Stader Drogenhändlerring: Seit Oktober 2010 wurde in Stade an 73 Tagen verhandelt. Der wichtige Kronzeuge hat noch nicht ausgesagt.

Stade. Der Prozess gegen zwei Stader Drogenhändlerringe ist einer der umfangreichsten, die es jemals am Landgericht Stade gegeben hat. Zehn junge Männer sitzen auf der Anklagebank, umringt von 20 Verteidigern. Mit dem 73. Verhandlungstag endete jetzt der Sitzungsmarathon für dieses Jahr. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Das ist schlecht für den Steuerzahler. Schließlich kostet ein Sitzungstag die öffentliche Hand bis zu 15 000 Euro.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind klar. Zum ersten werden sieben junge Männer beschuldigt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, in der Zeit von März 2009 bis Januar 2010 in Stade mit Marihuana gehandelt zu haben. Zum zweiten sind drei weitere junge Männer angeklagt. Sie sollen zwischen Anfang 2008 und März 2010 in Stade als Bande mit Drogen gehandelt haben.

Ihnen wird vorgeworfen, in sechs Fällen in einem Waldstück bei Bokel, Drogen von einem niederländischen Lieferanten gekauft zu haben, um diese dann selbst weiterzuverkaufen. Versteckt in einem Autoreifen sollen ihnen laut Staatsanwaltschaft sowohl Marihuana als auch Kokain in großen Mengen übergeben worden sein.

Ursprünglich handelte es sich um zwei unterschiedliche Verfahren. Sie werden allerdings gemeinsam verhandelt, weil in beiden Verfahren derselbe Hauptbelastungszeuge auftritt. Dieser wurde allerdings auch nach 73 Verhandlungstagen noch nicht gehört. Wann der Kronzeuge zum ersten Mal geladen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner der Prozessbeteiligten mit Sicherheit sagen.

+++ Geständiger drohte mit Selbstmord +++

+++ Kronzeuge unter Verdacht +++

+++ Bodyguards für die Staatsanwältin +++

Der Steuerzahler muss jedoch für jeden Verhandlungstag tief in die Tasche greifen. Relativ genau lassen sich die Kosten für die Verteidigung beziffern. Derzeit sitzen sechs der Angeklagten in Untersuchungshaft. Ihre zwölf Verteidiger erhalten 263 Euro pro Tag. Wenn der Sitzungstag länger als fünf Stunden dauert, was nicht ungewöhnlich ist, erhalten sie weitere 108 Euro. Die acht Verteidiger der vier Angeklagten, die nicht in Untersuchungshaft sitzen, bekommen 216 Euro und weitere 108 Euro, wenn es länger als fünf Stunden dauert. Zudem bekommen die Verteidiger ihre Auslagen erstattet, beispielsweise für Fahrtkosten.

Einige der Verteidiger reisen aus Hamburg, Bremen, Bremerhaven oder Berlin an. Hinzu kommen die Kosten für die Staatsanwälte, Richter und Schöffen. Die Angeklagten müssen aus ihren Gefängnissen nach Stade gebracht und bewacht werden. Zudem muss im Gerichtssaal für Sicherheit gesorgt werden und am Eingang gibt es eine Sicherheitsschleuse, in der jeder Zuhörer durchsucht wird. Insider schätzen die Gesamtkosten für einen Verhandlungstag daher auf mindestens 15 000 Euro. Doch warum zieht sich der Prozess so in die Länge? Für die Verteidiger ist ein großes Problem, dass zwei große Verfahren zu einem Riesen-Verfahren zusammengefasst wurden. "Das ist ein erhebliches Problem. Es hat zu einem Verfahren geführt, was kaum zu handeln ist", sagt der Buxtehuder Rechtsanwalt Lorenz Hünnemeyer. Dieser Prozess bringe Justiz, Staatsanwaltschaft und Verteidigung an die Belastungsgrenze.

Der nächste Verhandlungstag ist am 10. Januar. Ab dann soll an drei Tagen in der Woche verhandelt werden. "Das ist auch für die Verteidiger kaum leistbar", sagt Hünnemeyer. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft haben jedoch gerade die Verteidiger großen Anteil daran, dass sich der Prozess dermaßen in die Länge zieht. "Er ist geprägt von zahlreichen Störmanövern der Verteidigung, die an der Grenze des Erträglichen sind", sagt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade.

Nach Angaben des Stader Landgerichts seien bislang weit mehr als 100 Anträge gestellt worden. So habe es beispielsweise allein fünf Befangenheitsanträge gegen die zuständige Strafkammer oder einzelne Mitglieder gegeben. Verteidiger Hünnemeyer wehrt sich gegen die Vorwürfe. Da es keine zweite Tatsacheninstanz gebe, müssten Anträge sofort gestellt werden. Außerdem: "Wir müssen Anträge stellen, um Inhalte des Verfahrens ins Hauptverhandlungsprotokoll zu bekommen", sagt Hünnemeyer.

Dabei gehe es darum Grundlagen zu schaffen, um ein späteres Urteil möglicherweise anzufechten. Ansonsten würde im Protokoll oftmals lediglich stehen, der Zeuge habe zur Sache ausgesagt, erklärt Hünnemeyer. Der Buxtehuder Rechtsanwalt Lars Zimmermann ergänzt: "Wir werden für ein kurzes Verfahren kein unangemessenes Urteil in Kauf nehmen."