Der frühere Präsident des Internationalen Olympischen Komitees ist am Mittwoch um 13.25 Uhr an Atem- und Herzstillstand gestorben.

Berlin. Noch bis zuletzt staunten Sportfunktionäre aus aller Welt über so viel Schlitzohrigkeit. Im Oktober hatte sich Juan Antonio Samaranch nach Kopenhagen aufgemacht, um als Ehrenpräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) seine Macht zu nutzen. Nachdem er seiner Heimatstadt Barcelona zu den Sommerspielen 1992 verholfen hatte, trachtete er danach, Madrid den Zuschlag für 2016 zu verschaffen. Samaranch zog sogar seinen Tod als Argument heran: "Ich weiß, dass ich dem Ende meiner Zeit nah bin", sagte er den Olympiern, "ich bin schließlich 89."

Die Masche zog nicht. Rio siegte. Sechs Monate später ist Samaranch tot. Der mächtigste Modernisierer Olympias verstarb gestern Mittag an Atem- und Herzstillstand in seiner Heimatstadt. Trauergottesdienst und Bestattung sollen bereits heute stattfinden. "Ich bin tieftraurig über den Tod des Mannes, der die Olympischen Spiele der Neuzeit geformt hat", sagte der belgische IOC-Chef Jacques Rogge über den Amtsvorgänger, auf den er 2001 gefolgt war, "Samaranch war der Architekt einer starken und vereinten olympischen Bewegung."

Samaranch hinterlässt ein kontroverses Vermächtnis. Als er 1980 das IOC übernahm, hatte der Bund alter Männer sich hart an die Grenze zur Bedeutungslosigkeit und Insolvenz gewirtschaftet. In einer Welt des Blockdenkens waren die Spiele zum Spielball der Politik verkommen. 1976 traten in Montreal 16 afrikanische Länder nicht an, weil Neuseeland gegen die Isolierung des Apartheid-Staates Südafrika verstoßen hatte. 1980 in Moskau verzichtete der Westen als Zeichen gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan, 1984 in Los Angeles konterte der Ostblock mit Boykott.

Samaranch formte das IOC zu einer prosperierenden Organisation, die dem kommerziellen Spitzensport ohne Skrupel eine Bühne bot. Geboren 1920 in Barcelona, war er 1955 in den Stadtrat seiner Heimatstadt eingetreten und hatte unter Franco Karriere gemacht bis zum Sportminister. Nach dem Tod des Diktators ging Samaranch 1977 als Botschafter nach Moskau. Seine Funktionärslaufbahn im Sport hatte er im Rollhockey begonnen, von 1966 an hatte er sich im IOC emporgearbeitet, bis er mithilfe des Adidas-Chefs Horst Dassler zum Chef aufstieg.

Anschließend verwandelte er das IOC in ein Netzwerk, in das er auch dubioseste Leute aufnahm, wenn sie Einfluss und Stabilität des Komitees vergrößern helfen konnten. Er schloss Geheimverträge mit Vertrauten und sanierte das IOC, indem er es für Werbung öffnete und das Ideal vom Amateursportler abschaffte. Sein erstes Marketingprogramm erwirtschaftete 95 Millionen Dollar, für die laufende Olympiade bis 2012 hat sich der Erlös verzehnfacht. Ähnlich entwickelten sich die TV-Einnahmen.

Mit dem Ausverkauf der Rechte verantwortete Samaranch den Ausverkauf der Ideale: Korruption im großen Stil hielt Einzug im Spitzensport, Stimmen wurden verramscht, was im Skandal von Salt Lake City öffentlich wurde. Erst Nachfolger Rogge ließ Doping zielstrebiger verfolgen.

Bei der Wahl seines Nachfolgers hat Samaranch den Grundstein für ein fortdauerndes Vermächtnis gelegt: Das IOC nahm 2001 Sohn Juan Antonio jr. auf. Der Spross gilt als möglicher Erbe Rogges.