Die ersten Horror-Meldungen aus dem Gastgeberland machen die Runde, doch Fifa-Chef Blatter beruhigt: “Niemand muss zweifeln“.

Johannesburg. Die ersten Horror-Meldungen ließen nicht lange auf sich warten. Ein Busunfall mit zwei getöteten englischen Touristen und 21 Verletzten, bewaffnete Überfälle auf Journalisten aus Spanien, Portugal und China, ein Einbruch in das griechische Mannschaftshotel - die Warnungen im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hatten mit Panikmache nichts zu tun. Das Thema Sicherheit stellt die größte Bedrohung der ersten WM auf dem schwarzen Kontinent dar.

Mit dem Fall Peter Burgstaller fing alles an. Der Raubmord an dem ehemaligen österreichischen Fußball-Profi am Rande der Auslosung der Qualifikationsgruppen in Durban im November 2007 rückte die bedenkliche Sicherheitslage in Südafrika vor der WM erstmals ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Seitdem schürte nicht nur die schaurige Statistik von im Schnitt landesweit 50 Morden pro Tag weltweit die Angst.

Das Terrornetzwerk Al-Kaida, so hieß es Mitte Mai aus irakischen Sicherheitskreisen, habe ein Auge auf die WM geworfen. Im April sorgte der Mord an dem Rechtsextremisten Eugene Terreblanche für Befürchtungen, noch während der WM könne es zu Rassenunruhen kommen. Der Terroranschlag auf den Bus der togoischen Nationalmannschaft vor dem Afrika-Cup im Januar erhöhte auch den Druck auf Südafrika. Die Massenpanik beim Testspiel Nigeria gegen Nordkorea am vergangenen Sonntag bewies, dass nicht nur gewaltbereite Fans ein beträchtliches Sicherheitsrisiko darstellen können.

FIFA-Präsident Joseph S. Blatter scheint dies alles zu ignorieren, wenn er sagt: "Niemand muss zweifeln. Viele vertrauen Südafrika nicht, aber die Sicherheit der WM-Besucher ist gewährleistet. Es ist einfach völlig falsch zu sagen, dass Südafrika zu gefährlich sei, wenn jedes Jahr elf Millionen Touristen gerne in dieses Land fahren. Das ist einfach der falsche Ansatz."

SÜDAFRIKA IST BEREIT FÜR DIE WM

Auch "Kaiser" Franz Beckenbauer gibt sich vergleichsweise entspannt. "Man muss sich in Südafrika an bestimmte Regeln halten und sollte natürlich nie alleine losziehen. Das ist ja bekannt. Aber wenn man sich in Gruppen aufhält, passiert meistens nichts", sagte das FIFA-Exko-Mitglied dem SID am Donnerstag.

Tatsächlich hat Südafrika, finanziell und logistisch unterstützt von der FIFA und den Teilnehmerländern, beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die WM sicher zu machen. Ob die Maßnahmen ausreichen, ist jedoch fraglich. 41.000 Polizisten sollen in den neun Spielorten vor allem die erwarteten etwa 350.000 ausländischen WM-Touristen beschützen. Ursprünglich hatten die Organisatoren mit einer knappen halben Million Besuchern gerechnet. In südafrikanischen Sicherheitskreisen und bei der FIFA wird die Differenz nur allzu gerne mit der weltweiten Finanzkrise erklärt.

"Ich bin zuversichtlich, dass wir eine sichere WM austragen werden", sagt Südafrikas Polizeichef Bheki Cele. Man sei bereit, "mit jeder Eventualität fertig zu werden". Doch selbst der Polizeichef schränkt ein. Eine Horde alkoholisierter Fans zur falschen Zeit am falschen Ort gehört offenbar auch zu seinen Albträumen: "Es gibt Gegenden, die gemieden werden sollten, zum Beispiel die Townships und die Rotlichtbezirke der großen Städte." Die Fangruppen sollen deshalb offizielle "Korridore" gar nicht erst verlassen und auf dem Weg zwischen Stadion und Hotels lückenlos von der Polizei eskortiert werden.

Dabei scheint die Polizei selbst Teil des Problems. Korruption ist ein bekanntes, aber ungelöstes Übel. Die Strategie, auch mit Blick auf die WM extrem hart gegen Kriminelle vorzugehen, hat alarmierende Nebenwirkungen. Im Jahr 2009 starben 556 Menschen durch eine Polizeikugel, 136 mehr als im Jahr zuvor. Einer von mehreren Unschuldigen darunter war ein dreijähriger Junge in Johannesburg.

"Tot oder lebendig, für die Ganoven ist es das Ende des Weges", sagte Cele, als er im Januar in Port Elizabeth eine neue Spezialeinheit vorstellte. Spätestens zwei Monate später wusste man dort, was er damit meinte. Elitepolizisten lieferten sich mit Bankräubern eine wilde Verfolgungsjagd durch die Straßen der Stadt, in der die deutsche Nationalmannschaft am 18. Juni auf Serbien treffen wird. Die Beamten durchsiebten förmlich das Fluchtauto mit Kugeln. Augenzeugen zählten rund 50 Einschüsse - und fünf tote Bankräuber. Wie durch ein Wunder kam keiner der zahlreichen Schaulustigen am Straßenrand ums Leben.