Musterprozess vor dem Hamburger Landgericht: Eine Hotelkette will im Netz nicht mehr bewertet werden - etliche Kommentare seien gefälscht.

Hamburg. Ein wegweisendes Urteil über die Bewertung von Hotels auf Internetseiten wird in Kürze in Hamburg gesprochen: Die Hotelkette A&O-Hotels klagt vor dem Hamburger Landgericht gegen das Bewertungsportal Holidaycheck. Der Vorwurf: Ein Drittel der Bewertungen auf der Seite seien gefälscht. Auf Holidaycheck kann jeder Internetnutzer anonym Hotels bewerten, auch ohne jemals dort übernachtet zu haben. Die Hotelkette will aus dem Bewertungsportal herausgenommen werden. Sollten die Hamburger Richter dies tatsächlich anordnen, hätte dies auch für alle anderen Bewertungsportale im Internet eine Signalwirkung. Das gesamte Geschäftsmodell stünde auf dem Spiel.

"Wenn wir mit unserer Forderung durchkommen und aus dem Portal herausgenommen werden, wird jede andere Hotelkette nachziehen", sagt Oliver Winter, Geschäftsführer von A&O-Hotels. "Wie der Prozess auch ausgeht, es wird sicherlich eine Revision geben." Die mündliche Gerichtsverhandlung ist in Hamburg schon abgeschlossen worden, nun muss Winter Beweise dafür bringen, dass ein Drittel der rund 50 Bewertungen pro A&O-Hotel falsch sind. Tatsächlich finden sich etwa unter den 182 Bewertungen zum Hamburger A&O-Hostel Reeperbahn noch etliche, die sich auf den Vorgänger, das Hotel Stern beziehen. Winter ist deshalb optimistisch, was den Verlauf der Verhandlung angeht. Allerdings trifft dies auch auf die Gegenseite zu. Aus seiner Sicht sei der erste Verhandlungstag am Hamburger Landgericht sehr gut für Holidaycheck gelaufen, sagte Tobias Hammer, Leiter des "Content-Teams" von Holidaycheck, das die Richtigkeit der Bewertungen auf dem Portal sicherstellen soll. Die Anträge der A&O-Hotelkette hätten keine Chance auf Erfolg: "Die Bewertungsabgabe steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz." Auf der ITB in Berlin hat Hotelchef Winter eine Diskussionsrunde zum Thema Online-Bewertungsportale angeregt, die am 10. März stattfindet.

Rund 1,3 Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr in einem der 14 Hotels und Hostels von A&O übernachtet. Die Hostelzimmer werden vor allem von Schulklassen gebucht. 4200 Klassenfahrten hatten im vergangenen Jahr ein A&O-Hostel als Ziel.

Viele Jugendliche seien etwa erzürnt, wenn ihnen das Personal mitten in der Nacht die Musik verbiete und würden sich dann mit schlechten Bewertungen im Internet rächen, sagt Winter. "Da steht dann, das Zimmer wurde drei Tage nicht gereinigt oder im Bett hätten Schamhaare gelegen", so Winter. "Das sind unwahre Behauptungen." Auch Eltern hätten ihm schon mit schlechten Massenbewertungen gedroht - ohne das Hotel überhaupt je gesehen zu haben.

Bei Holidaycheck durchlaufen nach eigener Aussage alle Hotel-Bewertungen - immerhin rund 1500 pro Tag - eine automatische Prüfung. Auffällige Bewertungen werden von einem 41 Personen starken "Content-Team" geprüft. Trotzdem gelang es der Stiftung Warentest vor wenigen Wochen, zwei fingierte Bewertungen auf Holidaycheck zu veröffentlichen. Im Test der Stiftung Warentest schnitt Holidaycheck von sieben Hotelbewertungsportalen aber noch am besten ab, denn immerhin wurden einige der falschen Bewertungen, in denen zum Beispiel völlig falsche Angaben zur Lage des Hotels gemacht wurden, abgewiesen. Die Schreiber der Fake-Bewertungen bekamen eine E-Mail, in der sie um einen Beweis für den Hotelaufenthalt, etwa eine Rechnung, gebeten wurden. Die Bewertungsabgabe wurde von der Stiftung Warentest deshalb für "gut" befunden. Bei der Anzahl der Hotels, der aktuellen Bewertungen, bei Suchoptionen, Ergebnisdarstellung und Informationsumfang liege Holidaycheck "unangefochten an der Spitze", schreibt die Stiftung Warentest.

Tobias Hammer, Leiter des "Content-Teams" von Holidaycheck, will nicht, dass der Test der Stiftung Warentest verallgemeinert wird. Dass es der Test-Redaktion gelungen sei, fingierte Bewertungen auf die Seite zu stellen, heiße nicht, dass ein Drittel aller Bewertungen falsch sei, so Hammer. "Diese Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen und fern der Realität." Holidaycheck habe ein ausgeklügeltes Verfahren entwickelt, um falsche Bewertungen auszuschließen. Besonders blumig formulierte oder beleidigende Beiträge würden automatisch von einem Computerprogramm erkannt und dann von den Mitarbeitern des "Content-Teams" geprüft. "Auf Holidaycheck stehen keine unwahren Behauptungen", so Hammer.

Die Holidaycheck AG ist nach eigenen Angaben das größte deutschsprachige Meinungsportal für Reise und Urlaub im Internet. Fast sieben Millionen Menschen klicken die Seite jeden Monat an. Die AG hat ihren Sitz in der Schweiz, seit 2006 gehört das Unternehmen aber mehrheitlich zur Tomorrow Focus AG, deren Hauptgesellschafter wiederum das Verlagshaus Hubert Burda Media ist. "Hier wird unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit im Web ein knallhartes Geschäft gemacht", sagt A&O-Geschäftsführer Winter. "Die Bewertungen der Hotels fungieren wie ein Nacktfoto auf der Titelseite einer Boulevardzeitung - sie locken Leser an", behauptet Winter. Eigentlich gehe es auf Holidaycheck um die Vermittlung von Reisen. Auf der Internetseite von Holidaycheck können Pauschal- und Last Minute-Reisen gebucht werden, auch Ferienwohnungen, Kreuzfahrten und Flüge werden vermittelt.

Klagen, die sich gegen Angebote im Internet richten, können überall dort verhandelt werden, wo es einen Internetzugang gibt - also praktisch überall in Deutschland. A&O-Hotels hat sich bewusst für das Landgericht Hamburg entschieden. "Hamburg gilt in der Internetrechtsprechung als sehr fortschrittlich", sagt Winter. "Hier wurden schon viele wichtige Urteile gefällt, zum Beispiel zum Herunterladen von Musik und Tauschbörsenprogrammen."