Arrecife. Vor 50 Jahren beschloss der Maler César Manrique, die Eigenheiten seiner Heimatinsel besonders hervorzuheben. Ein begehbares Kunstwerk

Es gibt Maler, deren Schaffensdrang so groß ist, dass sie sich nicht mit einer Leinwand begnügen. Der Spanier César Manrique (1919–1992) kehrte vor 50 Jahren endgültig auf seine Heimatinsel Lanzarote zurück und beschloss, diese in ein Gesamtkunstwerk zu verwandeln. Eine Herausforderung – ist das Kanaren- ­Eiland doch nicht viel mehr als eine von Vulkanen übersäte Wüste, auf dem die Farben Ocker, Dunkelgrau und ein stumpfes Oliv dominieren.

Doch durch Manriques Handschrift hat sich die Insel zum Tourismusziel von eigenwilliger Schönheit entwickelt. Der aufwendig konzipierte und üppig mit Kakteen bepflanzte Jardín de Cactus, ­fantasievoll gestaltete Lava-Höhlen, ein spektakulärer Aussichtspunkt und nicht zuletzt seine über die Insel verstreuten Skulpturen bilden fröhliche Akzente in der schroffen Landschaft.

Wegen der ganzjährig milden Temperaturen ist die nordöstlichste Kanareninsel bei Erholungssuchenden beliebt – Tauchen, Golf, Wandern, alles ist hier möglich. Auch ­Familien fühlen sich wohl – und eben Kulturtouristen.

Manrique nahm auch Einfluss auf die Bebauung Lanzarotes

Die rund 140.000 Einwohner Lanzarotes (845 Quadratkilometer groß) verehren Manrique noch heute, ein Vierteljahr­hundert nach seinem Tod, fast wie einen Inselheiligen. Immer wieder fällt sein Name – egal, ob man mit dem Hotelmanager, der Reiseführerin, dem Taxifahrer oder einem Winzer spricht. Das begann schon im Flugzeug.

Die erste Lobes­hymne kam von der Sitznachbarin, die seit 50 Jahren auf Lanzarote Urlaub macht. „Sie müssen den Mirador besuchen, es ist mein absoluter Lieblingsplatz“, sagt sie eindringlich. Tatsächlich ist der Ort von besonderer Magie.

Keine Bettenburgen, kein Massentourismus

Bereits beim Anflug auf die Hauptstadt Arrecife fällt auf, dass nur ein ein­ziges Hochhaus in die Höhe ragt. Bettenburgen wie auf den Nachbarinseln Teneriffa oder Gran Canaria gibt es auf Lanzarote nicht – auch das ist ein Verdienst Manriques.

Der Bau des Arrecife Gran Hotels in den 1960er-Jahren hatte ihn so alarmiert, dass er sich bei Inselpräsident Pepin Ramírez und den Einwohnern dafür einsetzte, in Zukunft kein Haus höher als eine Palme zu bauen. Und es gibt bis heute kein zweites Hochhaus auf der Insel.

Das Hinterland ist frei von touristischen Rummelplätzen

Der Badestrand Playas de Papagayo im Naturpark Monumento Natural de los Ajaches.
Der Badestrand Playas de Papagayo im Naturpark Monumento Natural de los Ajaches. © imago/blickwinkel | McPHOTO/M. Weber

So überzeugend wirkte der Künstler auf die Inselregierung ein, dass diese auch alle Werbeplakate von den Straßen der Insel entfernte und 1968 ein Verbot von Reklameanhäufungen aussprach. Zudem wurden mit der Costa Teguise, Puerto del Carmen und Playa Blanca nur drei Zentren für Touristen ausgewiesen. Das Hinterland ist bis heute frei von Großhotels und touristischen Rummelplätzen – abgesehen von Naturschauplätzen wie dem Timanfaya-Nationalpark oder der Lagune El Golfo und Manriques Attraktionen, wo schon mal Gedränge herrscht.

Unermüdlich war der Künstler auf „seiner“ Insel unterwegs – bis er 1992 im Alter von 72 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. In seinem ehemaligen Wohnhaus ist heute die von ihm und Freunden gegründete Stiftung Fundación C. M. untergebracht. Die ausgebauten Lava­blasen gleichen einer Zauberwelt: Weiß gekalkte Treppen und Säulen leuchten vor dem Blauschwarz der Felswände, im Innenhof mit türkisfarbenem Pool wachsen viele Pflanzen.

Die Eigenheiten der Orte fördern

Ganz ähnlich präsentiert sich die Touristenattraktion Jameos del Agua. In der durch Man­rique erschlossenen Lavahöhle finden sich in einem See Albinokrebse, die sonst nur in der Tiefsee leben, ein Konzertsaal mit 600 Plätzen, ein fantasievoll gestaltetes Restaurant und ein Garten mit Schwimmbassin. „Ich glaube, die Eigenheiten jedes Ortes auf dem Planeten müssen unbedingt gefördert werden“, sagte Manrique einmal. Er hatte die Lavahöhle bei der Erkundung als Müllhalde vorgefunden.

Den Aussichtspunkt Mirador del Rio schuf Manrique dort, wo – 475 Meter über dem Meeresspiegel – Ende des 19. Jahrhunderts, im Spanisch-Amerikanischen Krieg, Geschützbatterien installiert waren. Zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung Mitte der 1970er-Jahre galt der Mirador als eines der bedeutendsten modernen Bauwerke der Welt.

Keine rechten Winkel nirgendwo

Auf rechte Winkel wurde in den Räumen, die in typischem Manrique-Stil in die Felsen integriert sind, verzichtet. Panoramascheiben und zwei Aussichtsplattformen geben den Blick frei über die Meerenge und den Chinijo-Archipel.

Einen ebenfalls spektakulären Ausblick ermöglichte Manrique Besuchern des Timanfaya-Nationalparks. Hier schufen Vulkanausbrüche vor Jahrmillionen eine Farben- und Formenvielfalt, die an sich schon einem Kunstwerk gleichkommt.

Im Restaurant El Diablo wird mit Hitze des Vulkans gegrillt

Am höchsten Punkt erbaute der Künstler das Restaurant El Diablo. Gegrillt wird mit der verbliebenen Hitze des Vulkans – und draußen vor den Panoramafenstern stecken Park-Ranger Reisig­bündel in Erdlöcher, die von der Glut­hitze entzündet werden.

„Ein Schaffen mit absoluter Freiheit, ohne Ängste, tröstet die Seele und ebnet der Lebensfreude den Weg“: An diesem Ort in den „Feuerbergen“ passt der Ausspruch Manriques besonders gut.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Ryanair direkt von Berlin nach Lanzarote.

Unterkunft Caserio de Mozaga, DZ ab 70 Euro, www.caseriodemozaga. es; Iberostar Lanzarote Park, DZ ab 130 Euro, www.iberostar.com

Auskunft im Internet auf www.turismolanzarote.com/de/

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Iberostar.)