Streik

Darum bleiben Stormarner Apotheken Mittwochnachmittag zu

| Lesedauer: 6 Minuten
Filip Schwen und Christopher Mey
Britta Krumstroh betreibt zwei Apotheken in Ahrensburg und Lütjensee. Am Mittwoch wird sie ihre Geschäfte für einen halben Tag schließen.

Britta Krumstroh betreibt zwei Apotheken in Ahrensburg und Lütjensee. Am Mittwoch wird sie ihre Geschäfte für einen halben Tag schließen.

Foto: Filip Schwen

Bundesregierung plant Finanzreform bei Krankenkassen. Kommt das Gesetz, würde das viele Betriebe empfindlich treffen.

Ahrensburg/Reinfeld.  Am Montagnachmittag herrscht in der Schloss-Apotheke an der Großen Straße in Ahrensburg reger Betrieb. Ständig gehen Kunden ein und aus, wollen Rezepte einlösen, bestellte Medikamente abholen oder auch nur einen Rat. Ein untrügliches Zeichen, wie groß der Bedarf an Service, Dienstleistung, Beratung und manchmal auch netten Gesprächen ist. Doch das alles ist aus Sicht von Inhaberin Britta Krumstroh in Gefahr. Deshalb hat sich die Apothekerin wie Hunderte Kollegen entschieden, am Mittwoch zu streiken.

Um 12 Uhr wird Krumstroh, die auch die Lütjensee-Apotheke in der gleichnamigen Gemeinde führt, ihre beiden Geschäfte schließen. Sie folgt damit dem Aufruf der Apothekerkammer Schleswig-Holstein an ihre Mitglieder, landesweit für einen halben Tag in den Ausstand zu treten. Parallel findet die Aktion auch in Hamburg, im Saarland und in Brandenburg statt. „Ich halte das für wichtig, in dieser Zeit ein Signal zu senden, dass es so nicht geht“, sagt Krumstroh.

Apotheken in Stormarn bleiben am Mittwochnachmittag geschlossen

In Stormarn beteiligt sich nach Angaben von Jochen Triepel, beratender Apotheker des Kreisverbands Stormarn der Apothekerkammer, ein Großteil der Apotheken an der Aktion. „Ausgenommen sind die Notdienst-Apotheken“, sagt er. Die Branche richtet ihren öffentlichen Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Denn am Tag darauf, dem 20. Oktober, steht im Bundestag die Finanzreform der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) auf der Tagesordnung. Eine Mehrheit dürfte sicher sein.

Für Apotheker hätte das Folgen, wie Triepel erklärt. Denn unter anderem soll der Abschlag erhöht werden, den er und seine Kolleginnen sowie Kollegen an die GKV leisten – um 23 Cent auf 2,00 Euro pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel. Das klingt nicht nach viel Geld. Aber in der Summe sieht das anders aus. Eine Rechnung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) besagt: Eine durchschnittliche Apotheke verkauft jährlich rund 34.000 Medikamente – der Gewinnrückgang: 6500 Euro.

Steigende Energiekosten und höhere Tariflöhne belasten die Apotheken

Größere Standorte kommen auf 60.000 Arzneimittel – das wären schon 11.400 Euro weniger. Und im Gegenzug wurde der Fixzuschlag seit 2013 nicht mehr angepasst – dieser steht bei 8,35 Euro. „Das passt nicht in eine Zeit, in der Heiz- und Energiekosten steigen und auch gerade erst die Tariflöhne für die Angestellten in den Apotheken angehoben wurden“, sagt Triepel, der die Neue Apotheke an der Paul-von-Schoenaich-Straße in Reinfeld betreibt. 2022 und 2023 steigen die Tariflöhne der Angestellten um 7,7 und 3,0 Prozent. Dabei möchte Triepel nicht falsch verstanden werden: „Meine Mitarbeiter und auch die vieler Kollegen haben lang auf eine Gehaltserhöhung gewartet, sie verdienen das“, sagt er.

Noch immer sei das Bild von Apothekern verbreitet, die sich eine goldene Nase verdienten. Dem möchte der Reinfelder entgegentreten, wird deshalb während des Streiks am Mittwochnachmittag vor Ort sein, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Es gibt natürlich Kollegen, die gut verdienen, aber das ist nicht die Regel“, sagt der 78-Jährige, der seit rund 50 Jahren Apotheker ist. Die meisten Betriebe kämpften mit ein oder zwei Mitarbeitern ums Überleben. „Gerade auf dem Land ist das Apothekensterben real“, sagt er. Dazu machten Versandapotheken den Traditionsbetrieben zu schaffen.

Kunden müssen im Notfall immer weitere Wege zurücklegen

Die ABDA sagt: In der Bundesrepublik gibt es pro 100.000 Einwohner 22 Apotheken – der EU-Schnitt liegt bei 32. „Eine andere Folge ist, dass immer weniger Apotheken die Notdienste übernehmen müssen, was nicht nur die Belastung für uns erhöht, sondern auch dazu führt, dass Kunden im Notfall immer weitere Wege zurücklegen müssen“, so Triepel.

In Ahrensburg, wo Britta Krumstroh die Schloss-Apotheke betreibt, haben in den vergangenen Jahren bereits zwei Apotheken aufgegeben. Für sie ist die Debatte um die Höhe der Abschläge auch eine Frage der Wertschätzung. „Meine Mitarbeiterinnen haben in den vergangenen Jahren Außergewöhnliches geleistet“, sagt sie mit Blick auf die Corona-Pandemie.

Pandemie und zusätzliche Aufgaben haben die Mitarbeiter stark belastet

Während andere Branchen ihre Arbeitnehmer ins Homeoffice hätten schicken können, hätten die Apothekerinnen und Apotheker und ihre Mitarbeiter weiterhin jeden Tag geöffnet, trotz Infektionsgefahr. Und sie hätten sogar noch zusätzliche Aufgaben übernommen, etwa das Testen und zuletzt das Impfen. „All das zehrt an einem“, sagt Krumstroh.

Die geplante Abschlagserhöhung erscheine da wie ein Anachronismus. „Es geht nicht darum, dass irgendjemand mehr Geld möchte, es kann aber nicht sein, dass uns von dem, was wir bekommen, noch mehr weggenommen wird“, sagt Krumstroh. Schließlich müssten auch Apotheken wirtschaftlich arbeiten, um zu überleben. Die Branche sei nicht der Erfüllungsgehilfe der Krankenkassen.

Apotheker sehen durch die Novelle die Nachwuchsgewinnung in Gefahr

Krumstroh sieht, kommt die Gesetzesänderung durch, auch die Nachwuchsgewinnung in Gefahr. „Auch wenn es oft anders dargestellt wird, zählen die Apotheken nicht zu den Bereichen, die besonders hohe Löhne zahlen“, sagt sie. Die Novelle der Abschläge sei beim Werben um junge Kollegen für die Berufe des Apothekers oder der Pharmazeutisch-Technischen Assistentin (PTA) kontraproduktiv. Das sieht auch Jochen Triepel so. „So geht es vielen Kollegen, am Ende verschwinden die Apotheken“, sagt er. Er selbst wolle deshalb weitermachen, „solange es geht“.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Ahrensburg