte der Mannschaft wie im gesamten Turnier die Durchschlagskraft, weil sie ihre Angriffe nicht über die gesamte Breite des Feldes vortrug. Das sollte am Ende entscheidend sein. "Es lief irgendwie nicht rund", klagte Kaufmann. Hinzu kamen Abspielfehler, strittige Schiedsrichterpfiffe, sieben Zwei-Minuten-Strafen und Kleins Rote Karte.

Da nutzte es nichts, dass nach erfolgreicher Aufholjagd eines Viertorerückstandes (28:24/45. Minute) Kapitän Pascal Hens in der 56. Minute in Unterzahl zum 30:29 die erste deutsche Führung erzielte. Christian Sprenger baute sie in doppelter Unterzahl mit seinem siebten Treffer Momente später auf 31:29 aus. Dann nahm das Unglück seinen Lauf, angefangen mit Haaß' Unfall. Nach Kleins Hinausstellung glichen die Polen aus, Michal Jurecki erzielte in der letzten Minute den Siegtreffer. "Wir haben letztlich verdient verloren", meinte Roggisch, "in ständiger Unterzahl kann man solche Entscheidungsspiele nicht gewinnen."

Tore, Deutschland: Klein 7, Sprenger 7, Theuerkauf 5, Kaufmann 3, Hens 2, Glandorf 2, Gensheimer 2 (2 Siebenmeter), Roggisch 1, Haaß 1, Christophersen 1, Groetzki 1. Polen: Kuchczynski 5, B. Jurecki 5, K. Lijewski 4, Bielecki 4, Wisniewski 4, Syprzak 3, Jaszka 3, M. Jurecki 2, Tluczynski 2 (1), Tkaczyk 1. Schiedsrichter: Lopez/ Ramirez (Spanien). Zuschauer: 1000. Zeitstrafen: 7; 4. Rote Karte: Klein wegen groben Foulspiels (58.).

Interview mit den früheren Bundestrainern Horst Bredemeier und Heiner Brand www.abendblatt.de/sport