Die musikalische Wurzeln von Rocker Hannes Bauer liegen in Stormarn. Am Mittwoch, den 16.05., spielt der Gitarrist von Udo Lindenberg in Trittau.

Trittau. Ein Blick zurück in das Jahr 1967: Beeinflusst von Elvis, den Beatles und den Rolling Stones haben viele Jugendliche nur ein Ziel vor Augen - Musiker werden und eine eigene Band gründen. Im beschaulichen Hoisbüttel, heute ein Ortsteil von Ammersbek, greift eines Abends der 15-jährige Hannes Bauer zu seiner Gitarre und schleicht auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Noch bevor die Haustür ins Schloss fällt, erhebt sich von drinnen die Stimme des Vaters. Den folgenden Appell kennt der Teenager schon in- und auswendig: "Junge, das wird doch nichts mit der Musik, mach' endlich mal etwas Vernünftiges!"

Doch auch Väter können sich mal irren - und geben es Jahrzehnte später auch zu. "Auf der diesjährigen Tournee mit Udo Lindenberg stand mein Vater plötzlich hinter der Bühne und flüsterte mir zu, es sei doch gar nicht so schlecht, was ich da mache", sagt der mittlerweile 60 Jahre Hannes Bauer.

Seit Ende der 1970er-Jahre ist Bauer als Leadgitarrist eine feste Größe in Udo Lindenbergs Panikorchester. Außerdem ist er mit seiner eigenen Band unterwegs, dem Orchester Gnadenlos. An diesem Mittwoch kommt er nach Trittau, um ab 21 Uhr die Kneipe Alter Bahnhof zu rocken. Inhaber Bernd Koppe freut sich drauf: "Klasse, dass so ein Mann bei uns auftreten will."

Glam Rock, Punk, Ska, Hip-Hop oder Techno - die zurückliegenden Jahrzehnte waren geprägt durch die unterschiedlichsten Musikrichtungen. Bauer blieb sich und seiner Musik treu, dem Bluesrock. Eine Musik, bei der musikalische und lyrische Elemente des Blues in einem schnelleren Rocktempo gespielt und um Gitarrensoli bereichert werden. "Unser Publikum ist in den Jahren mit uns gewachsen, auf den Konzerten überwiegen schon lange die grauen Köpfe und diejenigen, denen die Kopfhaut langsam durch die Haare wächst", sagt Bauer.

Der Startschuss zu seiner Karriere fiel 1972 mit der Band Woodville. "Da keiner von uns Englisch sprach, lallten wir uns irgendetwas zusammen, was annähernd so ähnlich klang. Aber bei dem damaligen Bierkonsum haben wohl weder wir noch das Publikum wirklich einen Unterschied gemerkt", sagt Bauer. Selbstkritisch räumt er aber auch gleich ein: "Ein Engländer im Publikum hätte allerdings vermutet, gerade die arabische Blues-Hitparade zu hören."

Mit der nächsten Gruppe TARZAN, die sich selbst als Hamburgs heißeste Beatband bezeichnete, kam die erste kleine Tournee zustande. "Mit einem fingierten Empfehlungsschreiben vom ZDF klapperte unser Bandleader die Veranstalter ab. Im Nu hatten wir an die 30 Gigs", sagt Hannes Bauer. "Natürlich" sei der gesamte Vorschuss schnell verprasst und dringend fällige Rechnungen nicht bezahlt worden. So half bei einem Auftritt nur der fluchtartige Abschied von der Bühne, um womöglich gefährliche Diskussionen mit einigen muskelbepackten Gläubigern zu vermeiden.

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Nach TARZAN kam die Gruppe Bock Rock - ein bisschen Hans Albers, viel Elvis und noch mehr Chuck Berry. Und vor allem "kubikmeterweise" Bier. "Bei Bock Rock habe ich das Musikmachen jenseits der Drei-Promille-Grenze gelernt. Manchmal wusste man am nächsten Tag nicht mehr, ob man überhaupt aufgetreten war oder nicht. An dem Geld in der Tasche konnte man es nicht erkennen, es war sowieso vertrunken oder verloren. Höchstens der Blick auf die von den Bierlachen aufgeweichten Cowboystiefel ließ einen gewisse Rückschlüsse ziehen", sagt Bauer.

Ende der Siebziger gab es eine Location auf der Hamburger Reeperbahn, die alle Nachtschwärmer wie ein Magnet anzog - das Chicago. Die Mädels, die gerade ihre Schicht beendet hatten, trafen sich mit den Jungs, die die schwere Arbeit des Abkassierens noch vor sich hatten. Musiker wie Eric Burdon, Rod Stewart, Inga Rumpf oder Gary Glitter waren Stammgäste.

"Eines Abends traf ich Steve Marriot, der nach den Small Faces mit der Gruppe Humble Pie gerade große Erfolge feierte", erzählt Bauer. "Wir wollten schnell noch ein paar Stücke zusammen spielen, also baute ich ihm eine meiner beiden Gitarren, die für mich als Linkshänder zurechtgemacht war, auf rechts um. Es ging höllisch ab." Es sei schon eine verrückte Zeit gewesen.

An einem Abend kam Konzertveranstalter Fritz Rau ins Chicago hineinspaziert, im Schlepptau den jungen Udo Lindenberg. Bauer griff zur Gitarre, Lindenberg setzte sich hinters Schlagzeug. "Meine erste Begegnung mit Udo, es funkte sofort zwischen uns, rein musikalisch natürlich", sagt Bauer. Seitdem begleitet der Gitarrist Lindenberg auf seinen Tourneen.

Etwa zur gleichen Zeit wurde die legendäre Drei-Mann-Band Bauer, Garn & Dyke gegründet, die im deutschsprachigen Raum größere Erfolge erzielen konnte. Doch auch die Mindesthaltbarkeitsdauer dieser Band war nur begrenzt. 1984 folgte Hannes Bauers Orchester Gnadenlos. Eine Band, die in Hamburg mittlerweile Kultstatus hat. "Wir fingen Mitte der 80er-Jahre an, am 30. Dezember in der Hamburger Fabrik zu spielen. Letztes Jahr hatten wir dort unseren 28. Auftritt in Folge", sagt Bauer nicht ohne Stolz.

Heute lebt der Musiker in Schorndorf (bei Stuttgart), der Geburtsstadt von Gottlieb Daimler. Er betreibt ein kleines Studio, mit einem befreundeten Berufsschullehrer komponiert er Jingles für Radiowerbung. Erinnerungen an seine Stormarner Zeit kommen spätestens dann hoch, wenn er seinen heute in Bad Oldesloe wohnenden Vater besucht: "Natürlich hat diese Zeit meine Jugend mitgeprägt. Leider gibt es in Ahrensburg und Umgebung die vielen Läden von früher nicht mehr. Aber ich freue mich, in Trittau wieder einmal in einem richtig kleinen Club zu spielen, diese Nähe zum Publikum ist purer Rock'n'Roll."