Mehr Geburten, mehr Zuzüge: In der Stadt Glinde fehlt es an Betreuungsplätzen. Eine neue Kindertagesstätte kostet 2,3 Millionen Euro.

Glinde. Die Stadt Glinde erlebt mit dem größten Neubaugebiet Schleswig-Holsteins einen wahren Babyboom. Nicht nur junge Familien, die bereits Kinder haben, ziehen in das neue Quartier, sondern auch junge Paare, die dort ihre Familien erst gründen. Die Folge: So viele Geburten wie in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zählte die Kleinstadt im Süden Stormarns, die im Juni erstmals die 17.000-Einwohner-Marke knackte, selten zuvor. Nachdem 2010 bereits 145 frisch geborene Stadtbürger gezählt wurden (im ersten Halbjahr 64), sind es in diesem Jahr noch einige Babys mehr. Bis zur Jahresmitte zählte das Standesamt bereits 76 neue kleine Glinder. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2004 waren es nur 97.

Der Kinderreichtum beschert Glinde aber auch Ausgaben. Die Stadt muss sich auf steigende Kosten einstellen. Denn spätestens seit der Sitzung des Sozialausschusses am Dienstag haben es Stadtverwaltung und Kommunalpolitik schwarz auf weiß: Glinde werden in Zukunft Betreuungsplätze fehlen.

Das geht aus den Prognosen der Jugendhilfeplanung hervor, und auch die am Dienstag vorgestellten Ergebnisse der Elternbefragung in Glinde zeigt, dass der Bedarf an Kindertagesbetreuungsplätzen höher ist als die Zahl der Plätze, die derzeit angeboten werden können. Laut der Soziologin Beatrix Gindorf, die im vergangenen Jahr zahlreiche Eltern in Glinde nach ihren Bedürfnissen hinsichtlich der Kinderbetreuung befragte, werden derzeit etwa rund 40 Prozent der unter Dreijährigen betreut - jedoch nicht nur in Glinde, sondern auch in umliegenden Gemeinden oder in Hamburg.

"Der Wunsch nach Kinderbetreuung in Glinde liegt aber fast doppelt so hoch bei 74 Prozent. Auch wünschen sich die Eltern im Durchschnitt längere Betreuungszeiten", sagte Gindorf. Ursache dafür sei vor allem die zunehmende Erwerbstätigkeit der Mütter. So gehen laut Befragung mittlerweile 61 Prozent der Glinder Mütter mit Kindern unter drei Jahren arbeiten. 1996 waren es nur 22 Prozent. "Der Trend ist zu sehen, dass Frauen immer früher wieder ins Berufsleben zurückkehren", sagte Gindorf, "oftmals auch aus wirtschaftlichen Gründen."

Den Wunsch nach mehr Kinderbetreuung hat die Stadt bereits zu spüren bekommen. Wie in vielen anderen Stormarner Kommunen auch sind Krippen-, Kindergarten- und Hortplätze in Glinde heiß begehrt. Seit Monaten platzen die Einrichtungen quasi aus allen Nähten. Im August entstanden in den städtischen Einrichtungen "Wurzelzwerge" und "Wirbelwind" drei altergemischte Gruppen, und auch der Hort "Löwenzahn" sowie die erst zu Jahresbeginn eröffnete Kita "Zwergenwache" im neuen Baugebiet wurden mit einer Gruppe zusätzlich aufgestockt.

Spätestens mit Hinblick auf den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz von Kindern von ein bis drei Jahren ist klar: Ausreichen wird das nicht. Die wachsende Kommune steht unter Zugzwang. Um eine 40-prozentige Betreuungsquote erfüllen zu können, will die Stadt nun eine weitere Kindertagesstätte bauen lassen. 60 Plätze sollen zu den derzeit 75 Plätzen für Kinder unter drei Jahren hinzukommen.

Die Mitglieder des Sozialausschusses beschlossen in ihrer gut dreistündigen Sondersitzung bereits den 2,3 Millionen Euro teuren Neubau. Hinzu kommen Betriebs- und Personalosten in Höhe von rund 530 000 Euro, die die Stadt jährlich aufbringen muss. Und so wie es derzeit aussieht, muss Glinde die Kosten komplett aus der ohnehin schon leeren Stadtkasse decken.

"Die Mittel aus den Bundesprogrammen sind bereits erschöpft", sagte Ole Joensson, Sachgebietsleiter für Jugend und Soziales im Rathaus, "das Geld, das dem Kreis zur Verfügung steht, ist einfach zu gering. Ob und in welcher Höhe es 2012 noch zu einer Ausschüttung von nicht in Anspruch genommenen Investitionsmitteln im Kreis gegen wird, wissen wir derzeit nicht. Wir müssen momentan davon ausgehen, dass wir für die Kita überhaupt nichts an Fördermitteln dazubekommen." Joensson beantwortete damit auch die Frage von Hans-Jürgen Preuß vom Seniorenbeirat der Stadt, wie das denn künftig alles bezahlt werden solle.

Eine Alternative zum Neubau gebe es derzeit nicht, sage Bürgermeister Rainhard Zug. Die bereits vorhandenen Einrichtungen könnten keine zusätzlichen Gruppen mehr aufnehmen, auch Anbauten wären nicht möglich. "Der Einwohnerzuwachs zeigt, dass nun die Infrastruktur angepasst werden muss. Und das sind Summen, die wir über die laufenden Einnahmen decken müssen. Das fordert die Finanzen der Stadt", sagte Zug, der erst in zwei Jahren mit einer höheren Umlage für die gewachsene Einwohnerzahl rechnet.