An der Grundschule Bünningstedt startet ein Stufenkonzept für ein individualisiertes Lernen. Die Kinder wählen ihre Aufgaben selbst aus.

Ammersbek. Der sechsjährige Kevin kommt nicht so recht voran. Der Erstklässler sitzt auf seinem Stuhl in einem Raum der Grundschule Bünningstedt in Ammersbek und ist über ein Heft mit Matheaufgaben gebeugt. Doch ihm fällt keine Lösung für die Aufgabe ein. Da kommt sein Klassenkamerad Nick gerade Recht. "Er kann das gut erklären und hilft mir oft", sagt Kevin. So auch an diesem Tag. Dabei beschäftigt sich Nick gerade mit Buchstaben. In Bünningstedt beschäftigen sich die Schüler seit diesem Schuljahr mit Mathe- oder Deutschaufgaben. Die Schule hat ein Stufenkonzept für ein individualisiertes Lernen für alle ersten bis dritten Klassen eingeführt. Das heißt, der Stoff wird nicht mehr im Klassenverband vermittelt. Jeder Schüler erarbeitet sich das Wissen selbst, in seinem Tempo. Jedes Kind hat ein sogenanntes Lernzeitheft, in dem Mathe- und Deutschaufgaben stehen. Braucht ein Schüler Unterstützung, springt nicht nur der Lehrer ein. Auch Mitschüler helfen. Nick ist einer von ihnen.

"Wir legen Etappenziele fest, die von jedem Kind in seinem eigenen Tempo erreicht werden", sagt Astrid Schrader, Konrektorin der Grundschule. "Jeder Jahrgang wird in drei Stufen unterteilt. In den Fächern Deutsch und Mathe haben wir bestimmte Kompetenzen festgelegt, die die Kinder erarbeiten müssen, bevor sie in die nächste Stufe aufrücken." Die Kinder bestimmen selbst, wann sie soweit sind, in die nächste Stufe aufzusteigen. Bevor sie weitermachen können, wird ihr Wissen in Tests geprüft. "Es ist schön zu sehen, dass die Kinder keine Angst mehr vor solchen Arbeiten haben", sagt Schrader. Im Gegenteil: "Wenn sie glauben, dass sie soweit sind, dann kommen die Schüler stolz zu uns Lehrern und wollen die Tests schreiben." Die Kinder hätten das Gefühl, vorbereitet zu sein, so Schrader. Und das gute Gefühl soll den Kindern auch später helfen. "Wenn sie selbst an ihrem Erfolg arbeiten, kann die Schüler auch auf den weiterführenden Schulen wenig erschüttern", sagt Birgit Graumann-Delling, kommissarische Schulleiterin in Bünningstedt. Zudem diene die vierte Klasse dann als Übergang zu den eher konventionellen Lernkonzepten weiterführender Schulen. "Die Kinder wachsen schnell in die individualisierte Form des Lernens hinein", so die Schulleiterin. In den drei Jahren gelte es, den Kindern die nötige Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz für die weiterführende Schule zu vermitteln. Neben den individuellen Lernphasen gibt es aber auch an der Grundschule Bünningstedt gemeinsame Unterrichtsstunden. Graumann-Delling: "Die Kinder, die von uns eine Gymnasialempfehlung erhalten, werden damit klarkommen und können sich anpassen." Die Grundschulen hätten den Auftrag, das individuelle Lernen voranzubringen. "Das wird vom Bildungsministerium gewünscht", sagt Graumann-Delling.

Für die Lehrkräfte bedeute das neue Konzept keineswegs weniger Arbeit, versichern Schrader und Graumann-Delling. "Ihre Rolle ist die eines Lernbegleiters", sagt Graumann-Delling. Zudem hätten die Lehrer in vielen Stunden das Konzept ausgearbeitet und die Einführung vorbereitet. Schrader: "Wenn jeder Schüler individuell an seinen Aufgaben sitzt, braucht es auch viel Kontrolle durch die Lehrkraft."

Doch mit dem Stufenkonzept soll es in Bünningstedt noch nicht getan sein. "Wir werden schon bald auch jahrgangsübergreifend arbeiten", sagt die Schulleiterin. "Einen entsprechenden Beschluss hat die Schulkonferenz, in der Lehrer und Eltern sitzen, getroffen", so die Schulleiterin. Laut Graumann-Delling beginnen bereits im kommenden Schuljahr die ersten und zweiten Klassen. "Das jahrgangsübergreifende Lernen in den Stufen Eins bis Drei werden wir ab dem Schuljahr 2014/15 anbieten."

Ebenso habe man den Übergang zur Offenen Ganztagsschule angestoßen. Für die Dritt- und Viertklässler gibt es Betreuungsangebote bis 15 Uhr. Graumann-Delling: "Doch sobald wir die Räume haben, werden wir eine Offene Ganztagsschule für alle Schüler sein." Der Umbau soll bald beginnen. Das Angebot umfasst zum Beispiel ein warmes Mittagsessen. "Dazu muss unsere Mehrzweckhalle um eine Küche und eine Essensausgabe erweitert werden", erläutert Graumann-Delling. Zudem werde die angrenzende Kindertagesstätte der Schule einige Räume zur Verfügung stellen. So werde ein zusätzlicher Klassenraum und ein Atelier für das Nachmittagsangebot benötigt. "Die Kita wird um zwei Krippenräume sowie zwei Gruppenräume erweitert", erläutert Holger Peters, leitender Verwaltungsbeamter. Dafür werde die Kita zwei Räume, die sie derzeit im Schulgebäude nutzt, an die Grundschule zurückgeben. "Gemeinde und Politiker haben diese Entwicklung von Anfang an unterstützt", so Graumann-Delling. "Die Genehmigungen haben wir bereits." Am 6. November stellt ein Architekt seine Pläne dem Ausschuss für Soziales, Jugend und Sport vor.