Mit neuem Mut und Selbstvertrauen gehen Deutschlands Handballer in die Hauptrunde der EM in Serbien. Nun rückt sogar das Halbfinale in Sichtweite.

Belgrad/Nis. Der Blick auf die Tabelle der Hauptrunde eins der Handball-Europameisterschaft entlockte Martin Heuberger dann doch ein breites Grinsen. Erster Deutschland stand da geschrieben, 4:0 Punkte, eine Tordifferenz von plus sechs. "Das ist doch eine makellose Bilanz", meinte der Bundestrainer. Er wirkte das erste Mal in diesen Tagen entspannt. Wie schwer ihn die jüngste Kritik an seiner Person getroffen haben mag, zeigte später dieses Statement in eigener Sache: "Ich habe gesagt, dass ich meinen Weg unbeirrt gehen werde. Das habe ich getan. Hätte ich auf jeden gehört, der hier glaubte, etwas sagen zu müssen, wären wir jetzt auf dem Rückflug."

Die bislang einzige Delle beim Auftritt des ehemaligen Weltmeisters in Nis hatten am Donnerstagabend die Mazedonier ausgebügelt. Weil sie mit 4000 sangesfreudigen Fans im Rücken Tschechien bezwangen, fällt die deutsche Auftaktniederlage gegen diesen Gegner aus der weiteren Wertung. Jetzt ist nicht nur die angestrebte Teilnahme an einem der drei Olympia-Qualifikationsturniere im April in greifbarer Nähe, sogar über das Erreichen des Halbfinales darf bei dieser EM nun geredet werden. Ein Sieg am Sonnabend in Belgrad gegen den punktgleichen Gastgeber Serbien (20.15 Uhr/NDR und WDR) würde plötzlich Möglichkeiten eröffnen, an die vor einer Woche niemand zu denken wagte. Dänemark am Montag und Polen am Mittwoch sind die zwei anderen Gegner in der Hauptrunde.

"Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert. Beim 29:24 über Schweden haben wir zum Abschluss der Vorrunde zum ersten Mal in diesem Turnier den Handball gezeigt, den diese Mannschaft in der Lage ist zu spielen", sagte Heuberger. War das 24:27 am vergangenen Sonntag gegen Tschechien noch in die Kategorie Debakel eingeordnet und der Abgesang auf diese Mannschaft und diesen Trainer angestimmt worden, sieht die Handballwelt aus deutscher Sicht zwei Siege später wieder erfreulich heiter aus.

"Die Erklärung dafür klingt banal", sagte der Kieler Linksaußen Dominik Klein, "im Sport ist eben nichts erfolgreicher als der Erfolg. Du holst dir damit Stück für Stück jenes Selbstvertrauen, das du für einen Wettbewerb auf diesem Niveau brauchst." Die Angriffsleistung gegen Schweden, temporeich, kombinationssicher und taktisch diszipliniert, stufte Heuberger als eine der besten der vergangenen Jahre ein. Dazu stand die Abwehr kompakt, ließ den Schweden kaum Lücken, und dahinter untermauerte der Berliner Silvio Heinevetter seine Ansprüche auf einen festen Arbeitsplatz im nationalen Tor.

Der Schlüssel zu alldem heißt wohl Mazedonien. "Dass wir dieses Spiel am Ende denkbar knapp gewonnen haben, obwohl die gesamte Halle 60 Minuten lang gegen uns Stimmung gemacht hatte, das könnte der Knackpunkt gewesen sein", sagte der Flensburger Halblinke Lars Kaufmann. "Wenn du solch eine Begegnung gewinnst, dann glaubst du wieder an dich." Und mit dem Glauben kehrten in das deutsche Spiel Sicherheit, aber auch Mut zurück.

Jetzt also Serbien. "Wir freuen uns auf dieses Spiel, gerade wegen der einmaligen Stimmung", sagt der Hamburger Mannschaftskapitän Pascal Hens. In der Beogradska Arena werden bis zu 19 982 Zuschauer ihr Team zum Sieg schreien wollen. "Die Erwartung unserer Landsleute ist riesengroß", sagt der Kieler Momir Ilic, "der Einzug ins Halbfinale scheint jetzt das Mindeste zu sein, was wir schaffen müssen. Viele unserer Fans träumen schon vom Titel."

Mit Serbien und Deutschland treffen zwei Mannschaften als Sieger ihrer Vorrundengruppen aufeinander, die zuletzt kaum Schrecken verbreiteten. Bei der WM 2011 in Schweden wurden die Serben Zehnter, die Deutschen Elfter. Die EM ist das Ereignis, mit dem die Serben in Europa wieder positiv auf sich aufmerksam machen wollen; als perfekte Organisatoren, was sie bislang sind, am liebsten jedoch als Sieger des Turniers. Handball, nach Basketball und Fußball Sportart Nummer drei, hat große Tradition auf dem Balkan. Als der Vielvölkerstaat noch Jugoslawien hieß, gewannen die Handballer zweimal olympisches Gold, zuletzt 1984 in Los Angeles im Finale gegen Deutschland. Gegen eine Neuauflage dieses Endspiels in einer Woche in Belgrad hätten beide Seiten nichts einzuwenden.