Designierter Bundespräsident besucht Türkisches Haus in Berlin-Schöneberg

Berlin. Langsam wird Joachim Gauck wohl bewusst, wozu er am Sonntag Ja gesagt hat. Gestern absolviert der designierte Bundespräsident seinen ersten öffentlichen Auftritt seit seiner Kandidatenkür am Sonntagabend im Kanzleramt. Es ist ein sehr ernster Anlass, Gauck nimmt an der Gedenkfeier für die Opfer der rechtsextremen Mordserie im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt teil. Im Anschluss trifft er im Türkischen Haus in Berlin-Schöneberg mit Angehörigen der Opfer zu einem Mittagessen zusammen.

Offiziell angekündigt ist der Termin auf Veranlassung des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir nicht, dennoch drängen sich deutsche und türkische Medien um die Fahrstuhltür im zweiten Stock des Kulturzentrums. "Keine Fragen, bitte, Herr Gauck ist hier als Gast", sagt der in dieser Woche eilig installierte Sprecher des Kandidaten, Andreas Schulze. Auch Sicherheitsbeamte bitten um Platz für Gauck, der noch gar kein Präsident ist. Aber der Kandidat für das höchste Amt im deutschen Staat bewegt sich seit der berühmten Taxifahrt am Sonntagabend und dem Anruf der Kanzlerin nicht mehr ohne Schutz durch Berlin.

Gauck tritt zusammen mit dem türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu aus dem Fahrstuhl und sieht sich der Wand aus Kameras gegenüber. "Ich bin hier als Bürger Gauck und will keine politischen Erklärungen abgeben", sagt er leise. Dann fasst er sich doch ein Herz und wendet sich den Mikrofonen zu. Er sei zu diesem Mittagessen eingeladen worden, da er mit seinem Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie" ein Deutschland repräsentiere, "das aufsteht, wenn sich die Rechten zusammenrotten". Der Verein, dessen Vorsitzender Gauck ist, widmet sich der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen.

Dann bittet Gauck, ihn nun doch bitte gehen zu lassen. Spricht's und verschwindet zusammen mit türkischen Parlamentariern und Angehörigen in einem Zimmer des Türkischen Hauses. Als er später an einem Tisch gemeinsam mit dem türkischen Botschafter Platz nimmt, gibt es wieder ein Blitzlichtgewitter. Gauck drückt viele Hände und blickt öfter unter sich.

Dem baldigen Staatsoberhaupt ist anzumerken, dass ihm der routinierte Umgang mit den Medien und dem Protokoll eines Präsidenten noch fremd ist. Aber für die Angehörigen ist seine Anwesenheit ein starkes, ein wichtiges Zeichen. Die Angehörige eines Mordopfers sagt, dieser Besuch und die Gedenkfeier zeigten ihr, "dass Deutschland unsere Trauer ernst nimmt".