Reinbek. In der Auffangstation Einhorn ist die finanzielle Situation so schwierig wie noch nie. Welche Folgen die Teuerung hat.

Die Tierherberge Einhorn ist in Not. Zusätzlich zu den allgemeinen Preissteigerungen belasten die Einrichtung am Senefelder Ring die immens gestiegenen Gebühren für den Tierarzt. Um etwa 30 Prozent haben sich die Kosten für die tierärztlichen Behandlungen seit der Anpassung der Gebührenordnung für Tiermediziner im November vergangenen Jahres erhöht. Kostete die Kastration einer Katze bislang 170 Euro, sind jetzt 290 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer fällig.

„Das ist einfach nicht mehr aufzufangen. Die 30.000 Euro, die wir sonst im Jahr beim Tierarzt gelassen haben, werden wir weit überschreiten“, sagt Vereinschefin Karen Schönbrodt verzweifelt. Seit Gründung der Herberge 2009 ist sie es gewohnt, mit wenig Geld auszukommen. Das Tierheim baut auf die Hilfe von 40 Ehrenamtlichen und freut sich über Futterspenden aus Supermärkten in der Umgebung. „Wenn eine Ladung mit Hunde- und Katzenfutter bei uns ankommt, ist das wie Weihnachten“, sagt die 61-Jährige.

Neue Gebührenordnung für Tierärzte bringt Einhorn in Not

Doch nach Weihnachten ist ihr momentan nicht: „So eng wie jetzt war es noch nie. Es geht ans Eingemachte“, sagt die Tierheimleiterin. Denn während sich der Preis für jede einzelne Dose Katzenfutter, jeden Ballen Stroh seit einem halben Jahr verdoppelt hat, nehmen die Geldspenden immer weiter ab. „Seit 2019 verzeichnen wir einen Rückgang von 10.000 Euro pro Jahr“, sagt Schönbrodt. Das Geld sitze einfach nicht mehr so locker. Zugleich aber kann sie ihre Einnahmeseite – die Schutzgebühr für ein erfolgreich vermitteltes Tier – nicht wahllos erhöhen. Für eine europäische Kurzhaarkatze werden beispielsweise 140 Euro fällig.

„Viel mehr sind Menschen nicht bereit, für ein Tier zu bezahlen. Das Tier soll ja noch eine Chance auf Vermittlung bekommen“, sagt Karen Schönbrodt. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Interessenten ins Internet abwanderten und den dort ohnehin problematischen Tierhandel von Welpen und Katzenbabys weiter beförderten.

Karen Schönbrodt streichelt Kater Silvester.
Karen Schönbrodt streichelt Kater Silvester. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Tiervermittlung ist in finanziell angespannten Zeiten ohnehin nicht ganz einfach – und von älteren Tieren fast unmöglich. „Die Zahl der Interessenten ist insgesamt weniger geworden“, sagt Schönbrodt. Mit 22 Kaninchen, 22 Meerschweinchen, 40 Katzen, 40 Vögeln und sechs Hunden ist die Herberge nahezu voll. Bei den Hunden besteht sogar Aufnahmestopp.

Einige Menschen mit geringem Einkommen wollen ihr Tier abgeben

„Es ist auffällig, dass diejenigen, die von wenig Geld leben, aktuell ganz weg bleiben“, sagt die Vereinsvorsitzende. Noch dramatischer aber ist, wenn Menschen mit geringem Einkommen ihr Tier abgeben wollen. „Als Gründe wird eine Allergie vorgeschoben. Doch wenn man genauer nachfragt, kommt zur Sprache, dass das Geld – beispielsweise für eine anstehende OP – fehlt“, sagt Schönbrodt. Eine Operation kann schnell mal mehrere Hundert Euro kosten. Staatliche Hilfen für Haustiere gibt es nicht.

„Je älter ein Tier ist, desto häufiger werden die Tierarztbesuche und desto höher sind die Kosten“, sagt auch der Glinder Tierarzt Jan Groth. Er rät zu einer OP-Versicherung oder noch eher – zu einem kleinen finanziellen Polster. „Wer kann, sollte jeden Monat für sein Tier einen kleinen Betrag zurücklegen“, sagt Groth. In Ausnahmefällen dürfen die Halter seiner Patienten auch in Raten zahlen. Oft allerdings wird das nicht nachgefragt. „Grundsätzlich ist das Verständnis seiner Patienten für die neue Gebührenordnung und die höheren Kosten hoch“, sagt der 65-jährige Tierarzt. Einen Einbruch bei den Patientenzahlen verzeichnet er nicht.

Manche Tierärzte nutzen den möglichen Spielraum voll aus

Gegen die Gebührenordnung können sich die Praxen übrigens nicht sperren, ahndet die Tierärztekammer doch sogar Unterschreitungen. Allerdings gibt es bei der Auslegung der Gebührenordnung auch Spielraum. „Einige Kollegen nutzen den voll aus“, weiß auch Groth. Deren Patienten landen dann oft in seiner Praxis.

Insbesondere Pferdehalter holten sich vor einer anstehenden Zahnbehandlung ihrer Tiere mehrere Angebote ein. Die Mehreinnahmen reicht der Tiermediziner übrigens an seine Angestellten – sieben Ärzte und fünf Helfer – weiter. Groth zahlt seinen Mitarbeitern einen Inflationsausgleich von 2000 Euro. Die Gehälter hat er bereits im Dezember erhöht. „Wie in allen Branchen gibt es auch bei uns einen Fachkräftemangel. Ich möchte meine Mitarbeiter halten“, sagt er.

Der im Mai nochmals steigende Mindestlohn belastet die ohnehin angespannte Situation der Tierherberge Einhorn mit einem festangestellten Mitarbeiter noch zusätzlich. „Wir werden nicht drum herumkommen, die Stadt um eine Aufstockung der Zuwendungen zu bitten“, sagt Karen Schönbrodt. Der Verein hat einen Vertrag mit der Stadt geschlossen. In Reinbek aufgefundene Tiere finden hier ein Zuhause, werden gepflegt und aufgepäppelt. Derzeit erhält Einhorn laut Sozialamtsleiter Torsten Christ 53.000 Euro pro Jahr von der Stadt.

Zudem will Karen Schönbrodt jetzt „Bettelbriefe“ aufsetzen an diejenigen, die mit einem Tier aus der Herberge glücklich geworden sind und will für die Übernahme einer Pflegepatenschaft werben. „Schon kleinste Beiträge helfen“, sagt sie. Was sie auf keinen Fall machen wird: notwendige Tierarztbesuche herauszögern. „Das ist wie mit kleinen Kindern. Bei Schnupfen hilft vielleicht Inhalation. Doch sobald Fieber hinzukommt, ist ein Arztbesuch unausweichlich“, sagt die langjährige Tierschützerin.