Nach ihrem zweiten Gold in Vancouver verzichtet Magdalena Neuner auf die Staffel. Ärger gibt es wegen der „Blaubärjacken“, den Helfern.

Vancouver/Whistler. Zweimal Gold, einmal Silber - so wird die Statistik der Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver für Magdalena Neuner ausfallen. Mehr wird nicht hinzukommen. „Für mich war das heute mein letztes Rennen. Ich bin mit den Olympischen Spielen fertig“, sagte sie knapp sieben Stunden nach ihrem Sieg im Massenstart-Rennen, obwohl es für die deuschen Damen in der Staffel am Dienstag (/20:30 Uhr MEZ) noch einmal um Gold geht. Neuner bleibt der Staffel fern, ein Dreifach-Triumph ist somit ausgeschlossen.

„Es war meine Entscheidung, nicht in der Staffel zu laufen. In den letzten Tagen war alles schon sehr, sehr viel für mich“, sagte Neuner vor einem verdutzten Publikum im Deutschen Haus in Whistler zur Begründung. Am Nachmittag hat sich die Doppel-Olympiasiegerin noch ganz anders angehört. „Wir haben eine sehr, sehr gute Chance, in der Staffel zuzuschlagen. Ich glaube auch, dass es passt, ich habe ein sehr gutes Gefühl“, sagte Neuner, zumal Simone Hauswald hinter der Russin Olga Saizewa Bronze geholt hatte.

Ein mögliches drittes Gold hätte Neuner zur ersten deutschen Olympia-Teilnehmerin gemacht, der bei ein und denselben Spielen ein Hattrick gelingt. Ihren Startverzicht auf die Staffel über 4x6 km begründete sie mit ihren bisherigen Erfolgen: „Nach drei Medaillen muss man auch mal die Kirche im Dorf lassen. Und immerhin haben drei von uns fünf Olympia-Starterinnen noch keine Medaille. Es wäre traurig, wenn es dann wegen mir nicht klappen würde.“ Neuner hatte neben den zwei Goldmedaillen auch Silber im Sprint gewonnen.

Den Sinneswandel eineinhalb Tage vor dem Staffelrennen forcierte Bundestrainer Uwe Müssiggang in internen Gesprächen mit seinen Läuferinnen. „Wir haben zusammengesessen, und dann ist die Entscheidung getroffen worden“, berichtete Magdalena Neuner - und behauptete außerdem tapfer lächelnd: „Für mich ist es die richtige Entscheidung.“

Müssiggang begründete seine Entscheidung mit dem hohen Risiko für Neuner, die vor ihren beiden Olympiasiegen als Wackelkandidatin für die Staffel gegolten hatte. „Die Lena hat hier so viel erreicht. Das Risiko, möglicherweise noch ein Negativ-Erlebnis zu haben, musste sie nicht eingehen“, sagte er. Der künftige Frauen- und Männer-Chef ergänzte: „Lena hat in den letzten Tagen viel Glück gehabt. Das sollte man nicht ewig ausreizen.“ Zudem sei Martina Beck die bessere Staffelläuferin.

Im Olympiawinter war Neuner in der Tat nur in einem von vier Staffelrennen berücksichtigt worden. Bei der Olympia-Generalprobe in Ruhpolding hatte sie das deutsche Quartett durch zwei Strafrunden beinahe im Alleingang auf Platz vier abrutschen lassen. Die Staffel wird nun wohl in der Besetzung Andrea Henkel, Kati Wilhelm, Martina Beck und Hauswald laufen. Zwei dieses Quartetts müssen sich allerdings noch steigern: Andrea Henkel wurde im Massenstart Neunte, Kati Wilhelm landete nach einer schwachen Schießleistung nur auf Platz 25.

Trotz des erneuten Goldes kann sich Magdalena Neuner auch ärgern. Sie attackierte die sogenannten „Blaubärjacken“. „Man wird von denen nach dem Zieleinlauf noch schlimmer behandelt als Schweine, die zur Schlachtbank gehen. Da wird richtig an einem gezerrt und Gewalt angewendet. Das verdirbt einem so richtig die Laune“, sagte sie.

Die in blau gekleideten Helfer kümmern sich nach dem Zieleinlauf um das Material der Biathleten, achten darauf, dass sie nicht sofort die Klamotten wechseln und führen sie anschließend zur Dopingkontrolle. „Da sind die Kanadier schon sehr unflexibel. Die laufen teilweise schreiend und mit fünf Leuten hinter einem her. Man kann den Moment, in dem man die Goldmedaille gewinnt, überhaupt nicht genießen. Ich finde es unmöglich, dass sie überhaupt keinen Respekt vor den Sportlern haben“, sagte Neuner.

Auch Simone Hauswald ließ kein gutes Haar an den offenbar hysterisch agierenden „Blaubärjacken“: „Bei der Dopingkontrolle lesen sie einem erst einmal einen Mega-Zettel vor, da hat man das Gefühl, die würden mit der Wand reden. Man wird hier nicht mehr als Mensch behandelt. Ich habe noch nie eine so stressige Dopingkontrolle erlebt. Da bin ich schon ein bisschen unbeherrscht geworden“, sagte Hauswald. Damit wird sich Neuner nun nicht mehr herumschlagen müssen. Ohne sie haben Wilhelm, Henkel, Beck und Hauswald den Auftrag, den deutschen Gold-Express (2007/2008 zwei Jahre ungeschlagen und zweimal Weltmeister) im Staffelrennen zum Sieg zu führen. „Ganz klar ist da Gold unser Ziel. Auch wenn es einige Teams gibt, die uns vom Podest stoßen wollen“, sagte Müssiggang.