Es ist eines der spektakulärsten Comebacks der Sportgeschichte. Formel-1-Idol Michael Schumacher steigt wieder in den Ferrari.

Nicht einmal drei Jahre ist es her, da rückte sich Michael Schumacher in Monza ein letztes Mal die Kappe des Siegers zurecht und sagte Sätze in die Mikrofone, die er sich Wochen zuvor sorgsam überlegt hatte: "Ich fühle, der richtige Moment ist jetzt gekommen. Alle Fans und Freude haben das Recht zu erfahren: Zum Ende der Saison höre ich auf."

Bei seinem Abschied vom Rennzirkus der Formel 1 war der erfolgreichste Fahrer der Geschichte "mit sich im Reinen". 34 Monate lang verwies er alle ihm angedichteten Comeback-Gerüchte ins Reich der Fabel. Bis gestern.

Auf seiner Homepage ( www.michael-schumacher.de ) bestätigte der siebenmalige Weltmeister, dass er im Alter von 40 Jahren nun doch rückfällig wird. "Ich habe mich mit Ferrari gemeinsam entschieden, dass ich mich darauf vorbereiten werde, für Felipe Massa einzuspringen. Obwohl das Thema Formel 1 für mich seit Langem und komplett abgeschlossen war, kann ich aus Verbundenheit zum Team diese unglückliche Situation nicht ignorieren. Als Wettkämpfer, der ich nun mal bin, freue ich mich aber auch auf diese Herausforderung."


Was hinter diesen dürren Floskeln steckt, die man von diesem Michael Schumacher nicht anders erwartet hätte, ist eine sportliche Sensation. Vergleichbar vielleicht mit Lance Armstrong, der nach vier Jahren noch einmal Dritter bei der Tour de France wurde. Oder mit Muhammad Ali, der nach einer Zwangspause wegen seiner Wehrdienstverweigerung zurückkam und wieder Box-Champion wurde. Martina Navratilova gewann im Jahr 2003 nach sechs Jahren Pause 46-jährig noch den Wimbledon-Titel im Mixed. Und natürlich gab es Niki Lauda, der 1979 nicht mehr im Kreis herumfahren wollte und 1982 zurückkehrte - damals aber erst 33 Jahre alt war.


Sie alle kamen wieder, weil sie es ohne nicht mehr aushielten oder, wie Lauda, das Geld für eine Fluglinie brauchten.


Schumacher kehrt zurück, weil ihm Ferrari den roten Teppich ausrollte und ihn in einer Notsituation um seine Dienste gebeten hat. Da konnte das Rennfahrerherz nicht anders als Ja sagen.

Die Eckpunkte von Schumachers Formel-1-Karriere


Zu reizvoll mag ihm die Aufgabe erscheinen, sich in einem Rennwagen der jüngsten Generation mit seinen Nachfolgern zu messen - auch unter dem Vergrößerungsglas der Fernsehkameras und der elektronischen Datenaufzeichnung. Schumacher, der bei Ferrari den Status eines Beraters, nicht den eines Testfahrers besitzt, war ja auch nie so ganz fort. Regelmäßig testete er neue Produkte der Rennsportmanufaktur auf der Ferrari-Privatstrecke in Fiorano und gab den Ingenieuren wertvolle Hinweise.


Michael Schumacher hatte der Nation der Autofahrer Anfang der 90er-Jahre einen Superhelden beschert. Plötzlich sprachen die Menschen über Traktionskontrollen und Rillenreifen. Er löste einen Boom aus, der RTL Einschaltquoten von bis zu 15 Millionen Zuschauern bescherte und in Hockenheim und am Nürburgring die Kassen füllte, weil Heerscharen von "Rotkäppchen" die Tribünen bevölkerten.


1994 gewann Schumacher als erster deutscher Rennfahrer die Krone des Motorsports, den Formel-1-Titel. Sieben wurden es insgesamt, zwei mit Benetton, fünf mit Ferrari. Dabei polarisierte er, wollte den Erfolg um jeden Preis. Seine Fouls gegen Damon Hill 1994 und Jacques Villeneuve 1997 sind Legende. Wenn Schumacher im Rückspiegel auftauchte, ging mancher Rivale freiwillig vom Gas. Viele nannten ihn einen Computer, dem Emotionen abgingen und für den nur der Sieg zählte. Diese Kritiker widerlegte er, als er nach einem wichtigen Rennen in Monza Tränen vergoss.


Schumacher ist ein Idol in der Liga von Boris Becker, Franz Beckenbauer, Steffi Graf. Ein Mann ohne Skandale, der mit seiner Frau Corinna und den beiden Kindern ein beinahe langweiliges Leben in seinem Schloss am Genfer See führt. Der Frühpensionär lebt seine Hobbys aus, unterstützt seine Frau beim Pferdesport und hatte Spaß daran, in Motorradrennen weit hinterherzufahren. Aber wenn es darum ging, im Kart oder bei Showveranstaltungen mitzurasen, war Schumacher immer noch ganz vorn dabei.

Mit Geld hat die ganze Sache nichts zu tun. Kein deutscher Sportler hat mehr Euros angehäuft als Michael Schumacher. Unvorstellbare 700 Millionen Euro soll er in seiner 16-jährigen Formel-1-Karriere verdient haben, nicht zuletzt dank des umtriebigen Managers Willi Weber. Noch im Winter hatte Schumacher verkündet, dass er seinen Frieden mit der Formel 1 gemacht habe: "Ich habe alles erreicht, was ich erreichen konnte. Ich fiebere mit, aber es reizt mich nicht mehr." Nun die Kehrtwende. Beim Großen Preis von Europa am 23. August in Valencia wird er für den verunglückten Felipe Massa im Ferrari mit der Nummer 3 sitzen - auch die weiteren sechs Rennen der Saison, die am 1. November in Abu Dhabi endet.


"Schumacher ist Teil der Ferrari-Familie", begründete die "Gazzetta dello Sport", der brave deutsche Teamplayer will nur helfen. Sein Erbe Sebastian Vettel, der nie gegen sein Idol fuhr, war überrascht und sagte nur: "Seine Fans wird es freuen."


Für die Formel 1 hat Schumachers Comeback unschätzbaren Wert. Das Ereignis bremst die düsteren Wolken aus, die nicht erst seit dem angekündigten BMW-Ausstieg über dem Spektakel schweben.


Wegen des Testverbots in der Formel 1 kann Schumacher keine Trainingsrunden mit dem Ferrari drehen. Sein Kampfgewicht, 70 Kilo bei 1,74 Meter Körpergröße, wird der Trainingsbesessene aber bald wieder erreicht haben. "Vom Kopf her und wie ich mich körperlich fühle, könnte man das Gefühl haben, dass ich noch um den Sieg mitfahren könnte", hatte er vor zwei Wochen prophetisch der "Bunten" gesagt. Manager Weber tönte sogar, der Altmeister werde "auf jeden Fall zwei bis drei Zehntel schneller sein als die bisherigen Stammpiloten, wenn nicht sogar eine halbe Sekunde". Ein Luxusproblem für Ferrari.


Das Risiko für ihn selbst ist - abgesehen von verirrten Stahlfedern - gering. Seine sieben Titel kann ihm niemand nehmen. Beweisen muss er auch nichts mehr. Und wenn er doch langsamer ist als Kimi Räikkönen, war es die ungewohnte Technik. Den beiden Testfahrern Marc Gené und Luca Badoer traut bei Ferrari niemand zu, das zu tun, was Schumacher wohl auch mit 40 Jahren noch kann: konkurrenzfähig mitzurasen.


Übrigens: Der große Juan Manuel Fangio wurde mit 46 noch einmal Weltmeister. Vor 52 Jahren.

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