Bank-Geheimnisse: Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank in Timmerhorn. Heute: George Fauser, er ist Auswanderer und Ex-Pilot.

Jersbek. "Zwei Herzen schlagen in meiner Brust", sagt George Fauser und blinzelt in die wärmende Mittagssonne. "In Hamburg bin ich zur Welt gekommen, in Amerika habe ich meinen Traum gelebt."

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat der heute 84 Jahre alte Georg Fauser, der sich seit seiner Umsiedlung in die USA "George" nennt, auch sein spätes Glück gefunden. Die Frau an seiner Seite: Ingrid Grube aus Timmerhorn. Ihre Tochter hat die beiden vor zehn Jahren bei einer Urlaubsreise in die USA zusammengebracht. Ingrids Mann lebte nicht mehr, auch George war Witwer. Der pensionierte Flugkapitän wohnt in Florida. In Cape Coral am Golf von Mexiko besitzt er eine Villa. Abwechselnd leben sie nun in Deutschland und in den USA.

George Fauser hat ein aufregendes Leben hinter sich, das genügend Stoff für einen spannenden Kinofilm bieten würde. "Ich danke dem lieben Gott, dass er mir einen Schutzengel an die Seite gestellt hat", sagt er.

Seine Mutter Antonie von Goßler entstammte einer berühmten deutschen Adelsfamilie aus Ostpreußen. Ihr Großvater Karl Gustav war Staatskanzler in Preußen. Ihr Vater Wilhelm diente als Generalleutnant im preußischen Heer. Die Familie lebte im Königsberger Schloss, und Antonie verbrachte ihre Schulzeit in einem Internat, in dem auch die Kinder des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. fürs Leben lernten.

Ein schönes Leben lag vor dem bildhübschen Mädchen, doch zu ihrem Unglück verliebte sie sich in einen in Hamburg lebenden deutschen Offizier, der keinen Hehl daraus machte, dass er Nationalsozialist und ein glühender Anhänger Adolf Hitlers war. Bei Straßenschlachten mit Sozialisten und Kommunisten in Hamburg stand er an vorderster Front. Antonie von Goßler verließ ihren Mann, als ihr Sohn Georg zwei Jahre alt und sie erneut schwanger war. Sie flüchtete zu Verwandten im Osten Deutschlands.

Georg Fauser landete für acht Jahre im Waisenhaus. "Damit begann die schlimmste Zeit in meinem Leben", berichtet er. "Zu sagen, ich hätte eine schreckliche Kindheit gehabt, wäre glatt untertrieben."

Mit zehn Jahren wurde er in die Preußische Militärakademie in Berlin-Friedenau gesteckt. Elf Jahre alt war er, als der Zweite Weltkrieg begann. Er entdeckte seinen Hang zur Fliegerei, erwarb Segelflugscheine. Und als Hamburg im Juli 1943 bombardiert wurde und lichterloh brannte, sagte er: "Ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich will Kampfflieger werden und meinem Vaterland helfen."

Georg meldete sich freiwillig zum Jagdgeschwader Oesau, er lernte den damaligen General der Jagdflieger Adolf Galland kennen und sollte kurz vor Kriegsende das Training mit dem geheimnisumwitterten Raketenflugzeug ME 163 beginnen.

"Zum Fliegen kam ich allerdings nicht, es gab keinen Treibstoff mehr", sagt George. Als Infanterist überlebte er den Untergang Dresdens. Er kämpfte in Pommern in einem Strafbataillon gegen russische Panzer, Seite an Seite mit Fallschirmjägern, die in der Schlacht am Monte Cassino in Italien gekämpft hatten.

"Wir waren Kanonenfutter. Ich hasste Hitler, weil mein Vater Nazi war", sagt er. Am 25. April 1945 kam er schließlich in Bernau zuerst in russische, danach in amerikanische und am Schluss in britische Gefangenschaft.

Dann hatte er Glück, weil er in der Schule im Englischunterricht aufgepasst hatte. "Ein britischer Offizier brauchte dringend einen Dolmetscher und einen Chauffeur", erzählt er. "Er hat mir ein Heim, Kleidung, Essen und eine Beschäftigung gegeben. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich human behandelt fühlte. Mein früherer Feind war ein wunderbarer Mensch."

1947 heiratete George seine Ursula, sie wohnten in Lohbrügge. Behördliche Unterstützung erhielten sie nicht. "Kommen Sie wieder her, wenn Sie 21 Jahre alt sind", hieß es. Vier Jahre später sollte ein Anruf aus den USA sein Leben völlig verändern. Der Anruf kam aus Davenport, einer Stadt im Bundesstaat Iowa. Ein Onkel, der dort in einem kleinen Laden Linoleum verkaufte, lud das Ehepaar in die USA ein. Die beiden entschlossen sich, zu bleiben.

"Wir waren bitterarm, lebten in einem Raum, ohne fließend Wasser und Toilette", erinnert sich George. "Irgendwann bekam ich einen Job. Aber nicht einmal als Tellerwäscher, sondern nur als Toilettenreiniger, für 1,50 Dollar die Stunde." Er arbeitete Tag und Nacht - und am Wochenende wusch er Flugzeuge.

Eines Tages lernte er durch einen glücklichen Umstand Professor Alexander Lippisch kennen, der im Bundesstaat Iowa als Flugzeugkonstrukteur arbeitete. Das war der Mann, der für die Luftwaffe den Raketenflieger ME 163 entwickelt hatte.

Lippisch förderte ihn. Im Jahr 1959 begegnete George einem Mann namens Charlie White, seines Zeichens Chefpilot bei der Fluglinie Ozark Air Lines. George konnte nach umfangreicher Lehrzeit seinen Traum verwirklichen: Er wurde Flugzeugführer. "Insgesamt bin ich 35 Jahre lang um die Welt geflogen. 25 Jahre als Kapitän, sechs Jahre als Ingenieur und vier Jahre als Copilot", erzählt er.

Er flog bei Ozark und später bei TWA alle Maschinen von der Super Constellation bis zur Boeing 707. Später saß er auch noch als Ingenieur im Jumbo-Jet. "Das waren die besten Jahre meines Lebens", versichert der Vater zweier Söhne, der seit 1955 amerikanischer Staatsbürger ist.

George Fauser steht auf und schaut hinüber zum Nachbarhaus. Er kommt gut aus mit den Menschen in Timmerhorn und Umgebung. Seit zehn Jahren spielt er beim SV T.-Bünningstedt Tennis, seinem Hobby Golf kommt er zweimal in der Woche beim GC Sülfeld nach. "Ich freue mich sehr, dass die Menschen mich von Anfang an so herzlich aufgenommen haben. Freundschaften haben sich entwickelt, die ich bis zum Ende meines Lebens pflegen werde."

Er ist ein Mann, der in zwei Welten lebt: "In Amerika sind meine Kinder und Enkel zu Hause. Dort lebe ich seit 61 Jahren", sagt George Fauser. Bald geht es nun wieder über den großen Teich. "Aber es wird nicht lange dauern, dann werde ich meine Freunde in Deutschland vermissen."