Großhansdorf. Der Krieg in der Ukraine macht betroffen. Angesichts der Gewalt und der Angriffe auf zivile Ziele wie Krankenhäuser fühlen sich auch hierzulande viele Menschen sprach- und hilflos. Die Zahl der Toten und Verletzten steigt, Medikamente und Verbandsmaterial werden knapp.
Mitarbeitende spenden innerhalb Tagen 11.555 Euro
Bei den Mitarbeitenden der LungenClinic Großhansdorf hat das Geschehen eine große Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Innerhalb von wenigen Tagen haben sie 11.555 Euro gespendet. Geschäftsleiterin Susanne Quante ist von dem Engagement der Belegschaft begeistert. Sie sagt: „Das ist eine Riesenleistung unserer Mitarbeiter.“ Knapp 500 sind es. „Unser Anliegen war, dass sich jeder beteiligen kann. Man fühlt sich ja sonst ohnmächtig angesichts des Krieges in der Ukraine.“
Nachdem die Entscheidung für die Spendenaktion gefallen war, machten sich die beiden Mitarbeiterinnen Stephanie Stürkner-Perdelwitz und Marika Rahn ans Werk. Sie bastelten aus Pappkartons kleine Spendenboxen, bemalten sie in den Farben der ukrainischen Flagge und versahen jede mit einem Schlitz für den Einwurf. Dann stellten sie auf jeder Station eine Box auf. Drei Tage später war Abgabe. „Wir waren berührt davon, wie viel gespendet wurde“, sagt Quante. Auch der ein oder andere Patient oder Angehörige habe gefragt, ob er etwas beisteuern könne.
Quante: „Das ist alles in Deutschland nicht so einfach“
Das Unternehmen beschloss, die Summe auf runde 25.000 Euro aufzustocken. Von Anfang an war klar, wofür das Geld eingesetzt werden sollte. „Wir haben für 20.000 Euro Medikamente und für 5000 Euro Verbandmaterial für Hilfslieferungen zusammengestellt“, erläutert die Geschäftsführerin. „Über die Krankenhaus-Lieferapotheke antares haben wir verschreibungspflichtige Medikamente gekauft und bringen diese über eine Ärztenetzwerk in die Ukraine.“
Gebraucht würden vor allem Medikamente wie Antibiotika. Da diese jedoch verschreibungspflichtig seien, müssten Ärzte für die Bestellung unterschreiben. „Das ist alles in Deutschland nicht so einfach“, sagt Quante. Bestellt wurde, was aktuell gebraucht wird und bestimmten Krankheits- oder Verletzungsbildern entspricht. Die Apotheke hat Medikamente zum Selbstkostenpreis abgegeben. Deren Geschäftsführer Rainer W. Werther sagt: „Wir beliefern Krankenhäuser, die keine eigene Apotheke haben. Dass wir die Artikel zum Selbstkostenpreis abgeben ist unser Anteil an der Hilfe.“
Apotheken-Unternehmen hilft bei Bestellung und Logistik
Die Firma mit Sitz in Hamburg-Jenfeld hat 150 Mitarbeitende. Sieben stellte Werther frei, damit sie im Lager des Unternehmens elf Paletten mit den Hilfsgütern packen konnten. „Das hat nur zwei Tage in Anspruch genommen, weil alle Artikel am Lager vorrätig waren.“ Dazu zählten Narkosemittel, Schmerzmittel, Antibiotika und Infusionen. Werther: „Wir haben eine Anforderungsliste bekommen und noch einiges, was sinnhaft war, ergänzt.“ Ein Fahrer der Apotheke brachte die Ladung, die einen 7,5-Tonner bis zum Rand füllte, nach Kaltenkirchen. Dort befindet sich das Lager des Vereins Ukrainische Ärztevereinigung in Deutschland. Dessen Schatzmeisterin Dr. Oksana Ulan wartete bereits auf die Lieferung.
Susanne Quante sagt: „Die Menschen brauchen die Hilfe jetzt und nicht in vier Wochen.“ Ulan organisiere den Transport zum Zielort. Im Fall der LungenClinic-Spende ist das beispielsweise eine Klinik in Lwiw, die Frühgeborene aus der Klinik in Kiew übernimmt.
Ärztin bangt um Verwandte, die in der Ukraine ausharren
Die Ärztin hat Familie in der Ukraine. Mutter und Schwester würden eine Flucht aus Alters- und gesundheitlichen Gründen nicht durchstehen, berichtet Ulan. Sie habe Cousinen und Cousins, von denen einige den ganzen Tag im Keller ausharren müssten. Ulan hat in ihrem Heimatland Medizin studiert und gute Kontakte zu früheren Studienkollegen, daher weiß sie genau, was gerade am dringendsten gebraucht wird.
Ulan sagt: „Die Gesundheitsbehörde hat in Lwiw ein Lager, da können wir Spenden hinbringen.“ Die Stadtverwaltung schicke ukrainische Fahrer, um die Waren bei ihr abzuholen. „Wir haben auch andere Möglichkeiten, einige Lkws sind zum Beispiel nach Saporischschja gefahren. Sie haben eine ganze Woche gebraucht, wir waren erleichtert, als sie uns von dort Fotos geschickt haben.“
Kleine Transporter kommen über Schleichwege zum Ziel
Andere Lieferungen seien nach Tschernihiw gegangen. Es könnten die letzten gewesen sein, weil der Ort an der russischen Grenze inzwischen schwer belagert sei. Nach Charkiw würden kleinere Transporter geschickt, die schneller und über Schleichwege in die umkämpfte Stadt gelangen könnten. Das ukrainische Konsulat in Hamburg fertigt die erforderlichen Papiere für die Transporte.
„Das alles aufzubauen war nicht einfach, ich bin Ärztin und keine Expertin in Sachen Logistik“, sagt Ulan. Für Transport und Logistik ist sie auf die Unterstützung von Firmen wie MedX project und MediTech Taskforce angewiesen, die über eine ausgewiesene Expertise in diesem Bereich verfügen.
Schwer verletzte Kinder werden in deutschen Kliniken behandelt
Ulan hält die Situation nur durch die viele Arbeit aus, das lenkt sie ab. Ihre Kraft setzt sie zur Beschaffung von Spenden und Einkäufen ein, zuletzt vier Rettungswagen. Sie fehlten, weil es so viele Verletzte gebe und immer wieder Krankentransporte angegriffen würden. Sie habe Fotos bekommen wie das eines etwa siebenjährigen Kindes, dem der Arm abgerissen worden sei. Die Knochen hätten aus dem Stumpf herausgeragt.
Schwer verletzte Kinder wie dieses sollen mit einem der Rettungswagen nach Deutschland transportiert werden, derzeit würden dafür oft Postwagen eingesetzt. Ulans Herzensprojekt ist der Kauf weiterer Rettungswagen. Wer es unterstützen will, findet weitere Informationen auf der Website der Ukrainischen Ärztevereinigung www.uaevd.de.
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