Gut 300 Flüchtlinge leben derzeit in Hamburg. Die Männer aus dem Glinder Keller sind die einzigen, die in einer Moschee Asyl gefunden haben. Gemeinde bittet um Hilfe.

Mohammed Bilal aus der Millionenmetropole Kumasi (Ghana) hatte gehofft, in Libyen Geld zu verdienen - soviel jedenfalls, dass er seine Familie unterstützen konnte. Also wurde der junge Westafrikaner Wanderarbeiter im Ghaddafi-Regime. Als Koch in einem Restaurant verdiente er gutes Geld. Bis der Bürgerkrieg kam und Mohammed mit Tausenden anderen Gastarbeitern die Flucht ergreifen musste. Jetzt sitzt Mohammed Bilal, 23, mit rotem T-Shirt im Kellerraum der Glinder Moschee. Und weiß nicht weiter. Seit fast vier Wochen lebt er im Kellerraum der Moscheegemeinde, zusammen mit elf anderen Männern aus Afrika. Wanderarbeiter wie er, die nach einer langen Odyssee in Europa gestrandet sind.

Gut 300 Flüchtlinge leben derzeit in Hamburg und fanden teilweise Obdach in einer Kirche auf St. Pauli. Die Männer aus dem Glinder Keller sind die einzigen, die in einer Moschee Asyl gefunden haben. "Wir können keine Pläne machen. Weil wir nicht wissen, wie die Behörden entscheiden", sagt er und senkt seinen Kopf. Hier, in dem 18 Quadratmeter großen Kellerraum, schlafen sie alle auf harten, osmanischen Kissen. Hier spielen sie Play-Station und trinken Wasser aus Plastikflaschen, das ihnen von Moscheemitgliedern gespendet wurde. Hier liegen sie nachts wach, denken an ihre Familien und träumen von einem anderen, einem besseren Leben. Auf den Tag genau vor zwei Jahren erreichte das Flüchtlingsboot aus Libyen die kleine italienische Insel Lampedusa. Das Eiland gilt als Vorposten des italienischen Staates, um die Flüchtlingsströme, die sich aus Afrika über das Mittelmeer ergießen, zu stoppen. Mit an Bord des überladenen Kahns war auch Mohammed aus Ghana.

Noch hatte er Hoffnung auf ein besseres Leben im besseren Europa, vielleicht in Italien.

Als die italienische Regierung ihm und den anderen Männern im Winter 2012 Papiere eine befristeten Aufenthaltserlaubnis ausstellte, ging jedoch die Suche nach einem menschenwürdigen Ort weiter. Deutschland, das wussten sie, sei ein gutes Land. Doch statt in guten Verhältnissen mit einem Gelegenheitsjob landeten die 300 Flüchtlinge aus Lampedusa in Hamburg auf der Straße und im Winternotprogramm des Senats.

Memo, ein Mitglied der Glinder Moscheegemeinde, fordert Baseydou Traore, 30, aus Mali auf, seine Füße zu zeigen. Baseydou, der in Libyen als Anstreicher gearbeitet hat, lebte während des schweren und langen Hamburger Winters auf der Straße und zog sich etliche Wunden zu. Zum Glück sind sie jetzt, in diesen Sommertagen, verheilt.

Baseydou und all die anderen sind froh, nicht mehr auf der Straße hausen zu müssen. Seit fast vier Wochen dürfen sie in den Räumen der Glinder Moschee leben. Vorausgesetzt, sie ziehen sich vor Betreten aller Räumlichkeiten die Schuhe aus. So schreiben es die religiösen Regeln der Muslime vor.

"Unsere Gemeinde hat entschieden, diesen Kriegsflüchtlingen Obdach und Verpflegung zu geben", sagt Arif Tokicin, der Vorsitzende der Moschee-Gemeinde. "Doch nach fast einem Monat geraten wir an die Grenzen unserer Kapazitäten", fügt Finanzchef Mustafa Tepe hinzu. Um die Gemeinde zu unterstützen, ist eine Vertreterin der Bürgerinitiative "Glinde gegen rechts" gekommen. "Wir appellieren an die Bürger, mit Matratzen, Kissen, Schlafsäcken und Verpflegung zu helfen", sagt sie. Das sei jetzt besonders wichtig. Rund 100 Euro pro Tag, rechnet Finanzchef Tepe vor, kosten Essen und Trinken. "Wir sind froh über jede Sachspende."

Die Glinder Bürgerinitiative drängt nun darauf, dass sich die Bundesregierung mit dem Schicksal der Lampedusa-Flüchtlinge befasst. Zwar haben sie als "Touristen" eine Aufenthaltserlaubnis. Doch die läuft in wenigen Monaten ab. Der Flüchtlingsrat Hamburg kritisiert deshalb: "Als sogenannte Drittstaaten-Angehörige mit einem befristeten Aufenthaltsrecht für Italien können sie zwar für drei Monate in ein anderes EU-Land reisen. Hier haben sie aber weder eine Arbeitserlaubnis oder einen Zugang zu Bildung noch einen Anspruch auf soziale und medizinische Versorgung."

Die Glinder Kommune kann deshalb nach Angaben von Bürgermeister Rainhard Zug juristisch nicht tätig werden, weil kein Leistungsanspruch bestehe. Eventuell könnten die Fälle in der Härtefallkommission Schleswig-Holstein beraten werden, meint er. "Gleichwohl finde ich es menschlich gut, dass sich die Glinder Moschee-Gemeinde für die Ärmsten engagiert", sagt Bürgermeister Zug.

Also wird Mohammed aus Ghana mit all den anderen weiter warten müssen. Vielleicht wird er wieder zurück nach Italien abgeschoben. Vielleicht kann er auch eines fernen Tages in Deutschland arbeiten und von hier aus seine Familie unterstützen. All das weiß in Glinde derzeit aber noch keiner.

Wer helfen will: Kontakt Mustafa Tepe, 0170- 418 29 20.