Für ein älteres Ehepaar waren es die schrecklichsten Minuten in seinem Leben. Drei Männer dringen gewaltsam in ihr Haus ein, die 89-Jährige wird zu Boden gestoßen, erleidet einen Oberschenkelhalsbruch.

Reinbek. Ihr 87 Jahre alter Mann wird geknebelt und im Gesicht verletzt. Die Beute des Trios: rund 200 Euro.

Einer der Täter, ein 34 Jahre alter Mann aus Kroatien, musste sich gestern vor dem Landgericht in Lübeck verantworten. Er wurde zu drei Jahren Freiheitsstrafe wegen gemeinschaftlichen Raubes verurteilt. Strafmildernd wirkte sich aus, dass er die Mittäter benannt hatte.

"Die Familie sollte in einem schwarzen Koffer viel Geld aufbewahren", sagt der Angeklagte Rade P., der mit Frau und vier Kindern 2004 nach Deutschland gekommen war und seitdem geduldet wird. Ein Asylantrag wurde abgelehnt. "Ich wusste genau, wie die Räume im Haus aussehen und wo ich nach diesem Koffer suchen musste", sagte der 34-Jährige. Natascha P., die im Juli 2008 bei dem Ehepaar als Pflegerin gearbeitet hatte, hatte den Tätern alles genau erklärt. Doch als Rade P. im Obergeschoss den Koffer öffnet, sieht er nur Papiere.

Rade P. soll Natascha P., die in Hamburg-Wilhelmsburg wohnt, erst am 24. März, zwei Tage vor der Tat, kennengelernt haben. "Ich wurde aus Eisleben von den beiden anderen Tätern abgeholt. Wir sind nach Hamburg in eine Disco gefahren und übernachteten in der Wohnung von Natascha. "Am nächsten Morgen sprach sie vom vielen Geld in dem Haus in Reinbek. Sie fragte mich, ob ich mitmachen wolle", sagt der Angeklagte, "es werde gerecht geteilt."

Die drei Männer fuhren zur Reeperbahn und kauften Sturmhauben. Am Donnerstag, 26. März, klingeln sie an der Haustür des Einfamilienhauses am Jahnckeweg in Reinbek. Die 89-Jährige öffnet die Tür nur einen kleinen Spalt. Sofort stößt ein Täter sie zu Boden, wirft sich auf sie und hält ihr den Mund zu. Klaus B., der im Wohnzimmer sitzt, hört den Lärm und will zu seiner Frau, doch ein zweiter Räuber drückt ihn in den Sessel und hält ihm den Mund zu. Dabei wird die Zahnprothese verbogen. Währenddessen läuft Rade P. direkt zum Koffer ins Obergeschoss.

Als der Täter versucht, Klaus B. mit Klebeband zu fesseln, löst er den Hausnotruf-Sender aus, den der Rentner um den Hals unter seiner Kleidung trägt. Rade P., der im Obergeschoss rund 200 Euro in einem Portemonnaie findet, hört plötzlich eine Frauenstimme: Eine Mitarbeiterin des DRK-Notrufs meldet sich über eine Sprechanlage im Schlafzimmer. Die drei Räuber laufen hinaus, flüchten mit einem weißen Lieferwagen.

"Mehrere Zähne im Unterkiefer mussten später entfernt werden, die Wunde an der Oberlippe wurde am nächsten Tag genäht", sagte Klaus B. gestern. Der gebrechlich wirkende Mann stützt sich auf einen Gehstock, sein Sohn hilft ihm. "Ich habe nie Geld in dem schwarzen Koffer aufbewahrt", sagt der 87-Jährige mit leiser Stimme: "Seit dem Krieg bewahre ich dort sämtliche wichtige Dokumente auf."

Rade P. hält seine Hände in diesem Moment an der glänzenden Stirn und schüttelt mit dem Kopf. Wenig später entschuldigt er sich bei dem Rentner: "Ich wollte nicht, dass Ihnen und Ihrer Frau etwas passiert." Der 87-Jährige nimmt diesen Satz regungslos auf.

Zwei 17-Jährige, die die flüchtenden Räuber beobachtet hatten, brachten die Kripo auf die richtige Spur. Sie hatten sich Teile des Kennzeichens gemerkt. Die Ermittler fanden zudem die Handynummern der Täter heraus, da sich die Telefone in Tatortnähe in die Funkzelle eingeloggt hatten. Mehrere Monate wurde das Handy von Rade P überwacht. Außerdem hatte der Kroate seine Taschenlampe im Haus liegen lassen. Die Fahnder fanden daran DNA-Spuren- ebenso wie an der Sturmhaube, die P. rund 500 Meter vom Tatort weggeworfen hatte. Im August wurde Rade P. verhaftet. 2004 musste er eine zweijährige Haftstrafe wegen Diebstahls und Geldfälschung verbüßen. 2006 wurde er zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft wegen Wohnungseinbruchs verurteilt. Ein Komplize, ein Serbe (23), sitzt in Untersuchungshaft. Der dritte Täter wurde in Bulgarien festgenommen. Das Auslieferungsverfahren läuft.