Freilichtmuseum: Die Museumsbrennerei produziert “Kulinarische Boschafter“ des Landes - und experimentiert jetzt sogar mit Whisky.

Das Wort Schnaps kommt dem Chef der kleinen Museumsbrennerei nicht über die Lippen. Jedenfalls nicht, wenn es um Hochprozentiges aus eigener Produktion geht. Schnaps, sagt Stefan Seufert, das klinge irgendwie nach billigem Fusel. Und damit habe ein im Eschenholzfass gereifter Brand aus der Herstellung des Freilichtmuseums am Kiekeberg nichts zu tun. Dieser spiele in einer anderen Liga, sei ein Genussmittel wie Whisky oder Cognac.

Das sieht Niedersachsens Landwirtschaftminister auch so: Gerd Lindemann hat jetzt im dritten Jahr hintereinander einem Kornbrand aus der Produktion des Freilichtmuseums den Titel "Kulinarischer Botschafter Niedersachsen" verliehen. Nur 36 Lebens- und Genussmittel, die eine Fachjury jedes Jahr auswählt, dürfen sich so nennen. In diesem Jahr ist es ein Haferband, den die Museumsbrennerei unter der eigenen Marke "Edle Ernte" vermarktet.

Jedes Jahr packt Niedersachsens Ministerpräsident eine Auswahl der "Kulinarischen Botschafter" zu einer Genussbox zusammen. Wenn der Regierungschef im Sommer durch das Land tourt, ist die Box sein Gastgeschenk an Unternehmer, Künstler oder Prominente.

Bei der Sommertour in diesem Jahr gehört der Kornbrand vom Kiekeberg zwar nicht zu den Mitbringseln von Ministerpräsident David McAllister, sagt Michael Marquardt von der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft. Es sei aber wahrscheinlich, dass McAllister den Haferbrand bei anderen Anlässen verschenken werde. Im vergangenen Jahr steckte in jeder Genussbox die "Edle Ernte", damals ein Buchweizenbrand. Und so kam Erbprinz Ernst-August von Hannover zu einer Flasche des ausgezeichneten "Rachenputzers".

Was macht die Spirituosen aus der kleinen Museumsbrennerei so besonders? Da ist vor allem Dieter Koch, der Brennmeister. Der Erfahrungsschatz des 71-Jährigen dürfte unbezahlbar sein. Er ist mit dem Kornbrandduft aufgewachsen: Sein Vater und sein Opa in Oberschlesien waren bereits Brennmeister. Damals, sagt er, habe fast jedes Dorf eine eigene Brennerei gehabt.

Dieter Koch kennt die Technik der alten Museumsbrennerei aus dem Jahr 1926 wie kein Zweiter. Die Anlage ist dieselbe, mit der er früher in Salzhausen die Traditionsmarke "Haidmärker" gebrannt hatte. Im Jahr 2000 übernahm das Freilichtmuseum am Kiekeberg die ausrangierte Brennerei. Dieter Koch baute sie selbst wieder auf. Seit 2006 ist sie wieder in Betrieb. Die Museumsbrennerei darf heute exklusiv den "Haidmärker" produzieren. Die Berentzen-Gruppe hatte die Rechte erworben, aber kein Interesse daran, die Marke wieder zu beleben. Der deutsche Schnaps-Gigant überließ die Rechte dem winzigen Zwei-Mann-Unternehmen am Kiekeberg.

Die Unternehmensphilosophie der Museumsbrennerei ist eine andere als die in der Industrie - und hat unmittelbaren Einfluss auf den Geschmack: "Wir wollen das Aroma konzentrieren", erklärt Stefan Seufert, "uns geht es um das Riechen und Schmecken." Spirituosen zu brennen, wird so zu einer musealen Aufgabe: "Wir vermitteln, wie die Traditionsmarke Haidmärker vor 60 Jahren geschmeckt hat", sagt Seufert. Das Aroma würde es sonst nämlich gar nicht mehr geben.

Wie einen guten Whisky lässt Dieter Koch seinen Kornbrand langsam reifen: "Wir brennen 13 bis 14 Stunden, die Industrie eineinhalb Stunden", sagt er. So habe er ein größeres Zeitfenster, auf dem Geschmack Einfluss zu nehmen. Anschließend reift der Kornbrand ein halbes Jahr im Fass, nimmt so Geschmack vom Holz auf. Koch schwört dabei auf Eschenholz, weil es schon sein Großvater so gemacht habe. "In der Industrie", sagt der Museumsbrennmeister, "sieht der Alkohol kein Holz.

Auch die goldgelbe Farbe des Haferbrandes geht auf den Reifeprozess im Holzfass zurück. Und einen guten Tipp für Genießer hat er auch noch: Viele würden Kornbrand eiskalt aus dem Kühlschrank trinken. Das sei falsch: "Mein Kornbrand", sagt Dieter Koch, "kommt am besten bei Zimmertemperatur zur Geltung." Etwa 30 000 Brennereien gibt es in Deutschland. 90 Prozent davon seien kleine Anlagen in Bayern und Baden-Württemberg. Etwa 5000 bis 6000 Flaschen der Marke Haidmärker produziert die Museumsbrennerei pro Jahr. Dazu kommen etwa 1000 Flaschen der eigenen Marke "Edle Ernte". Davon entfallen 250 auf den aktuellen Kulinarischen Botschafter Niedersachsen, den Haferbrand. Gewinn macht die Zwei-Mann-Brennerei, in der selbst jedes Etikett in Handarbeit ausgeschnitten und an den Flaschenhals gebunden wird, nicht. "Wir sind aber deutlich auf dem Weg dahin", sagt der Betriebsleiter zufrieden.

Der Markt sei schwierig. Deshalb entwickeln Stefan Seufert und Dieter Koch ständig neue Produktideen. Der nächste mögliche Kulinarische Botschafter aus der Kiekeberg-Produktion reift zurzeit schon im Keller der Museumsbrennerei heran: ein Dinkelbrand. "Dinkel", so Stefan Seufert, "ist ein angesehenes Getreide und gerade im Trend."

Ein weiterer Marketing-Coup wird voraussichtlich in vier Jahren so weit sein: Dann ist der Whisky reif, den Brennmeister Dieter Koch angesetzt hat. Die Erwartungen sind groß: Sogar eine Vorbestellung für ein Fass hat Stefan Seufert bereits - obwohl niemand weiß, wie die neue Whiskey-Sorte überhaupt schmeckt. Gibt es schon einen Namen? "Whiskyberg", witzelt Stefan Seufert.