Playa Blanca. Vor Lanzarote zieht Europas erstes Unterwassermuseum die Touristen in die Tiefe. Die Figuren sind Ebenbilder der Inselbewohner.
Männer mit offenem Hemd, Frauen mit einem Buch in der Hand: Sie stehen da und sehen den Betrachter an. Sie bewegen sich nicht, starren nur vor sich hin. Sie können nicht anders. Man hat sie versenkt auf den Meeresboden. Schwärme von silbrig schimmernden Fischen umschwirren ihre Körper aus Beton. Jason deCaires Taylor hat sie erschaffen – für das erste Unterwassermuseum Europas, dessen neuer Abschnitt Anfang Januar eröffnen wird.
Die Figuren sind Ebenbilder der Inselbewohner. Stundenlang standen sie dem britischen Künstler Modell. In seinem Atelier in Yaiza hoch über den Klippen erschuf er von ihnen Modelle, die mit einem speziellen, pH-neutralen Beton ausgegossen wurden. Nun bevölkern sie – geschützt vor der Meeresströmung und fernab der Schutzgebiete – bei der Playa Las Coloradas im Südwesten Lanzarotes den Meeresboden in zwölf bis 15 Meter Tiefe.
300 Exponate sind geplant
Tauchschulen bieten bereits seit März 2016 gegen Gebühr Ausflüge an. Zunächst waren nur wenige Figuren zu bestaunen, die Anzahl wuchs stetig, ebenso wie die Wasserpflanzen auf dem Beton. Das Museum soll auf 300 Exponate anwachsen. „Beton habe ich für meine Figuren gewählt, weil es ein beständiges Material und umweltneutral ist“, sagt deCaires Taylor, der mit seinen Unterwasser-Installationen zum Beispiel vor der Küste Cancúns oder Grenadas berühmt geworden ist. Er schafft damit lebendige Beziehungen zwischen Mensch und Meer.
Nach und nach wird sich die Natur seine Kunststücke einverleiben, Korallen werden aus ihnen herauswachsen. „Wir haben die Oberflächen der Skulpturen rau gemacht“, sagt Taylor. „So werden sie zum perfekten Trägermaterial für die Meeresflora und -fauna. Sobald wir sie ins Wasser lassen, arbeitet das Meer dann weiter mit ihnen.“
Kunst oder Kommerz konnte man dort schon immer schwer trennen
Jetzt schon kommen Besucher aus aller Welt, um sich das spektakuläre „Museo Atlántico“ rund 140 Kilometer westlich der Küste Marokkos anzuschauen. Tauchgänge führen sie in die Tiefe, direkt zu der Stelle, an der das Wasser besonders klar ist und die neuen Meeresbewohner aus Beton gut sichtbar sind. Schon beim Schnorcheln auf der Wasseroberfläche sind sie erkennbar. Für alle, die sich nicht ins Wasser trauen, gibt es Glasbodenboote, mit denen sich das Unterwasserspektakel auch trockenen Fußes gut beobachten lässt.
Nun soll das Meeresmuseum auch mehr Tauch-Touristen nach Lanzarote locken. Auf der Insel hofft man, dass die Anzahl von 100.000 Besuchern, die zuletzt jährlich zum Tauchen kamen, sich auf 750.000 erhöht. Dafür stellte die Regierung dem Kunstprojekt vor der Inselküste stolze 700.000 Euro bereit.
Mit Poesie gegen Massentourismus
Kunst oder Kommerz? Das konnte man auf Lanzarote immer schon schwer voneinander trennen. Mit César Manrique gebar die Insel Anfang des 20. Jahrhunderts aber einen Künstler, der beides im guten Sinne zu vereinbaren wusste. Wie kein anderer war er dafür verantwortlich, dass sein Heimat-Eiland nicht den Weg des Massentourismus ging – wie andere Regionen und Inseln Spaniens.
Zusammen mit seinem Jugendfreund und damaligen Inselpräsidenten Pepín Ramírez bewirkte Manrique 1968, dass auf Lanzarote nur eine traditionelle Bauweise zugelassen wurde: Häuser mit mehr als zwei Stockwerken waren nicht erlaubt. Sogar das Aufstellen von Werbeschildern war verboten. Dem Tourismus setzte der international renommierte Visionär poetische Kunstinstallationen entgegen und hinterließ der Insel spektakuläre Kulturstätten. Wie bei Jameos del Agua arbeitete Manrique dabei mit der Natur.
Beeindruckende Skulpturen der Welt
Wo andere nur öde Lavafelder und karge Höhlen sahen, entdeckte er glitzernde Schätze: In einer teilweise eingestürzten Lavaröhre mit Grotte ließ er Pool, Konzertsaal und ein Restaurant entstehen. Von zwei Seiten zugänglich, breitet sich in dem 100 Meter langen Höhlenabschnitt ein kleiner See aus, in dem sich weiße Minikrebse tummeln. Im dunklen Wasser meint man, funkelnde Sterne zu erkennen. Obwohl schon 1966 eröffnet, zählt die faszinierende Anlage noch heute zu den Top-Attraktionen der Insel.
Das größte Weinbaugebiet der Kanaren liegt auf Lanzarote
Dass César Manrique in seiner Heimat eine ideale „Spielwiese“ für seine Kunst vorfand, hatte er der Kargheit der Natur zu verdanken. Die lieferte ihm nämlich ein einzigartiges Terrain: ein dichtes Netz von unterirdischen Tunnel- und Seensystemen, eine Vulkanlandschaft, die Lanzarote zu einem natürlichen Kunstwerk machte und die Unesco dazu bewog, die gesamte Insel zu einem Biosphärenreservat zu erklären.
Zu drei Vierteln ist Lanzarote mit Lava bedeckt, mindestens 300 Krater von etwa 100 Vulkanen entstanden bei den Ausbrüchen, die das Eiland immer wieder erschütterten. Viele Touristen finden genau das anziehend. Die östlichste der sieben Kanareninseln galt lange als die unattraktivste. Weiße Sandstrände wie auf Fuerteventura oder Gran Canaria gibt es nicht. Und auch üppiges Grün wie auf La Palma sucht man vergeblich.
Die Krater schützen den Wein
Dabei haben die Inselbewohner gelernt, aus den schwarzen Lavaböden das Beste zu holen. Das Naturschutzgebiet La Geria zwischen Yaiza und San Bartolomé am Rande des Timanfaya-Nationalparks ist das größte Weinanbaugebiet der Kanarischen Inseln. Wie ein grafisches Muster überziehen kleine Krater die schwarz-braune Landschaft. Die Winzer haben die trichterförmigen Vertiefungen in die ein bis zweieinhalb Meter dicke Lapillischicht gegraben und je einen Rebstock in die Mitte gepflanzt. Die Krater schützen den Wein vor den Winden und helfen, Feuchtigkeit aufzufangen. In Bodegas lässt sich das Ergebnis bei Weindegustationen probieren.
Wie die Vulkantätigkeit Lanzarote geprägt hat, ist besonders eindrucksvoll im Nationalpark Timanfaya im Südwesten zu sehen. Die 32 Vulkankegel, die sich bei den fast sechs Jahre dauernden Eruptionen von 1730 bis 1736 bildeten, schufen mit den Lavaflüssen eine unwirkliche Mondlandschaft.
Kochstelle über einem Erdloch
Wenige Meter unter der Erdoberfläche kocht und brodelt es noch heute. Hier herrschen Temperaturen von um die 400 Grad und mehr. Westlich des Hauptkraters der „Montañas del Fuego“, den Feuerbergen, wird es noch heißer: in 27 Meter Tiefe 700 Grad. Hierhin setzte César Manrique das runde Restaurant El Diaboli („Der Teufel“) – mit einer Kochstelle über einem heißen Erdloch, auf der noch heute Fleisch und Fisch gegrillt wird. Ein schöner Kontrapunkt zu den Betonskulpturen, die sein Künstlerkollege Jason deCaires Taylor vor der Südküste der Insel im Meer versenkt hat.
Tipps & Informationen
Anreise z. B. nonstop mit Ryanair oder mit Iberia über Madrid, weiter mit dem Mietauto.
Unterkunft z. B. im Princesa Yaiza mit DZ ab 246 Euro, www.princesayaiza. com – oder in dem kleinen Guesthouse im Zentrum für Architektur, Design und Wissenschaft „Arte de Obra in Haria“. Das Zentrum wurde von Bettina Bork, ehemaliger Mitarbeiterin César Manriques, im Tal der 1000 Palmen gegründet. DZ ab 60 Euro, www.artedeobra. de/unterkunft-lanzarote-nord.html
Unterwassermuseum Museo Atlántico, offizielle Eröffnung Anfang Januar 2017, www.cactlanzarote.com/de/cact/museo-atlantico/
Stiftung César Manrique http://fcmanrique.org
Nationalpark Timonfaya www.cactlanzarote.com/de/cact/timanfaya/
Auskunft www.turismolanzarote.com, www.insel-lanzarote.de
(Unterstützt von Lanzarote-Tourismus und „Schau ins Land“-Reisen.)