Der DOSB-Chef kann die Spiele 2018 nach München holen - oder als Nachfolger des IOC-Präsidenten Rogge selbst Herr der Ringe werden.

Vancouver. Der Präsident scherzte, lachte und führte mit lockerer Zunge beschwingt durchs Programm. Während der Präsentation des Bobfahrers André Lange, des deutschen Fahnenträgers bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Vancouver, wirkte Thomas Bach gelöst wie selten zuvor. Die momentane Leichtigkeit seines Seins mag einen Grund haben: Heute dürfte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auf der Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit großer Mehrheit für vier weitere Jahre als IOC-Vizepräsident bestätigt werden. Einen Gegenkandidaten gab es bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht, und der sei auch nicht mehr zu erwarten, meinte Bach: "Das sollte diesmal eine ganz entspannte Wahl werden."

Bach (56), promovierter Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim, FDP-Mitglied, 1976 mit der deutschen Mannschaft Fecht-Olympiasieger, könnte sich auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn als Sportfunktionär fühlen. Er leitet im IOC die "Juristische Kommission", den Ausschuss "Sport und Recht" und sitzt der Disziplinarkommission vor. Mehr Zustimmung, Respekt und Anerkennung für seine Arbeit im olympischen Komitee erfuhr selbst der 1996 verstorbene charismatische Willi Daume nicht, der von 1972 bis 1976 IOC-Vizepräsident war. Doch Bachs Karriere, mutmaßen seine Wegbegleiter, harre der Krönung. Der Deutsche gilt als möglicher Kandidat - einige seiner Kollegen meinen, er wäre der aussichtsreichste - für die Nachfolge des IOC-Präsidenten Jacques Rogge (67). Der belgische Arzt muss 2013 nach dann zwölf Jahren Amtszeit abtreten. Das verlangen die Statuten.

Bach hat derlei Ambitionen bislang nie wertend kommentiert. In Vancouver sagte er nun: "Diese Frage stellt sich jetzt nicht. Das wird man sehen, wenn die Zeit reif ist." Aus der Sprache des Diplomaten und Strippenziehers in Klartext übersetzt, heißt das wohl: "Ja, ich will!" Sicher ist auch: Bach wird 2013 beim IOC-Kongress in Buenos Aires nur antreten, wenn er sich seiner Mehrheit gewiss ist. Aber: Stimmungen und Strömungen im Bund der fünf Ringe nimmt keiner besser wahr als er. Als Lobbyist ist er deshalb ein bei Wirtschaft, Politik und Sponsoren gefragter Mann. Bach weiß, was wann wie hinter den Kulissen zu tun ist. "Er ist der typische Fechter", hat ihn einmal das langjährige deutsche IOC-Mitglied Walther Tröger beschrieben, "erst fintiert er, dann sticht er zu." Aber nie mit offenem Visier. Fechtern kann man beim Kampf nicht in die Augen schauen.

Bach hat Macht, große Macht. Macht weckt Misstrauen, große Macht großes Misstrauen. Das geht in diesen Tagen manchmal so weit, dass Mitglieder der Münchner Bewerbungsgesellschaft für die Olympischen Winterspiele 2018 in Vancouver hinter vorgehaltener Hand raunen, die entscheidende Frage für den Erfolg Münchens werde sein, ob Bach ihre Kampagne mit ähnlichem Engagement unterstütze wie seine persönliche. Nahrung für diese Zweifel gibt es nicht. Es war Bach, der Münchens Bewerbung auf den Weg brachte. Ein Erfolg wäre auch sein Erfolg, sein dann größter als Funktionär.

Über München entscheidet das IOC im Sommer 2011 im südafrikanischen Durban, seinen neuen Präsidenten wählt das IOC zwei Jahre später in Buenos Aires. Zweimal in kurzer Zeit große Stimmenpakete für Deutschland zu organisieren, fürchten die Münchner aber, werde selbst einem umsichtigen Strategen wie Bach schwer fallen. Münchens Konkurrenten sind das zweimal gescheiterte Pyeongchang (Südkorea) und Annecy (Frankreich), Bachs sind unbekannt. Von Jacques Rogge heißt es, er favorisiere den puertorikanischen Geschäftsmann Richard Carrión (57). Bach sagt, er und Rogge liegen auf einer sportpolitischen Linie. Bach jedoch ist Europäer. Die stellen seit 1972 den IOC-Präsidenten.

Ungeklärt wie die Rogge-Nachfolge beim IOC bleibt auch das Erbe Bachs beim Deutschen Olympischen Sportbund. Die Frage, dachten seine Präsidiumskollegen, würde frühestens 2012 virulent, jetzt brachte Bach sie in Vancouver überraschend aufs Tapet. Er müsse sich überlegen, ob er sich am 4. Dezember der DOSB-Mitgliederversammlung zur Wiederwahl stelle. Ein wichtiger Grund sei seine gestiegene Arbeitsbelastung. Auf Dauer, sagte Bach, könne dieser Stress für ihn nicht so weitergehen: "Wenn ich nicht im Flugzeug schlafen könnte, wäre ich schon längst tot." Ob er ernsthaft kürzer treten will oder nur erneut gebeten werden möchte, den Job noch einmal zu übernehmen, weiß nur Bach. Hinter seine Stirn hat er sich noch von niemandem schauen lassen.