Die SG Flensburg braucht heute ein Wunder, um den HSV auszuschalten und die Saison sportlich zu retten. Bilder vom Hinspiel

Hamburg. Das Lächeln geht einem Handballprofi nicht leicht von den Lippen in diesen Tagen. Lars Christiansen ist mit Leib und Seele Handballer, aber er ist eben auch dies: ein Profi. Also machte der dänische Star-Linksaußen für die Fanfotos gute Miene zum schlechten Spiel, das seine SG Flensburg-Handewitt gerade im Champions-League-Viertelfinale gegen den HSV Hamburg abgeliefert hatte. Mit 25:28 war es verloren gegangen, noch dazu in eigener Halle. Wenn im Rückspiel heute in der Color-Line-Arena (19 Uhr/Eurosport live) nicht das "kleine Handballwunder" eintritt, das Geschäftsführer Fynn Holpert heraufbeschwört, dann haben die Flensburger auch die letzte Titelchance verspielt.

"Es ist frustrierend, aber wir sind derzeit eben nicht besser", sagt Christiansen ernüchtert. An das Gefühl der Ohnmacht muss man sich im hohen Norden erst einmal gewöhnen. 14 Jahre lang lief die SG in der Bundesliga nie unter Platz vier ein. "Das hat selbst der THW Kiel nicht geschafft", merkt Holpert stolz an. Überhaupt, der THW! Stets war der große Nordrivale der Angelpunkt, an dem man in Flensburg die eigenen Ansprüche aufgehängt hat. Meist hat es dann doch nicht ganz gereicht, und der SG blieb nur der Spott für den ewigen Zweiten. Bis sie dann dreimal hintereinander den DHB-Pokal gewann und 2004 noch dazu die ersehnte Meisterschaft.

Jetzt wären sie schon froh, einmal wieder Zweiter zu sein hinter dem weit enteilten THW. In der Meisterschaft ist man Siebter, im Pokal draußen. Das Saisonziel hat Holpert schon auf einen Startplatz im EHF-Cup heruntergeschraubt.

Die Krise an der Förde hat viele Gesichter. Die sechs verletzten Leistungsträger wären da zu nennen, die ersetzt werden müssen, aber nicht zu ersetzen sind. Da sind die Rückraumstars Marcin Lijewski und Blazenko Lackovic, die man vor der Saison nach Hamburg ziehen lassen musste. Und dann kam mit Per Carlen noch ein neuer Trainer, der sein Amt erst im Dezember von seinem schwedischen Landsmann Kent-Harry Andersson übernahm.

Der Wechsel sei unumgänglich gewesen, sagt Holpert. Man habe "eine andere Mentalität in die Mannschaft reinbringen" wollen. Andersson habe auf acht, neun Spieler seines Vertrauens gesetzt, Carlen setze auf die Mannschaft als Einheit. Tatsächlich sei die Atmosphäre im Team nie besser gewesen, wie Christiansen bestätigt. Was etwas heißen will: Der 36-Jährige spielt seit 1996 für die SG. Er sagt: "Jeder kämpft für den anderen. So einen Zusammenhalt habe ich hier noch nie erlebt." Dieser Zusammenhalt blitzte auch im Hinspiel auf, als sich die Flensburger trotz gefühlter Unterlegenheit Mitte der zweiten Halbzeit kurzzeitig in Führung kämpften. Am Ende aber machte die individuelle Klasse des HSV den Unterschied. "Mit der können wir uns im Moment gar nicht vergleichen", gesteht Holpert ein.

Nein, träumen wollen sie nicht in Flensburg. Es müsste, sagt der SG-Manager, schon einiges zusammenkommen, wenn es im Rückspiel heute plötzlich andersherum laufen sollte. Im nächsten Jahr will man dann wieder oben mitspielen, auch wenn beim Etat (5,2 Millionen Euro) keine großen Sprünge mehr drin sind. Die Wirtschaftsflaute in Dänemark trifft die Grenzregion hart, die Arbeitslosigkeit ist in Flensburg mit über 13 Prozent die höchste im Bundesland. Bei der Suche nach Sponsoren hat der Klub seine Netze deshalb bis in die Arabischen Emirate und in den Commonwealth ausgeworfen. "Wir versuchen eben aus der Not eine Tugend zu machen", sagt Holpert. Es könnte das Motto für den heutigen Abend sein.