Ex-DFB-Funktionär Manfred Amerell soll junge Schiedsrichter sexuell belästigt haben. Jetzt packt ein Betroffener, Michael Kempter, aus.

Neuss/ Frankfurt/Main. In der Affäre um den ehemaligen DFB-Funktionär und Ex-Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell (62) kommen jetzt neue Details ans Licht - weil Bundesliga-Schiedsrichter Michael Kempter (27) in einem Interview ausgepackt hat. Dort berichtet er ausführlich über angebliche sexuelle Belästigungen Amerells.

„Herr Amerell hat mich auch auf den Mund geküsst“, sagte Kempter in der "Bild"-Zeitung. Er habe sich abgewendet und deutlich signalisiert, dass er das nicht wolle. „Manchmal hat er nachts an meine Hotelzimmertür geklopft. Da habe ich schon nicht mehr aufgemacht. Am nächsten Morgen beim Frühstück war er beleidigt. Herr Amerell hat auf Ablehnung sehr giftig reagiert.“

Als Motivation für den Schritt an die Öffentlichkeit nannte Kempter, dass er die Aussagen von Herrn Amerell so nicht stehen lassen wollte und auch andere Schiedsrichter als „Opfer“ betroffen seien. Ob er juristisch gegen Amerell vorgehen wird, ließ Kempter offen und richtete den Blick auf sein Comeback in der Bundesliga: „Ich will in den nächsten Wochen so schnell wie möglich wieder pfeifen.“ Darüber habe er schon mit den Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gesprochen.

Amerells Anwalt Jürgen Langer nannte die Aussagen von Kempter „irritierend und bedenklich“. Langer verwies auf den Termin am 4. März vor dem Landgericht München. Dort wollen Amerell und Langer eine einstweilige Verfügung erreichen, wonach der DFB nicht mehr von „sexueller Belästigung und Übergriffen“ sprechen darf. „Dort wird die Wahrheit ans Licht kommen“, sagte Langer.

Kempter sprach unterdessen von einem schleichenden Prozess. Amerell habe sich über Jahre hinweg Vertrauen geschaffen, und dann sei es irgendwann losgegangen. In den vergangenen zwei Jahren habe sich alles verstärkt, sagte er und nannte intimste Details: „Erst nur mit Hand auflegen auf den Oberschenkeln - und dann wanderte die Hand immer weiter, in die Hose, in den Genitalbereich. Als die Hand in meine Hose ging, habe ich gedacht, 'Was soll ich jetzt machen?' Ich wollte nicht, aber er hat nicht aufgehört.“

Auf die Frage, wo diese von ihm geschilderten Dinge geschehen seien, sagte Kempter: „Im Auto, auf der Fahrt von einem Spiel zum Hotel und im Hotelzimmer nach einem Spiel.“ Es habe aber keinen Geschlechtsverkehr gegeben: „Nein, das wäre ja noch schlimmer.“ Insgesamt habe es nach Kempters Angabe drei Vorfälle gegeben.

Und warum hat er so lange geschwiegen? Kempter: „Ich hatte einfach Angst um meine Karriere als Schiedsrichter. Und ich habe mich geschämt. Ich habe versucht, es zu verdrängen, aber es kam immer wieder hoch. Und als ich gemerkt habe, dass es noch mehrere Fälle gibt, habe ich mich durchgerungen, etwas zu sagen.“

Währenddessen äußert sich nun auch der frühere Spitzen-Referee Markus Merk über das Ansehen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Schiedsrichter. „Nach so einer Geschichte bleibt immer ein Makel. Das ist ein großer Schaden für die Schiedsrichter und den DFB. Der international große Status der deutschen Unparteiischen ist angekratzt. Das Ausland ist hellhörig geworden“, sagte Merk und befürchtet: „Nach einer solchen Eskalation wird es keine Sieger geben.“

Der dreimalige Weltschiedsrichter Merk verwies in diesem Zusammenhang auf ein zum Teil falsches Bild von Bundesliga-Referees in der Öffentlichkeit. „Schiedsrichter sind sensible Spitzensportler, die Ansprechpartner und eine gute Führung brauchen. Sie werden dem Bild des autoritären Spielleiters nicht immer gerecht“, sagte der Pfälzer, der sich zu Details des Falls nicht äußern wollte. Soviel nur: „Das Erstaunliche ist, dass es sich um erwachsene Männer handelt“, meinte Merk.

Merk sorgt sich vor allen Dingen um die Auswirkungen auf die Basis, auf die rund 80.000 Schiedsrichter, „die Wochenende für Wochenende hart um ihren Status kämpfen müssen.“ Im Mai 2008 war der einstige FIFA-Schiri Merk nach 20 Jahren und der Rekordzahl von 339 Erstliga-Begegnungen vor dem Erreichen der Altersgrenze auf eigenen Wunsch abgetreten. Der promovierte Zahnarzt ist seit fünf Jahren als Veranstalter von Motivations-Seminaren in ganz Deutschland tätig und engagiert sich für Hilfsprojekte in Indien.