Die Beratungsstelle der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit kritisiert ein stetig wachsendes Angebot von Spielmöglichkeiten.

Reinbek. Es sind das Klackern, das Klingeln und das bunte Blinken der Automaten, die Uwe magisch in ihren Bann ziehen. Diese Reize bestimmen nicht selten seinen gesamten Tagesablauf. Uwe ist 35 Jahre alt und berufstätig. Und Uwe ist spielsüchtig - seit Jahren schon. Oft ist er knapp bei Kasse, einen großen Teil seines Gehalts schlucken die blinkenden Kästen in der Spielhalle. Aufgeteilt in kleinen Münzen. So viele im Monat, dass er seinen Arbeitgeber um einen Vorschuss bitten muss, immer häufiger.

Uwe ist fiktiv, aber für Christoph Schmidt, Bereichsleiter der Sucht- und Drogenberatung im Beratungszentrum Südstormarn der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit (SVS) mit Sitz in Reinbek, ist Uwe ein typischer Spielsüchtiger. Männlich, unter 40 Jahre alt, der seit Jahren nicht ohne die Spielautomaten sein kann und früher oder später finanzielle Schwierigkeiten bekommt.

Die Zahl der Süchtigen ist laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit Jahren gestiegen. Es wird geschätzt, dass deutschlandweit 264 000 Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren spielsüchtig sind, 275 000 ein problematisches Glücksspielverhalten aufzeigen. Schmidt geht davon aus, dass auch in Stormarn 2000 bis 3000 Menschen betroffen sind. "Laut Statistik ist etwa ein Prozent der Bevölkerung krankhaft vom Spielen abhängig. Etwa 90 Prozent sind Männer ", weiß Schmidt.

Den Anstieg verzeichneten Suchthilfeeinrichtungen wie die der SVS in Reinbek. "Doch noch immer suchen einfach zu wenig Betroffene Hilfe - und vor allem viel zu spät", weiß Wolfgang Klespe. Der Diplom-Pädagoge arbeitet seit 1996 im Bereich der Suchtberatung, führt Gespräche mit Betroffenen, versucht Wege aus der Sucht aufzuzeigen. Etwa zehn bis 15 Spielsüchtige betreut er jährlich im Raum Reinbek zusammen mit seiner Kollegin, der Diplom-Psychologin Ursula Behrens-Tönnies. "Meistens ist es das soziale Umfeld, das an uns herantritt - Familienangehörige, Freunde, auch Arbeitgeber", sagt Klespe aus Erfahrung. Sie werden beraten, wie sie sich verhalten sollen, weil die Betroffenen selbst oft nicht realisierten, dass sie Hilfe brauchen.

Als Grund für den kontinuierlichen Anstieg sieht Christoph Schmidt die wachsende Zahl von Spielangeboten. Nicht nur die Möglichkeiten im Internet um Geld zu spielen sei gewachsen, auch öffneten in den vergangenen Jahren mehr und mehr Spielhallen, kritisiert Schmidt. Laut dem Verein Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen sind die Umsätze von rund 5,7 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 17,2 Millionen Euro im Jahr 2010 gestiegen. "Daran verdient auch der Staat", kritisiert Schmidt. Jedoch werde viel zu wenig getan, um den Einstieg in die Spielsucht überhaupt erst zu verhindern. "Ich würde mir wünschen, dass die offene Werbung aus dem öffentlichen Leben verschwindet und Spielhallenpersonal eine zusätzliche Ausbildung erhält, wie Spielsüchtige erkannt und vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden können", sagt Schmidt.

Seine Kollegen Ursula Behrens-Tönnies und Wolfgang Klespe suchten vor Kurzem mehrere Spielhallen in Südstormarn auf - mit dem Ziel, Betreibern auf den Zahn zu fühlen, wie diese mit Spielsüchtigen umgehen, ob sie Betroffene auf ihre Krankheit ansprechen. Die Erkenntnis sei ernüchternd gewesen. "Viele sagten einfach, dass es das bei ihnen nicht gebe. Eine Dame sagte, dass sie das nicht machen könne, weil sie sonst ihren Arbeitsplatz verlieren würde", sagt Behrens-Tönnies.

Sie kritisiert auch, dass im Außenbereich von vielen solcher Spielhallen bereits das Klingeln und Klackern der Spielautomaten zu hören ist: "Jemand der süchtig ist, kann da nicht einfach dran vorbeigehen. Sie haben ein unstillbares Verlangen danach." Selbst je5mand, der es nach einer Therapie eine Zeit lang geschafft habe, Spielautomaten oder Wettspielen fernzubleiben, sei ein Leben lang gefährdet, rückfällig zu werden. "Das ist nicht anders als bei Alkoholsucht. Die Rückfallquote ist ähnlich hoch", weiß Schmidt.

Und auch die Ursache für die Anfälligkeit der Suchterkrankung ist ähnlich: Denn Betroffene spielen nicht des Geldes wegen, sondern um andere Probleme zu verdrängen. Laut aktuellem Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung haben 95 Prozent der pathologischen Glücksspieler mindestens eine weitere psychische Störung.

"Der Reiz des Geldes ist anfangs bei den meisten vielleicht der Einstieg. Viele merken aber, dass ihnen das Spielen etwas anderes gibt, nämlich Probleme verdrängt.", sagt Klespe. Das Klackern, das Klingeln, das Blinken - es lässt Sorgen vergessen. Für einen Moment. Und es schafft neue Probleme.