Experten sind besorgt um den Ruf von „König Fußball“: Der Gang von Hertha BSC Berlin vor das DFB-Bundesgericht könnte für Chaos sorgen.

Frankfurt. Ein riesiger Imageschaden, Angst vor einem Prozess-Marathon und ein drohendes Terminchaos: Die Hängepartie um das Skandalspiel von Düsseldorf hält den deutschen Fußball in Atem. Knapp drei Wochen nach Abschluss der Punktspielsaison ist ein Ende des Schwebezustands längst nicht in Sicht. „Wenn eine der beiden Mannschaften weitermacht und vor das Schiedsgericht zieht, ist es fraglich, die Sache bis zum Saisonbeginn (24. August, d. Red.) über die Bühne zu bringen. Dann drohen chaotische Zustände“, sagte der renommierte Sportrechts-Experte Michael Lehner.

Lehner hält eine lange Nachspielzeit für denkbar. „Die Chancen der Berliner steigen sicherlich, wenn sie auch die nächste Instanz, das Schiedsgericht, anrufen. Das ist personell deutlich breiter besetzt“, erklärte Lehner. Die Abweisung des Berliner Einspruchs gegen die Wertung des Relegationsrückspiels bei Fortuna Düsseldorf (2:2) durch das DFB-Sportgericht hält er für „wenig stichhaltig“: „Es scheint, dass das Gericht mit Macht die Tatsachen-Entscheidung des Schiedsrichters schützen wollte.“

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Fortunas Finanzvorstand Paul Jäger sieht den Ruf von „König Fußball“ schon stark in Mitleidenschaft gezogen. „Für den deutschen Fußball ist das keine gute Situation. Beide Mannschaften müssen diese Woche weiter unter Strom trainieren“, sagte Jäger und stichelte gegen den Hauptstadtklub: „Ich hätte mir gewünscht, dass Hertha die überzeugende Begründung des Gerichts einsieht.“

Einen Tag nach der Urteilsverkündung trainierten die Teams - die Hertha sogar geheim - und befinden sich weiter im Stand-by-Modus. Die Ungewissheit hat zur Folge, dass es keine Planungssicherheit gibt. Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen liegen auf Eis, für die Präsentation des künftigen Hertha-Coaches Jos Luhukay gibt es noch nicht einmal einen offiziellen Termin. Außerdem ist die hochkomplexe Erstellung des Spielplans, für den die Deutsche Fußball Liga (DFL) zuständig ist, gestört.

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Im Falle eines Wiederholungsspiels müssten vor allem die Berliner einige logistische und personelle Hürden meistern. Da der Kontrollausschuss aufgrund der Attacken gegen Schiedsrichter Wolfgang Stark nach dem Schlusspfiff gegen die vier Hertha-Profis Lewan Kobiaschwili, Thomas Kraft, Christian Lell und Andre Mijatovic ermittelt, sind Sperren zu erwarten. Derzeit ist noch offen, wann diese Fälle - auch gegen Fortuna-Kapitän Andreas Lambertz wird ermittelt - verhandelt werden.

Zudem ist Berlins Abwehrchef Roman Hubnik mit der tschechischen Nationalmannschaft bereits im Trainingslager und wird ab 8. Juni an der EM in Polen und der Ukraine teilnehmen. Ein Abstellungsstreit könnte drohen. Stürmer Adrian Ramos will Ende des Monats ins Flugzeug steigen, um ab dem 3. Juni für Kolumbien in der WM-Qualifikation zu spielen. Änis Ben-Hatira wäre nach seiner Gelb-Roten Karte im Skandalspiel ohnehin gesperrt.

Herthas Anwalt Christoph Schickhardt setzt in zweiter Instanz große Hoffnungen in den Videobeweis, den das Sportgericht ohne nähere Angabe von Gründen nicht zugelassen hatte. „Die Bilder werden zeigen, dass die Umstände ganz klar zu einer Schwächung unserer Mannschaft geführt haben“, sagte Schickhardt. Die Sequenzen sollen belegen, dass es sich beim Platzsturm der Fortuna-Fans, den der Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz als „positiv besetzt“ bezeichnet hatte, nicht um ein Missverständnis gehandelt hat.

Die ersten Anhänger sollen bereits auf das Feld gestürmt sein, als der Ball noch im Spiel war. „Wir haben Anspruch auf ein reguläres Spiel. Aber wenn der Elfmeterpunkt fehlt, Hunde ohne Maulkorb auf den Platz laufen, kann davon keine Rede sein“, erklärte Schickhardt. Vielleicht ein Vorteil: Der Bundesgerichts-Vorsitzende und frühere DFB-Justiziar Goetz Eilers gilt als detailversessen.

Derweil lehnte Reinhard Rauball eine Änderung des Spielmodus' als Reaktion auf die Vorkommnisse in Düsseldorf ab. „Wir werden die Relegationsspiele nicht entfallen lassen“, sagte der Präsident des Ligaverbandes in der ARD-Sendung „hart aber fair“. Den Fans versprach er: „Wir werden weiterhin für den Erhalt der Stehplätze kämpfen. Das ist für uns nicht verhandelbar.“