Das Abendblatt stellt Bürger des Landkreises vor, die auf das Jahr zurückblicken - mal persönlich, mal politisch und mal ganz allgemein.

Stade. Das Dressur-Derby in Klein-Flottbek liegt der Familie Keller. Acht Jahre nach ihrem Vater Dolf-Dietram hat in diesem Jahr auch Kathleen Keller das prestigeträchtige Reitturnier für sich entscheiden können. Mit ihren gerade mal 21 Jahren ist die Harsefelderin dabei die jüngste Derby-Siegerin aller Zeiten.

Der Weg dorthin steckte, wie es sich für ein Spitzensportereignis gehört, voller Spannung und Dramatik. Nach der Qualifikation war Kathleen Keller achtbare Fünfte und damit eigentlich schon bei der Erfüllung ihrer Erwartungen. "Ein fünfter Rang wäre schon ein Riesenerfolg gewesen", erinnert sich die junge Reiterin lächelnd. "Ins Finale kam ich dann wirklich etwas überraschend als Nachrückerin."

Gleich drei der ersten vier Reiter verweigerten den Start im Finale. Grund dafür war der ungewöhnliche, aber traditionelle Modus des Derbys. Jeder der drei Finalisten muss jeweils auf seinem eigenen und den Pferden der Kontrahenten ins Viereck. Darauf wollten sich zwei der eigentlichen Finalisten nicht einlassen. Darunter auch Mannschaft-Olympiasieger Hubertus Schmidt, der zugab, die Ausschreibung nicht gründlich genug gelesen zu haben. "Die Situation ist in Klein-Flottbek schon sehr besonders. Man hat nur fünf Minuten Zeit, um sich auf das neue Pferd einzustellen", erklärt Keller. Umso höher muss man deshalb ihre reiterische Leistung bewerten.

+++Menschen des Jahres 2011+++

Wenn man ihre Kindheit betrachtet, wundert der Erfolg keineswegs. Beide Eltern sind Reiter und besitzen eine eigene Pferdezucht. "Ich bin schon mein ganzes Leben Reiterin", lacht Kathleen Keller. Angefangen hat sie dabei gleich mit ihrer heutigen Königsdisziplin, dem Dressurreiten. "Ich hatte früher große Angst vor dem Springen", erinnert sich die Harsefelderin heute. "Die Freude daran kam erst einige Jahre später." Heute tritt sie regelmäßig auch bei Springturnieren an. In Klein-Flottbek war sie sogar als einzige Teilnehmerin für beide Disziplinen gemeldet und wurde bei den Amateuren sogar mehr als achtbare Vierte.

Fragt man die 21-Jährige bei all den Erfolgen nach ihren sportlichen Vorbildern, bekommt man eine sehr ungewöhnliche Antwort. "Meine Eltern waren immer meine Idole. Wenn ich mal so gut reiten kann wie sie, bin ich glücklich", erklärt Kathleen ohne Zögern.

Ihr Vater Dolf-Dietram war mehrfacher deutscher Meister und hat als Trainer zahlreiche Weltmeister und Olympiasieger ausgebildet. Mutter Manuela ist selbst noch aktive Turnierreiterin und dabei auch schon mal die Konkurrentin der eigenen Tochter. "Gegen meine Mutter zu reiten, ist gar nicht so schlimm. Die Bessere gewinnt einfach. Streit am Abendbrotstisch gibt es keinen", erklärt Kathleen mit einem Augenzwinkern.

Dort gibt inzwischen sowieso ein ganz neues Thema. Seit September studiert die 21-Jährige nämlich Wirtschaftspsychologie in Hamburg und dass, obwohl sie eigentlich auch gut von der Berufsreiterei leben könnte. "Ich wollte einfach noch mal etwas anderes machen. Nach dem ersten Semester kann ich nur sagen, es hat sich gelohnt. Wirtschaftspsychologie ist wirklich spannend." Ein Fach fernab des Reitsports zu studieren, war dabei eine bewusste Entscheidung. Biologie oder Pferdewissenschaft kam nie infrage, ihre Schwerpunkte sind stattdessen Marketing und Personalwirtschaft. "Egal wie es weiter geht, schaden kann das Wissen nicht. Auch wenn ich später mal meinen eigenen Stall führen sollte, brauche ich solche Dinge. Auf der anderen Seite ist auch die Karriere bei einem Unternehmen eine Option, die ich mir offen halten möchte".

Vor dem Studium hatte sich Kathleen Keller ein Jahr lang nur auf das Reiten konzentriert. "Ich war in dieser Zeit neun bis zehn Stunden am Tag im Stall, heute sind es meist nur drei", erklärt sie. Leistungssport und Universität unter einen Hut zu bringen, sieht sie trotzdem nicht als Problem. In der Klausurenphase verbringt sie selbstverständlich viel mehr Zeit in der Bibliothek und in Lerngruppen. In dieser Zeit werden ihre drei Pferde auch mal von den Eltern bewegt und gepflegt. Das ist enorm wichtig, immerhin sind Turnierpferde keine reinen Sportgeräte, sondern Lebewesen mit Bedürfnissen. Ein Umstand, auf den man bei Familie Keller viel Wert legt.

"Meine Pferde dürfen das ganze Jahr zwei Mal pro Tag auf die Weide. Zusätzlich werden sie täglich bewegt, entweder im Training oder zur Entspannung beim Longieren", erklärt Kathleen. "Außerdem gehe ich mit allen drei auch ins Gelände." So viel Mühe, ein Pferd auch Pferd sein zu lassen, macht sich sicher nicht jeder im Reitsport. Dass ihre Eltern sie dabei bedingungslos unterstützen, ist ein Luxus, den sie nicht missen möchte. "Ich muss in den Semesterferien noch ein Praktikum machen und in dieser Zeit schaffe ich es wahrscheinlich nur am Wochenende in den Stall."

Ab Mai wird sich die Situation dann wieder ändern. Während der Derby-Saison muss wohl eher die Universität zurückstecken. Dann startet Kathleen Keller nämlich erstmals bei den Erwachsenen und muss sich dort neu behaupten. Auch einen festen Turnierplan hat sie dann nicht mehr. "Anfang des neuen Jahres werde ich zusammen mit meinen Eltern überlegen, bei welchen Turnieren ich starte." Nur ein Termin steht dabei selbstverständlich schon fest, das Dressur-Derby von Klein-Flottbek.

Geht es mit dem sportlichen Erfolg so weiter, sind sicherlich auch höhere Ziele nicht ausgeschlossen. Mit einem Platz unter den Top 10 der deutschen Dressurreiter rückt die Olympia-Qualifikation in greifbare Nähe. Denn die ersten vier Reiter gehören automatisch zur Nationalmannschaft. Eine Möglichkeit, über die auch schon Kathleen Keller nachgedacht hat, auch wenn sie zugibt, dass das natürlich erst mal nur ein vager Traum ist.

"London im nächsten Jahr käme sicherlich viel zu früh, aber vielleicht klappt es ja 2016 in Rio de Janeiro", lacht die 21-Jährige. Ob dieses Ziel wahr wird, hängt natürlich auch stark davon ab, ob das nächste Jahr ähnlich erfolgreich wird wie 2011. Zu wünschen wäre es der sympathischen Reiterin allemal. Einen Olympiateilnehmer gab es schließlich auch in der Familie Keller noch nicht. (abendblatt.de)