Schweigeminute gegen Neonazi-Terror: Hunderte Menschen beteiligen sich in Ahrensburg, Bargteheide und Oldesloe an dem stillen Gedenken.

Ahrensburg. Eine Minute kann ganz schön lang sein. Besonders, wenn geschwiegen wird. Trotzdem war es ruhig im Kreis Stormarn, eigentlich wohl in der gesamten Bundesrepublik, denn am Donnerstag um 12 Uhr hat Deutschland ein Zeichen gesetzt gegen rechtsextreme Gewalt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hatten zu einer Schweigeminute aufgerufen. Diese sollte an die zehn Menschen erinnern, deren Ermordung der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund zur Last gelegt wird. Die Opfer wurden in den Jahren zwischen 2000 und 2007 ermordet - ob die Taten verhindert hätten werden können, wird derzeit noch untersucht.

In Bad Oldesloe hatten die Grünen zu einer gemeinsamen Schweigeminute vor der Moschee an der Turmstraße aufgerufen. "Wir wollen öffentlich Solidarität mit unseren türkischen Mitbürgern zeigen, denn um die geht es schließlich heute", sagte Hartmut Jokisch, Vorsitzender des Grünen-Ortsverbands. 25 Menschen waren seinem Aufruf gefolgt, darunter auch Uwe Teut, der Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Er sagte: "Wir werden immer wieder auf die lauernde Gefahr hinweisen. Die Schweigeminute ist ein gutes Signal für die Gesellschaft."

Bevor es an der Turmstraße für 60 Sekunden still wurde, erinnerte Jokisch in einer Rede an die zehn Opfer der rechtsextremen Mordserie. "Wir müssen uns bei den Angehörigen entschuldigen und den Opfern jetzt selbst schweigend gedenken", sagte er. Der Oldesloer mahnte, wachsam zu sein und gegen rassistische Denkweisen zu kämpfen. Jokisch: "Eine Untersuchung der Bundesregierung hat bestätigt, dass 20 Prozent der Deutschen rassistischen Denkmustern nachhängen. Wir wissen alle, zu welchen schrecklichen Folgen diese Denkmuster in der deutschen Geschichte geführt haben."

Uwe Teut berichtete anschließend von dem Bündnis gegen Rechts, das vor einer Woche in der Kreisstadt gegründet wurde und dass zurzeit 20 Mitglieder hat. "Ich hoffe, dass sich noch viele weitere Bürger daran beteiligen", sagte Walter Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der Oldesloer SPD. "Wir wollen zum Beispiel auch Projekte in den Schulen in Angriff nehmen."

Auch im Bargteheider Kopernikus-Gymnasium war es für eine Minute so still wie sonst selten. "Außer in den Klassen, in denen eine Arbeit geschrieben wird, wird die Schweigeminute überall stattfinden", sagte die Schulleiterin Brigitte Menell vorher. "Die Schülervertretung hat das organisiert. Um 12 Uhr wird ein Klingeln an die Minute erinnern", sagte sie. Im Religionsunterricht der Klassenstufe 13 war die Klingel kaum zu hören, die Schüler hatten gerade in kleinen Gruppen über den interreligiösen Dialog diskutiert. "Das Ziel ist Prävention, denn Vorurteile begegnen uns ständig", sagte Lehrer Andres Zacharias.

Aktuell sprechen die Schüler über den Islam, über Rollenverständnisse, Freiheit und das Rechtssystem. Aber einigen ist auch in ihrem Alltag schon Fremdenhass begegnet. "Ich war dabei, wie in der U-Bahn zwei junge Männer einen Farbigen angesprochen haben. Sie sind leicht aggressiv geworden, es kam zu einem leichten Faustkampf", sagte Robert Scheel. "Das Thema ist noch gegenwärtig." Man lese immer wieder von Reibungspunkten, sagte der 19-Jährige. Allerdings dürfe auch linksradikale Gewalt nicht vergessen werden.

Seine Mitschülerin To Quyen Phan ist aufgrund ihres Migrationshintergrunds noch nicht diskriminiert worden. Sie sagte: "Freunde von mir haben aber andere Erfahrungen gemacht. Es gibt schon regionale Unterschiede. Ich kenne jemanden aus Leipzig. Dort werden Menschen mit Migrationshintergrund angegriffen und beleidigt."

Vor dem Ahrensburger Rathaus haben sich zeitgleich etwa 70 Menschen versammelt. Bürgermeister Michael Sarach hatte die Bürger aufgerufen, sich mit den Mitarbeitern vor dem Gebäude zu treffen, um gemeinsam der Opfer rechtsextremer Gewalt zu gedenken. Weniger Meter weiter, im Kaufhaus Nessler, wiesen Lautsprecheransagen die Kunden auf die Schweigeminute hin. Um 12 Uhr sollten alle Kassen stillstehen. Viele Kunden ließen sich dadurch allerdings nicht vom Einkaufen abhalten. Anders der Straßenmusiker vor dem Eingang: Er legte sein Akkordeon um Punkt 12 Uhr zur Seite.