Alle Augen richten sich am Sonnabend um 20.45 Uhr (im Liveticker auf abendblatt.de) nach Madrid, wo die Bayern das Triple perfekt machen können.

Madrid. Der historische Tag ist da, nur ein Spiel um "Gladiolen oder Tod" steht noch zwischen dem FC Bayern München und seiner Rückkehr auf den Gipfel des europäischen Fußballs. Dabei hat der nationale Rekord-Titelträger nach dem Gewinn der Meisterschaft und des DFB-Pokals einen Eintrag in die Geschichtsbücher vor Augen: Mit einem Sieg im Finale der Champions League gegen Inter Mailand am Sonnabend im Estadio Santiago Bernabeu von Madrid (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) würde sich für den FC Bayern auch der Traum vom Triple verwirklichen - ein Novum für eine deutsche Mannschaft.

Selbst der allwissende Münchner Trainer Louis van Gaal ist überrascht von der historischen Dimension. "Ich habe das Erreichen des Endspiels für einen utopischen Traum gehalten", gestand er vor dem Finale, das in 220 Länder und Territorien übertragen und dabei von rund 300 Millionen Menschen verfolgt werden wird. Van Gaal war mit seiner Skepsis nicht allein, nun aber behauptet sogar "Kaiser"Franz Beckenbauer geradezu euphorisch: "Das Triple ist möglich. Die Bayern sind sagenhaft gut drauf." Die Landesmeister-Trophäe würde zum fünften Mal nach München gehen.

Während bei Inter Mailand der angebliche Wechsel von Trainer Jose Mourinho zu Real Madrid für Unruhe sorgt, scheinen die Bayern in den Tagen und Stunden vor dem Spiel in sich zu ruhen - doch die äußere Gelassenheit gibt nicht ihre Gefühle wieder. "Uns ist klar, dass wir etwas Historisches leisten können, jeder bei uns ist heiß, jeder ist gierig, das Spiel zu spielen und auch zu gewinnen", sagte stellvertretend Bastian Schweinsteiger am Tag vor dem Endspiel vor der versammelten Weltpressse. Noch einmal betonte er die Qualitäten des FC Bayern: "Uns zeichnet die Charakterstärke, Mentalität und Perfektion aus."

Immer wieder haben die Münchner auch vor dem Endspiel ihren Mannschaftsgeist beschworen - wie etwa Mark van Bommel. "Wir haben vielleicht nicht die besten Einzelspieler, aber wir haben bestimmt die beste Mannschaft. Jeder bei uns weiß, was er tun muss - auf und neben dem Platz", sagte der Kapitän, der das Endspiel 2006 mit dem FC Barcelona gegen den FC Arsenal gewann (2:1). Jörg Butt ist der zweite Münchner mit Endspiel-Erfahrung: 2002 unterlag der Torwart mit Bayer Leverkusen gegen Real Madrid (1:2). Vor acht Jahren war Butt dreimal Zweiter mit "Vizekusen".

Der Triumph im geschichtsträchtigen Bernabeu wäre der erste nach jenem 5:4-Sieg im Elfmeter-Krimi 2001, als nach dem 1:1 nach 120 Minuten Torhüter Oliver Kahn zum "Titan" gegen den FC Valencia wuchs. Davor hatte der FC Bayern 1974, 1975 und 1976 den damaligen Europapokal der Landesmeister gewonnen. Das Triple gelang freilich auch der ruhmreichen Mannschaft um Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier nie. "Man kann die beiden Mannschaften auch nicht miteinander vergleichen", betont Beckenbauer, was nichts daran ändert, dass er an den fünften Münchner Triumph glaubt: "Die können das auch schaffen."

Beim vierten Erfolg vor neun Jahren hängten die Anhänger des FC Bayern in Mailand ein riesiges Transparent über die Balustrade: "Heute ist ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben", stand darauf zu lesen. Damals, am 23. Mai 2001, war Kahn der Held, Arjen Robben oder Ivica Olic könnten es diesmal sein. Mit gemeinsam 11 Treffern haben der Niederländer (4) und der Kroate (7) die Münchner fast im Alleingang ins Endspiel geschossen, nach dem entscheidenden 2:3 von Robben im Achtelfinal-Rückspiel beim AC Florenz erzielte ansonsten ab dem Viertelfinale nur noch Franck Ribery einen Treffer.

Ribery wird dem FC Bayern in Madrid fehlen - zumindest auf dem Platz. Der Franzose, der angeblich vor einer Verlängerung seines Vertrages bis 2015 steht, muss wegen seiner Roten Karte aus dem Halbfinal-Hinspiel gegen Olympique Lyon noch zwei weitere Spiele auf europäischer Ebene zusehen, eine Strafe, die am Montag auch der Internationale Sportgerichtshof CAS nicht aufheben wollte. Zusehen wird Ribery im Estadio Bernabeu allerdings in der Tat: Frankreichs Nationaltrainer Raymond Domenech gestattete ihm, aus dem Quartier der Nationalmannschaft nach Madrid zu reisen. Riberys Position auf dem Rasen wird Hamit Altintop einnehmen.

Ein Sieg hätte auch Auswirkungen auf den deutschen Fußball. Schon bei Erreichen des Elfmeterschießens hätte der FC Bayern für die Bundesliga ab der Saison 2011/12 einen dritten sicheren Platz in der Champions League erspielt, ein vierter Klub könnte über die Qualifikation nachrücken. Wohl nicht zuletzt deshalb behauptet der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: "Ich glaube, dass uns die ganze Republik die Daumen drückt." Die Spieler hatten in einem offenen Brief erklärt: "Wir wissen und fühlen, dass uns Millionen von Fußballfans zuhause in Deutschland gedanklich begleiten."

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

München : Butt - Lahm, van Buyten, Demichelis, Badstuber - van Bommel, Schweinsteiger - Robben, Müller, Altintop - Olic. - Trainer: van Gaal

Mailand: Julio Cesar - Maicon, Lucio, Samuel, Zanetti - Stankovic, Cambiasso - Pandev, Sneijder, Eto'o - Milito. - Trainer: Mourinho

Schiedsrichter : Howard Webb (England)