Auch Bundestrainer Joachim Löw wünscht dem Stürmer am Sonnabend (20 Uhr/ZDF live) ein Erfolgserlebnis.

Leipzig. Es sind exakt 553 Minuten. 553 Minuten ohne jenen Moment, für den ein Stürmer ja eigentlich brennt. Für ein Tor.

So lange ist Mario Gomez (23) nun schon im Nationalteam ohne Treffer. Eine Ewigkeit für einen Torjäger. Am heutigen Sonnabend soll die schwarze Serie endlich reißen. Der Gegner ist dafür eigentlich wie gemacht: Liechtenstein, ein Zwerg auf der Weltkarte des Fußballs.

Der Fluch begann wohl am 8. Juni 2008 in Klagenfurt, beim ersten deutschen EM-Spiel gegen Polen. Da servierte Miroslav Klose maßgenau quer durch den Fünfmeterraum zu Mario Gomez - doch der traf das leere Tor nicht. Dann die Szene im EM-Spiel am 16. Juni in Wien gegen Österreich. Der Ball wird dem Stuttgarter zwei Meter vor der Torlinie vorgelegt, die Kugel prallt Gomez ans Schienbein, springt hoch, ein Österreicher köpft sie von der Linie. Gomez versagt erneut - und hat seither nicht mehr für Deutschland getroffen.

Dabei hat er das Toreschießen ja eigentlich nicht verlernt. Im Stuttgarter Trikot mit dem VfB-Emblem trifft er beinahe nach Belieben. DFB-Direktor Harald Stenger hat es genau ausgerechnet: "Mario hat in 34 Pflichtspielen dieser Saison 23 Tore erzielt, 14 in der Bundesliga, drei im DFB-Pokal und sechs im Uefa-Cup. Dazu hat er sieben Torvorlagen in seinem Klub gegeben. Für einen Torjäger absolut eine zufriedenstellende Quote."

Die Statistik in der Nationalmannschaft sieht indes anders aus. Dabei hatte Gomez einen Blitzstart hingelegt: Neun Spiele, sechs Treffer. Heute sieht die Bilanz nicht mehr ganz so gut aus: 21 Einsätze, sechs Tore. Gomez tritt auf der Stelle. Die Null steht bei Gomez seit nunmehr zwölf Einsätzen. Über ein eigenes Tor jubeln durfte er zuletzt vor zwölf Monaten beim 4:0 gegen die Schweiz.

Äußerlich bleibt Mario Gomez dennoch ganz ruhig. Gelassen kommentiert er seine Negativ-Serie: "Es liegt nun an mir, dass ich wieder für Deutschland treffe, ich bin in guter Form, ich will gegen Liechtenstein keine speziellen Dinge probieren, sondern so spielen wie für den VfB. Und dann muss der Knoten auch wieder platzen." Innerlich aber, das berichten Vertraute aus Schwaben, nagt es dennoch an ihm. Er grübelt, er zweifelt, er verzweifelt gelegentlich sogar. Warum? Die zwei Szenen der EM, er wird sie nicht los. Und wenn ein Torjäger vor dem Tor nicht instinktiv handelt, wenn er stattdessen grübelt und nachdenkt, dann verkrampft er - und trifft nicht mehr.

Der 23-jährige gibt zu: "Das ist nicht leicht, so etwas zu verkraften, für niemandem, auch für mich nicht. Das war für mich ein Erlebnis, das ich bis dahin noch nicht gekannt habe. Man macht sich viele Gedanken, aber die vergebenen Chancen sind einfach im Kopf drin, und man wird damit immer dann konfrontiert, wenn man bei der Nationalmannschaft ist."

Auch der Bundestrainer leidet mit dem Angreifer: "Es tut einem als Trainer weh, wenn ein Stürmer so viele Chancen hat und sich bemüht", sagt Joachim Löw. "Man wünscht ihm Tore. Vor der EM war er richtig gut bei uns. Er ist ein klasse Spieler, der auch auf internationalem Niveau schon gezeigt hat, dass er richtig gut ist." Vielleicht würde ihm ein Psychologe helfen? Gomez aber will seine Aussetzer abhaken, spricht in der Vergangenheit: "Das war für mich eine schwierige Phase, die aber ist lange, lange her, ich will mir darüber auch nicht mehr so viele Gedanken machen." Dann wird er, so wie es die Fans von ihm erwarten, offensiv: "Das Gute an meiner derzeitigen Situation ist ja, dass ich alle drei Tage die Chance habe, Tore zu schießen. Und mit dem VfB klappt das ja auch in dieser Saison ganz vorzüglich. . ."

Und in der Nationalmannschaft klammert er sich auch an einen anderen Strohhalm. Er hat sich immer seine Tormöglichkeiten herausgearbeitet. Auch am 11. Februar, als Deutschland mit 0:1 gegen Norwegen verlor. Beim Stande von 0:0 hatte Gomez die Chance, den Ball aus drei Metern Entfernung ins norwegische Tor zu bugsieren, aber er schoss das Kunstleder weit über das Gehäuse. Aber daran ist erkennbar: Es hapert nur am Abschluss - nur. Deshalb sagt Gomez auch voller Überzeugung: "Ich weiß, was ich kann, so viel Selbstvertrauen habe ich schon. Irgendwann werde ich treffen, da bin ich mir absolut sicher." Und er setzt auch auf seine arrivierten Kollegen: "Ich bin kein Stürmer, der sich den Ball an der Mittellinie holt, zehn Mann aussteigen lässt und dann auf das Tor schießt. Ich bin schon angewiesen auf die Vorlagen meiner Mitspieler, und darauf hoffe ich." Auch im Hinblick auf das Spiel gegen Liechtenstein an diesem Sonnabend (20 Uhr/ZDF live).