Lüneburger Studenten sehen Horneburgs Zukunftschance statt im Fremdenverkehr in neuen Wohngebieten. Sie prüften den Ort auf seine Vorteile.

Horneburg. Ein warmer Juliabend, 19 Uhr, in Horneburg: Ein schwarzer Audi mit Hanauer Kennzeichen fährt langsam durch die verkehrsberuhigte, menschenleere Lange Straße, Horneburgs Hauptflaniermeile. Der Fahrer blickt Hilfe suchend nach draußen, offenkundig auf der Suche nach einem Ansprechpartner. "Ist das hier die Ortsmitte?" ruft er schließlich einem älteren Herrn zu, der unter einem Baum auf einer Bank sitzt. Die Szene ist symptomatisch. In seiner Sandwichlage zwischen Stade und Buxtehude, im Schatten des Alten Landes tut sich Horneburg selbst in der Hauptsaison schwer, Touristen in den Ort zu locken. Das zu ändern, darum bemüht sich die Samtgemeinde seit geraumer Zeit, hat sich dazu auch Hilfe von außen geholt. Seit Mai untersucht eine Gruppe von Studenten der Lüneburger Leuphana-Universität um ihren Dozenten Martin Pries in einem mit EU-Mitteln geförderten Projekt, wie sich die Region touristisch aufwerten lässt - was fehlt, was getan werden könnte, um mehr Besucher in die Samtgemeinde zu locken.

Ihre Ergebnisse hat die junge Forschungsgruppe jetzt dem Samtgemeinderat vorgestellt. Das Fazit ihrer Analyse fällt ernüchternd aus: Im Schatten des Alten Landes und der touristisch ebenfalls stark aufgestellten Städte Stade und Buxtehude hat Horneburg als eigenständiger Tourismus-Standort kaum eine Chance und obendrein Nachholbedarf bei der Außendarstellung seiner vorhandenen Pluspunkte. Selbst den Geestort Harsefeld mit seinem historischen Klosterhof, seiner guten Beherbergungsstruktur mit vier Hotels und einem vielfältigen Angebot an Ferienwohnungen sehen die Studenten touristisch besser aufgestellt als Horneburg. Hier gibt es kein einziges Hotel, und von den 15 Ferienwohnungen seien viele als solche gar nicht zu erkennen. "Im Beherbergungsgewerbe müsste sich einiges tun", sagt Pries.

Angeschaut haben die Studenten so gut wie alles, was Horneburg an potenziellen Anziehungspunkten zu bieten hat. Das alte Schloss etwa wäre ein perfekter Standort für ein Themenhotel, meint Studentin Gina Sennewald. Ein Fahrradhotel wäre dort gut angesiedelt, oder ein Krimihotel, in dem die Gäste in eine fiktive Handlung einbezogen würden, sagt sie. Dass sich Derartiges verwirklichen ließe, sei aber unwahrscheinlich, da das Haus im Privatbesitz ist und der Besitzer bisher kein Interesse signalisiert habe.

+++ Kommentar: Punkten mit den stillen Reizen +++

Verworfen haben die Studenten auch die Idee, den Turm im Freizeitpark Nottensdorf zum Kletterturm umzuwandeln. Mit seinen 28 Metern wäre der dann zwar der höchste in der Region. Aber auch ein solcher Kletterturm, der obendrein hohe Kosten nach sich ziehen würde, würde kaum Besucher von außerhalb anziehen, zumal in Buchholz und Wilhelmsburg bereits Klettertürme stehen, resümiert Pries. "Für die existierenden Freizeitangebote würde kein Hamburger extra nach Horneburg kommen." Dringend rät er auch davon ab, das ökologisch sensible Auetal touristisch zu entwickeln.

Für Horneburgs künftige Entwicklung hat das Leuphana-Team eine andere Vision: Statt auf Biegen oder Brechen in touristische Attraktionen zu investieren, sollte die Samtgemeinde besser ihre vorhandenen Stärken ausbauen und auf die eigene Bevölkerung setzen.

"Für die existierenden Freizeitangebote würde kein Besucher aus Hamburg extra nach Horneburg kommen" - Martin Pries, Leuphana-Dozent

In der Weiterentwicklung zum attraktiven Wohnstandort sehen die jungen Planer großes Potenzial. Hier habe Horneburg bereits viel zu bieten. In den Ortschaften der Samtgemeinde mit ihren vielen verkehrsberuhigten Zonen gebe es bereits jetzt eine hohe Wohnqualität und gute Freizeitangebote. Die gute Verkehrsanbindung an die S-Bahn biete die Chance, Horneburg ökologisch verträglich als Wohnstandort weiter auszubauen, sagt Pries. Er empfiehlt der Kommune, auf verhaltenen Zuzug zu setzen - auch, um die gute Infrastruktur der Samtgemeinde, zum Beispiel bei Schulen, langfristig erhalten zu können. Der 55 Jahre alte Geograf und Kulturlandschaftsforscher sieht viele geeignete Flächen für mögliche neue Wohngebiete. "Horneburgs Stärke liegt in der Gemeinschaft. Hier gibt es so viele Vereine, deshalb wäre unser Vorschlag, dieses Gemeinschaftsleben weiter zu stärken."

Horneburgs Politiker müssen sich nun überlegen, wie sie mit diesen Erkenntnissen umgehen wollen. Samtgemeindebürgermeister Gerhard Froelian hat eine Bemerkung von Studentin Gina Sennewald zu denken gegeben. Sie hatte bereits beim ersten Rundgang im Ort gesagt, sie könne sich nicht vorstellen, ihre Freunde für einen Urlaub in Horneburg zu gewinnen, erinnert sich Froelian. "Das muss man ernst nehmen und realistisch wahrnehmen."