Walter Runge meldet einen Diebstahl bei der Polizei, doch die Behörden tauschten die Information nicht aus. Fahrrad rechtmäßig versteigert.

Ahrensburg. Das Schicksal des Ahrensburgers Walter Runge ist eines von 330.000 bundesweit. So häufig wurden im vergangenen Jahr laut polizeilicher Kriminalstatistik in Deutschland Fahrräder gestohlen. Und doch unterscheidet sich der Fall des 66-Jährigen von den vielen anderen. Denn er hatte Glück: Sein Fahrrad tauchte wieder auf. Und er hatte Pech: es gehört mittlerweile einem anderen. Pikant: Der neue Eigentümer hat es rechtmäßig erworben, und zwar von einer Behörde.

Es war im September vergangenen Jahres, als Walter Runge sein Fahrrad vor dem Supermarkt am Alten Lokschuppen in Ahrensburg abstellte - und es nicht abschloss. "Das war natürlich ein Fehler, aber ich wollte nur kurz etwas einkaufen gehen", erzählt er. "Heute würde mir so etwas nicht mehr passieren." So aber nahm damals ein Dieb das Rad kurzerhand mit. Die Beute: ein Reisefahrrad mit 27 Gängen, ergonomisch auf die Größe von Walter Runge abgestimmt, Neuwert: 2.500 Euro.

Noch am selben Tag erstattete Walter Runge Anzeige bei der Polizei. Im Oktober 2011 wurde ihm mitgeteilt, dass die Ermittlungen eingestellt worden waren. Die Polizei konnte weder das Rad noch den Täter ausfindig machen. Aber: Das Fahrrad tauchte dennoch wieder auf. Es wurde ebenfalls im Oktober 2011 ganz in der Nähe des Tatortes, an der Volkshochschule gegenüber dem Alten Lokschuppen, von einer Mitarbeiterin der Schule bemerkt, nachdem es dort längere Zeit gestanden hatte. Sie brachte es zum Fundbüro in Ahrensburg, das die Fundsache in Verwahrung nahm.

Mit der Ablieferung bei der Behörde begann dann eine sechsmonatige Frist zu laufen. Solange müssen abgegebene Fundsachen vom Amt aufbewahrt werden, bis es sie öffentlich versteigern darf. Geregelt ist dies im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). "Wir versteigern zweimal im Jahr nicht abgeholte Fundsachen", sagt Jost Heinemann, Fachdienstleiter der Einwohnerverwaltung der Stadt Ahrensburg, zu der auch das Fundbüro gehört. Die Termine werden vorher öffentlich bekannt gegeben.

So geriet auch das Fahrrad von Walter Runge nach Ablauf der sechs Monate Aufbewahrungszeit an einem Sonnabendvormittag Mitte April unter den Hammer. Ein Ahrensburger ersteigerte es zum Preis von 150 Euro.

"Ich wusste gar nicht, dass mein Fahrrad gefunden wurde und dann schließlich von jedermann ersteigert werden konnte", sagt Walter Runge. Für ihn war der Fall mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens abgeschlossen. Er selbst hatte nie beim Fundbüro der Stadt nachgefragt, ob eventuell sein Fahrrad dort abgegeben wurde. "Das hätte ich natürlich tun sollen", gibt Runge selbstkritisch zu. "Aber irgendwie bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, nach meiner Anzeige bei der Polizei selber noch zum Fundbüro zu gehen. Ich dachte, die Polizei fragt dort ohnehin nach, ob das Amt mein Rad aufbewahrt." Doch dies ist nie geschehen. Ebenso wie umgekehrt das Fundbüro nie bei der Polizei nachfragte, ob dort Walter Runges Fahrrad als gestohlen gemeldet worden war.

Dass Runge von der Versteigerung seines Fahrrades überhaupt erfuhr, verdankt er allein dem Zufall: Als der Erwerber mit dem Rad am Tag der Auktion die Tiefgarage des Rathauses verließ, kam zufällig ein Freund von Walter Runge vorbei und erkannte das Rad. Er sprach den neuen Eigentümer an, ließ sich dessen Namen und Adresse geben und informierte Walter Runge.

Dieser nahm sofort Kontakt zu dem Eigentümer auf. "Wir hatten ein vernünftiges Gespräch", berichtet Runge. "Ich habe ihn gebeten, das Fahrrad vorerst nicht weiterzuverkaufen, bis ich die Rechtslage geklärt habe. Damit war er einverstanden." Walter Runge bat danach das Fundbüro, den Fall noch einmal zu prüfen.

Doch die Antwort der Stadt Ahrensburg fiel negativ aus. "Man hat mir bestätigt, dass der Ersteigerer das Fahrrad rechtskräftig erworben hat", erzählt Runge. Ihm wurde auch mitgeteilt, dass das Fundbüro keine weiteren Recherchen zu abgegebenen Sachen macht und es auch nicht über Diebstahlsanzeigen bei der Polizei informiert wird. Doch das kann Walter Runge angesichts seiner Erfahrungen nicht nachvollziehen. "Es wäre doch schön, wenn zwischen Polizei und Fundbüro ein Informationsaustausch stattfindet."

Die Stadt Ahrensburg will diese Idee nun aufgreifen. "Der Fall von Herrn Runge ist sehr bedauerlich", sagt Fachdienstleiter Jost Heinemann. "Wir haben ihn zum Anlass genommen, zu überlegen, wie wir das Verfahren verbessern können." Die Stadt will Gespräche mit der Polizei führen, wie beide Seiten sich über Diebesgut und Fundsachen zukünftig austauschen können.

Was die Polizei betrifft, so hält es Pressesprecher Holger Meier für sinnvoll, dass das Fundbüro ihr Hinweise auf Gegenstände gibt. "Die Polizei kann nicht ständig nachfragen, ob als gestohlen gemeldete Sachen gefunden und abgegeben wurden."

Walter Runge jedenfalls hofft, dass sein Fall das Verfahren verbessert. Der begeisterte Radwanderer ist inzwischen mit einem neuen Reisefahrrad unterwegs.