Der Torwart fordert in der “heißen Phase“ geistige Stabilität - wer die nicht hat, soll gehen.

Abendblatt:

Herr Rost, vor dem Spiel bei Galatasaray am Donnerstag jagt ein neuer Verletzter den nächsten beim HSV. Ist das der hohe Preis für die Überbeschäftigung in drei Wettbewerben?

Frank Rost:

Das kann die Vielzahl der Spiele sein - das muss es aber nicht.



Abendblatt:

Wie stehts um Sie?

Rost:

Bei mir ist alles klar.



Abendblatt:

Weil Sie als Torwart nicht die körperlichen Strapazen eines Feldspielers haben?

Rost:

Nein, nicht nur. Als Torwart hast du sicherlich eine massivere geistige Anspannung, da du dir Fehler nicht ohne Folgen erlauben kannst. Trotzdem gerätst du als Torwart in gefährliche Rettungsaktionen, wo Gegner in dich reingrätschen und das Verletzungspotenzial groß ist. Zudem kann auch das 600-malige Schmeißen im Training irgendwann körperliche Reaktionen hervorrufen. Trotzdem haben die Feldspieler sicherlich mehr Aktionen und somit andere Risikofaktoren.



Abendblatt:

Sind die Englischen Wochen verantwortlich für die letzte Schwächephase?

Rost:

Nein.



Abendblatt:

Wie steht es um die geistige Frische?

Rost:

Es ist sicherlich einfacher, seine Grundspannung von Sonnabend zu Sonnabend aufzubauen. Andererseits stehen wir so immer schnell im Fokus, können Negativerlebnisse vergessen machen.



Abendblatt:

Trotzdem haben die Fans gegen Cottbus beim 2:0 gepfiffen.

Rost:

Ja, weil sie zurecht einen höheren Anspruch an uns haben. Ich finde, beim HSV ist das alles noch sehr moderat. Damit müssen wir umgehen - damit können wir umgehen.



Abendblatt:

Weil Sie noch immer Titelchancen haben...

Rost:

Klar. Das Optimale wäre ein Titel dieses Jahr. Aber wir müssen gerade jetzt aufpassen, zum Ende der Saison werden die Spiele immer entscheidender, da passieren auch solche Fehler wie bei der 1:4-Niederlage in Mönchengladbach.



Abendblatt:

Weil der Druck zu groß wird. Allerdings haben Sie diesen Druck dreifach, andere Bundesligateams nicht.

Rost:

Ja, und das ist auch super. Punkt. Wenn ich mir überlege, dass es hier vor zwei Jahren noch um den Klassenerhalt ging und jetzt Leute schon unzufrieden sind, wenn wir aus den ersten drei der Bundesliga-Tabelle rausfallen, dann sind wir auf dem richtigen Weg, dann ist das gut.



Abendblatt:

Perspektivisch betrachtet, wohin kann dieser Weg den HSV noch führen?

Rost:

Sehr weit. Die Spieler kommen wieder gern zum HSV, und irgendwann ist es für alle eine Verpflichtung, hier spielen zu dürfen. Entscheidend wird der Charakter.



Abendblatt:

Wie bei Ivica Olic, der den HSV verlassen wird?

Rost:

Ja, Ivi trägt durch seine Einsatzbereitschaft und seine reine Präsenz unglaublich viel Positives bei. Die Hauptaufgabe von uns muss doch sein, so eine Mentalität über Jahre hinweg hier weiterzugeben, solche Leute adäquat zu ersetzen. Nehmen wir mal das Beispiel Manchester United, für mich das Aushängeschild im europäischen Fußball: Da wechselt ein Dimitar Berbatov hin, der, vorsichtig formuliert, nicht unbedingt bekannt dafür war, viel und gern zu laufen. Und plötzlich - nur weil es ManU ist - arbeitet der Stürmer wie selbstverständlich sogar mit nach hinten. Da hinzukommen ist ebenso schwer wie erstrebenswert für den HSV. Mehr als das Normale einfordern zu können ist das höchste Ziel für den HSV.



Abendblatt:

Klingt schon sehr nach Management, Herr Rost...

Rost:

Mag sein. Aber ich bin Spieler. Diese Saison und nächste ganz sicher auch.



Abendblatt:

Und jetzt kommt mit Istanbul wieder ein Spiel, wo der HSV unter Druck steht...

Rost:

So brutal das klingt, aber: Wer diesen Druck nicht aushält, muss in der Zweiten Liga spielen. Man kommt ja auch nicht zum HSV, um gegen den Abstieg zu spielen, sondern um oben dabei zu sein. Dafür musst du als Spieler auch was abkönnen. Ich sehe das Spiel in Istanbul eher als Bonbon.



Abendblatt:

Wegen der frenetischen Stimmung?

Rost:

Auch. Das wird eine Atmosphäre, die jeder sein Leben lang im Gedächtnis bewahrt. Da wird das Adrenalin in einem kochen, ganz klar. Aber auch, weil es um viel geht.