Am Herrenteich herrscht Angst. Der Wehr neben der ehemaligen Claudiusmühle droht zu brechen. Die Anwohner verlassen ihre Häuser.

Reinfeld. Stormarns Norden meldet Land unter. Schneeschmelze und Regenfälle haben Äcker und Wiesen überflutet. Die Trave südwestlich von Reinfeld zeigt sich dieser Tage uferlos. In der Karpfenstadt spitzt sich die Hochwasserlage unterdessen weiter zu. Noch immer ist die Gefahr einer Flutwelle nicht gebannt, und der Wasserpegel steigt stündlich.

Die Menschen sind in Alarmbereitschaft. "Wir räumen jetzt unseren Keller leer und bringen alles in den ersten Stock unseres Hauses", sagt Kerstin Hartwig, die direkt an der Mühlenau an der Eichbergstraße wohnt. "Vieles kann ersetzt werden. Fotoalben und andere persönliche Dinge nicht", sagt die 46-Jährige und blickt dabei besorgt auf das braune Wasser, das durch die Mühlenau braust. "Unsere Nachbarn haben die Koffer gepackt und sind zu Bekannten gezogen, doch wir bleiben hier."

Um sich vor der Flut zu schützen, hat Hartwig Sandsäcke vor der Treppe gestapelt, die zum Keller führt. Außerdem hat ihr Mann Lorenz sämtliche Fenster und Türen des Untergeschosses mit Holzbrettern zugenagelt. Hilfe bekam die Familie von Mitarbeitern des Technischen Hilfswerks Bad Oldesloe, die im Hochwassergebiet Sandsäcke verteilt hatten.

Die Mitarbeiter des städtischen Bauhofes haben mit Sandsäcken einen Schutzwall vor der Kindertagesstätte an der Müllerwiese gebaut. "Mehr können wir nicht tun", sagt Reinfelds Wehrführer Torben Struck. "Jetzt können wir nur noch hoffen, dass die Spundwand oben an der Herrenteich-Baustelle dem Druck standhält." Reinfeld beugt vor: Der Bürgermeister hat die Bewohner tief liegender Häuser an der Mühlenau informiert und ihnen geraten, ihre Häuser zu verlassen. Die Kindertagesstätte an der Müllerwiese wurde evakuiert. Für die Kinder gibt es eine Notunterkunft in der Alten Schule an der Matthias-Claudius-Straße.

Anwohner rätseln, ob es so weit kommen musste. "Warum wurde die Spundwand nicht vor dem Tauwetter stabilisiert", fragt eine Reinfederin. "Es ist, wie es ist", sagt Bürgermeister Gerhard Horn: "Wir haben nicht damit gerechnet."

Wie berichtet, wird zwischen Herrenteich und Mühlenau ein neues Wehr gebaut. Währenddessen trennt eine Spundwand die beiden Gewässer. Durch das Tauwetter drücken nun Wassermassen gegen das Provisorium. Ein Bruch des Wehres wäre fatal: Das Wasser schösse durch den schmalen Fluss. Fachleute glauben, dass die Flutwelle dabei eine zerstörerische Kraft entwickeln könnte. Am Montagabend hatten THW-Helfer mit riesigen Sandsäcken die Spundwand stabilisiert. Doch das Wasser spülte sie hinweg.

Die Anwohner des bedrohten Gebietes hoffen nun, dass jetzt nicht ein Dauerregen einsetzt. Denn neue Wassermassen würden die Situation zuspitzen, den Druck auf die Spundwand zwischen Teich und Fluss weiter erhöhen. Dazu sagt Wehrführer Torben Struck: "Auch darf es jetzt nicht zu warm werden. Denn auch wenn noch mehr Schnee schmilzt, der noch auf den Feldern liegt, steigt der Wasserpegel weiter an."