Nach seinem Erfolg im Zweierbob will André Lange nun auch im Viererbob die Goldmedaille bei den Olympischen Winterspielen holen.

Vancouver/Whistler. Nach seinem Sieg im Zweierbob im Whistler Sliding Centre mit Anschieber Kevin Kuske feierte der 36-Jährige André Lange seinen vierten Olympiasieg nach den Erfolgen im Vierer (2002 und 2006) und Zweier (2006). Mit dem gestrigen Triumph hat Lange bereits Olympia-Geschichte geschrieben und als erster Bob-Pilot zum vierten Mal Gold gewonnen. Für die Ewigkeit kann Lange bei seinem letzten Rennen im Vierer noch einen drauf setzen. „Egal ob Gold oder eine Medaille zum Abschied im Viererbob - er macht sich unsterblich“, sagte Andreas Trautvetter, Präsident des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD). Sein Vize Rainer M. Jacobus meinte sogar: „Er ist der Schumacher des Bobsports. Nur vergleichbar mit dem legendären Italiener Eugenio Monti.“ Der ehemalige Weltklassepilot Christoph Langen, selbst zweimaliger Olympiasieger und achtmaliger Weltmeister, sagte über Lange: „Er ist der Größte und wird immer ein Bob-Hero bleiben“.

Der umjubelte André Lange stand nach seinem vierten Olympiasieg mit der schwarz-rot-goldenen Fahne um den Hals und Anschieber Kuske im Arm in der Eisrinne. Immer wieder brüllte er seine Freude über den großen Triumph im Zweier vor seinem Teamkollegen Thomas Florschütz heraus: „Viermal Gold ist einfach nur geil!“

Vier Olympiasiege hat noch kein Bob-Pilot vor Lange geschafft, zudem schloss er in der Wertung der erfolgreichsten deutschen Wintersportler bei Olympia zu den Biathleten Ricco Groß und Sven Fischer auf. So fiel auch Biathlon-Doppel-Olympiasiegerin Magdalena Neuner dem frisch gebackenem Olympiasieger liebevoll um den Hals und gratulierte herzlich zu seinem großen Coup. Dennoch zeigte sich der 36-Jährige wie immer bodenständig und glänzend aufgelegt. „Also ich sage mal ganz ehrlich: Ich muss immer noch die Hose runterziehen, wenn ich auf Toilette gehe, ich bin auch nur nackig auf die Welt gekommen. Es ist für den Moment einfach nur schön, und das kosten wir 24 Stunden aus“, betonte Lange.

Gewohnt nervenstark ließ sich der Routinier vor den Augen von Fürst Albert II. von Monaco in den entscheidenden letzten beiden Läufen auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Whistler nicht mehr aus der Goldspur drängen. Hinter Lange und dessen Top-Anschieber Kevin Kuske jubelten der Riesaer Thomas Florschütz und sein Bremser Richard Adjei über Silber. Dritter wurde der Russe Alexander Subkow. Der Königsseer Karl Angerer verpasste dagegen als Neunter die Medaillenränge klar.

Lange bescherte der deutschen Mannschaft die sechste Goldmedaille bei den Winterspielen in Vancouver. „Jetzt ist Fasching im Kopf“, sagte der Thüringer, „jetzt werden wir das Ganze erst einmal genießen und eine Hopfenkaltschale zu uns nehmen.“ Ein Bierchen hatte sich auch Teamkollege Florschütz redlich verdient. „Wir haben unser Bestes gegeben. Wir sind zufrieden. Es war ein richtig schöner Wettkampf“, sagte der Riesaer, der erstmal das Bäuchlein seiner hochschwangeren Freundin Diane streichelte. „Als Mann kann man das sowieso nicht begreifen, wie das so alles funktioniert. Ich verfolge alles und gehe zu jedem Termin mit. Der Moment, wenn es soweit ist, wird noch größer als das Silber-Erlebnis. Das wird die schönste Zeit, die man sich als Paar vorstellen kann“, sagte Florschütz, der Ende April Vaterfreuden entgegensieht.

Der Doppelsieg im kleinen Schlitten setzte die Erfolgsbilanz der Kufen-Cracks eindrucksvoll fort. „Sensationell!“, jubelte BSD- Sportdirektor Thomas Schwab: „Das hab' ich mir vorher nicht träumen lassen, dass wir im Zweier so abräumen.“ Die Dominanz zum Auftakt der Bobrennen führte Lange vor allem auf das Klasse-Material zurück. „Die Jungs von der FES haben uns hier Bobs und Kufen bereitgestellt, die sich bei hoher Geschwindigkeit einfach klasse lenken lassen“, betonte Lange. Das Duo Lange/Florschütz raste mit nagelneuen Kufen vom Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin so schnell wie kein anderes Gefährt durch die umstrittene Eisrinne und durchbrachen die Schallmauer von 150 Stundenkilometern. Lange kam sogar auf Tempo 151 - im Vierer soll es gar noch schneller zur Sache gehen. Vor dem Start gab es etwas Aufregung, weil die Materialkommission des Weltverbandes FIBT die neuen Kufen bei der Abnahme zunächst falsch vermessen hatte.

Auf Drängen von Schwab, der dank seiner Rodler, Skeletonis und Zweierbob-Piloten nun schon neun Medaillen im Eiskanal verbuchen konnte, wurde das Eis in der berüchtigten „Fifty-Fifty“-Kurve abermals nachgebessert. Am zweiten Wettkampftag gab es daher keine Stürze mehr. Einige Piloten hatten nach insgesamt 14 Trainingsstürzen und dem tödlichen Unfall des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili die Ereignisse zum Start am Samstag immer noch im Hinterkopf, als sie ihre 390 Kilogramm schweren Zweierbobs bei mehr als 20 Prozent Gefälle in die schnellste Eisrinne der Welt schoben. Mitfavorit Lyndon Rush (Kanada) musste seine Medaillen-Hoffnungen nach einem Sturz im zweiten Durchgang begraben, der Schweizer Beat Hefti fiel schon nach dem Training mit Gehirnerschütterung aus.

Bevor sich Lange nach diesen Olympischen Winterspielen von seiner Bühne verabschiedet, steht am kommenden Sonnabend noch die Entscheidung im Viererbob an. Für André Lange eine erneute Medaillenchance. „André wird auch im Vierer keine Ruhe geben. Schon jetzt hat er sich ein wenig unsterblich gemacht.“, blickte DOSB-Generalsekretär Michael Vesper bereits einmal auf Langes letzte Dienstfahrt nach 17 Jahren. Fünfmal Gold für Deutschland hat bislang bei Winterspielen nur Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gewonnen.

Aufgrund des nahenden Abschieds kam sogar bei der zumeist chancenlosen Konkurrenz ein wenig Wehmut auf. „Es war eine Ehre, mit ihm zusammen gefahren zu sein“, meinte der Schweizer Olympia-Vierte Ivo Rüegg. Der deutsche Verbandspräsident Andreas Trautvetter hatte ebenfalls ein lachendes und ein weinendes Auge: „Dieser Erfolg ist einfach sensationell. Die Ära Lange wird leider beendet.“