Menschen des Jahres: Horst Deede und Henning Münnecke haben mit ihren Parteiaustritten Stades Politik aufgemischt

Stade. Er sorgte für den ersten Paukenschlag in Stade: Horst Deede. Als der 66 Jahre alte Wiepenkathener Ratspolitiker nach 38 Jahren Parteizugehörigkeit im Mai aus der CDU austrat und parteilos wurde, wurden die Mehrheitsverhältnisse in Stade ein erstes Mal durcheinander gewürfelt. Kaum waren die Ausschüsse neu geordnet, sorgte Henning Münnecke für den zweiten Paukenschlag. Mitte November trat er bei den Stader Grünen aus und wechselte zur CDU. Damit wurden die Machtverhältnisse erneut durcheinandergewirbelt. Beide Parteiaustritte waren für viele überraschend. Dabei hatte sich seit Jahren abgezeichnet, dass sich die Politiker in ihren Partei schon länger nicht mehr wohl fühlten.

Deede ist ein Macher. Ein Mann, der nicht lange um den heißen Brei herumreden will, sondern praktisch handeln. Er setzt auf die Dinge des Lebens, die die Bürger gern haben möchten und die keinen großen Aufwand bedeuten, sondern unkompliziert umzusetzen. Die Bürger haben ihm jahrzehntelang vertraut. Sie wussten, dass Deede zuverlässig ist. Wenn der seit 1972 im Wiepenkathener Ortsrat und seit 1981 im Stader Rat sitzende Fleischermeister sagt, er kümmert sich um etwas, dann macht er das auch. "Meine Partei hat mir aber immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen", sagt Deede.

Angefangen hatte alles 1996 mit einem einfachen Wanderweg, der nach Schwinge führen sollte. Das Projekt, eigentlich eine Lappalie, wurde immer wieder von CDU-Politikern torpediert. Dann war da die Diskussion um die zukünftige Nutzung und Gestaltung des Wiepenkathener Sportheimes. Deede wurde von der CDU vorgeworfen, die Bürger gegen die Partei aufgewiegelt zu haben, weil er ihnen geraten habe, ihre Bedenken in der Bürgerfragestunde vorzutragen. Auch ein gescheiterter Bau mehrgeschossiger Gebäude beim Katharinenhof wurde Deede angekreidet. "Ich war der Teufel für meine Parteikollegen, obgleich das Projekt in einem Ratsbeschluss demokratisch mit neun zu zwölf Stimmen abgelehnt wurde", sagt Deede.

Der Druck auf Deede wuchs. Er sollte sein Amt als Bürgermeister von Wiepenkathen abgeben. Deede dachte gar nicht daran. Dann wurde über einen Poller in dem Stader Stadtteil gestritten. Die Bürger wollten diesen im Stader Weg nicht haben, ein dort wohnender CDU-Politiker wollte ihn aber, so Deede, auf alle Fälle dort behalten, damit dessen Straße auch verkehrsberuhigt bleibe. Deede wurde in der CDU kritisiert, weil er sich auf die Seite der Bürger stellte. Als er gar für einen Antrag der SPD stimmte, sei er parteiintern hart angegriffen worden. "Ich denke, du bist in der CDU, haben meine Parteikollegen zu mir gesagt", so Deede.

Schon da gärte der Frust in ihm. Die ersten schlaflosen Nächte begannen. Ist die CDU noch seine Partei? Als die Parteikollegen dann eine SPD-Ratsfrau unter Druck setzten, damit diese im Ausschuss gegen ihre eigene Partei stimme, damit der Antrag der Wegöffnung scheitere, war für Deede das Fass voll "Es waren viele kleine Elemente, die sich über die Jahre summiert haben, aber das war der Gipfel", sagt Deede.

Der Wiepenkathener entschloss sich daraufhin, mit der SPD und den Grünen zu stimmen. Der Vorstand der Stader CDU habe ihn dann massiv unter Druck gesetzt, und damit gedroht, im Verwaltungsausschuss den Beschluss des Fachausschusses zu kippen. "Diese Mauscheleien und Schiebereien, das wollte ich einfach nicht mehr mitmachen", sagt Deede.

Er blieb bei seinem Entschluss und stimmte im Ausschuss für den Antrag, der mit großer Mehrheit dort verabschiedet wurde. Dann sei er, nach Rücksprache mit dem Kreis-CDU-Vorsitzenden Kai Seefried, aus der Partei und der CDU/FPD/FWG-Gruppe ausgetreten. Damit änderte Deede die Machtverhältnisse im Verwaltungsausschuss und machte es so der eigenen Partei unmöglich, den Beschluss des Ausschusses zu kippen. "Damit hat wohl keiner von meinen Parteikollegen gerechnet", sagt Deede und freut sich ein wenig über das Husarenstück.

Dass die CDU nachtrat, wurmte ihn. "Seefried hatte mir zugesagt, dass es kein Nachtreten geben werde", so Deede, der in solchen Situationen auch mal aufbrausend werden kann. Die Konsequenz: Anstatt Seefried und die CDU bei der Kommunalwahl 2011 zu unterstützen, wird er nun ihr Konkurrent und als eigener, unabhängiger Kandidat antreten.

Mit weiteren Bürgern, die kein Vertrauen mehr in die etablierten Parteien haben, will er für jeden Stader Wahlkreis ein bis zwei Kandidaten aufstellen. "Ich suche noch Interessierte, die mit mir zusammen als unabhängige Kandidaten antreten wollen", sagt Deede. Auf die Wahl freue er sich schon. Nicht, weil er der CDU vor das Schienbein treten kann, sondern weil er dann ohne Parteizwänge wieder Bürgerinteressen vertreten könne. Zuspruch habe er für sein Vorhaben, eine neue Wählergemeinschaft zu gründen, bereits ausgiebig erhalten, sowohl von Mitgliedern des Stadtrates, der Verwaltung und von Stader Bürgern.

Wie bei Deede ist auch Henning Münneckes Entscheidung, bei den Grünen auszutreten, über die Jahre gereift. Seit 1990 war der 50-Jährige bei den Grünen, engagierte sich lange Zeit in der Landespolitik der Partei. Doch von jener Partei, der er damals beitrat, sei nur noch wenig übrig. Die, wie er sagt, "rücksichtslosen Machtspiele" zwischen den Regionalverbänden um Listenplätze für die Wahlen hatten ihm langsam den Spaß genommen. Und dass die Partei einerseits den Umstieg auf den Öffentlichen Nahverkehr fordere, selbst zu Terminen aber immer wieder mit dem privaten Pkw anreise, finde er grotesk. "Dass bei Landes- und Bundesveranstaltungen nur vegetarisches Essen angeboten wurde, das war für mich nur schwer ertragbar", sagt Münnecke. Dafür, so gibt er zu, mag er einfach zu gerne auch mal ein Brot mit Leberwurst oder Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen essen.

"Mich hat überrascht, dass viele in der CDU inzwischen viel grüner als die Grünen sind", sagt Münnecke. Dort könne man auch offener diskutieren, ohne sofort anzuecken. Politische Ambitionen seien für seinen Wechsel zur CDU nicht entscheidend gewesen. "Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich 2011 überhaupt wieder kandidieren will", sagt Münnecke.

"Ich habe weiterhin grünes Gedankengut, aber ich habe feststellen müssen, dass es bei Ökologie und Ökonomie bei den Grünen nicht mehr passt", sagt Münnecke. So sei der Bau von Autobahnen per se erst einmal nicht zu begrüßen. Es gebe aber Fälle, wo ein Autobahnbau ökologisch sinnvoller sei, als darauf zu verzichten. "Außerdem muss die Hinterlandanbindung in dieser Region kommen, daran führt kein Weg vorbei. Alles andere als ein Weiterbau der A 26 ist auch ökologisch unsinnig und viel zu teuer", sagt er.

Die konträre Meinung einiger Grünen in Stade konnte er nicht nachvollziehen. Dass im selben Zusammenhang die Diskussion um eine alternative Verlagerung der Güter auf die Schiene über die Strecke nach Bremervörde abgewürgt wurde, weil, so Münnecke, die Bahn über Ottenbeck fahren würde und dort zwei Grünen-Politiker wohnen, fand er verlogen.

Auch die gespaltene Meinung der Grünen zum Technik und Verkehrsmuseum sei nicht hilfreich gewesen. "Die Arbeit hat hier einfach keinen Spaß mehr gemacht, vor allem auch deshalb, weil bei den Grünen keine klare Linie zu sehen war, was die Partei in Stade eigentlich erreichen will, also wie die Stadt einmal aussehen soll", sagt Henning Münnecke. Den Spaß habe er nun bei der CDU, die viel klarer aufgestellt sei, wiedergefunden.

"Wer die Augen nicht verschlossen hatte, konnte sehen, dass mein Abschied aus der Partei bevorstand. Mich hat daher die heftige Kritik der Grünen wegen meines Parteiwechsels etwas überrascht", so der 50-Jährige. Berufliche Gründe seien, entgegen manchen Gerüchten, für seine Entscheidung aber nicht entscheidend gewesen. "In allen beruflich für mich wichtigen Vereinigungen war ich ja schon seit mehren Jahren vertreten, ein Parteiwechsel hätte mir da keine großen Vorteile gebracht. Mir geht es um Ehrlichkeit, nicht um Eitelkeit. Ich will morgens noch in den Spiegel schauen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen", sagt er. Wie und ob es politisch für ihn weitergeht, will er in etwa zwei Monaten entscheiden..