Ahrensburger Zeitzeugen berichten Schülern im Kreis Stormarn vom Terror im „Dritten Reich“, von Krieg und von Zivilcourage.

Die Diskussion um die NPD ist neu entbrannt. Muss die Partei verboten werden? Die Ahrensburger Zeitzeugen geben dazu keine Stellungnahme ab. Sie beantworten die Frage auf ihre Weise: Sie halten die Erinnerung an dunklen Zeiten in Deutschland wach - an den Nazi-Terror, die Judenverfolgung, den Krieg, die Zerstörung. Und sie geben diese Erinnerung an die Jugend weiter, damit all das nicht vergessen wird und sich nicht wiederholt.

Seit zehn Jahren sind die Zeitzeugen im Einsatz, besuchen Schulklassen und geben Interviews. Zurzeit sind es 13 Ahrensburger im Alter von 78 bis 97 Jahren. Menschen mit weit zurückreichenden Erfahrungen. Erfahrungen, die bitter sind, die vieles erklären und doch immer wieder die gleiche Frage aufwerfen: Wie konnte das geschehen?

"Wir entwerfen keine politischen Theorien, wie es dazu kommen konnte", sagt der Ruhestandsgeistliche Horst Klingspor über das Konzept der Zeitzeugen, "wir schildern unser Erleben und geben einen ganz persönlichen Bericht." Das sei es, was die Jugend interessiere. "Wenn ich vom Schicksal meiner Eltern und von der Flucht spreche, herrscht hinterher immer eine große Stille", sagt die 97-jährige Annelise Hain. Einmal sei eine Schülerin zu ihr gekommen: "Sie hat mich gefragt, ob meine Mutter noch lebt. Das Mädchen hatte Tränen in den Augen."

Der 78-jährige Harald Düwel bekräftigt: "Wir können die jungen Leute nicht über die Ratio erreichen, nur über die Gefühlswelt können wir eine innere Bewegung auslösen." Dass die Zeitzeugen unterschiedlich alt sind, sei dabei hilfreich: "So finden sich auch unterschiedlich alte Schüler in unseren Geschichten wieder, denn der Zugang erfolgt über das Vergleichen."

Zeitzeuge Werner Plöger ist neun Jahre älter als Harald Düwel. "Wir sprechen vor Achtklässlern ebenso wie vor Gymnasiasten in der Oberstufe. Das ist wunderbar. So kommen immer ganz andere Fragen und andere Themen auf", sagt der 87-Jährige.. "Es geht auch um den Widerstand, um Schuld und Sühne, um die Stunde Null, die Nachkriegszeit und die 50er-Jahre", sagt Elke Petter. Die Historikerin leitet die Gruppe der Zeitzeugen, bespricht die Termine und organisiert Interviews, zum Beispiel mit Doktoranden. Die Rolle des Hausmädchens in den 20er-Jahren und auch die Kinderlandverschickung während des Krieges sind Themen, bei denen die Zeitzeugen den Wissenschaftlern mit ihrem lebensnahen Wissen schon helfen konnten.

Bis zu 15 Einladungen bekommen die Senioren pro Jahr und erreichen damit im Schnitt 200 bis 350 Schüler. Die Anfragen kommen aus Ahrensburg, Bad Oldesloe, Reinfeld und Reinbek, anderen Stormarner Orten, aber auch aus Hamburg, Lübeck und Geesthacht. Die Sparkassen-Stiftung Stormarn unterstützt die Zeitzeugen und übernimmt die Fahrkosten.

Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder im Peter-Rantzau-Haus. Es geht um organisatorische Dinge, aber auch um das Abgleichen von historischen Daten. "Um das Sich-Selbst-Vergewissern, das Wieder-Aufleben-Lassen von Erinnerungen", sagt Elke Petter. Harald Düwel beschreibt das Phänomen so: "Die Erinnerung wird pausenlos durch unser Gehirn bearbeitet." Je weiter das Erlebte zurückliege, umso mehr übertrage es der Mensch in die Gegenwart. Düwel: "Das ist kein Fehler. So kann man die Geschehnisse heute besser nachvollziehen." Das Konzept geht auf. Düwel: "Wir erreichen die Jugendlichen. Es grenzt fast an liebevolle Zuneigung, was uns von Schülern entgegengebracht wird. Ganz so, als wären wir ihre Großeltern."