Menschen des Jahres: Gisela Schütt von der Landesverkehrsbehörde in Stade ist verantwortlich für 295 Kilometer

Stade. Sie steht im Kreuzfeuer zahlloser Kritiker, ungehaltener Nörgeler, genervter Mitarbeiter kommunaler Bauämter und Politiker. Und sie hat gerade in diesen Tagen viel auszuhalten, wenn die Amtsdrähte heißglühen. Gisela Schütt, die Frau die für die Verkehrssicherheit auf 295 Kilometern Straßen im Landkreis Stade verantwortlich ist.

Davon sind elf Kilometer Autobahn zwischen Stade und Horneburg, 70 Kilometer Bundesstraßen und 214 Kilometer Landesstraßen.

Ganz gleich, ob es um den Winterräumdienst, Schlaglöcher auf den Straßen oder nervige Baustellen geht, als Leiterin der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr im Geschäftsbereich Stade steht sie in der Verantwortung.

Die Bauingenieurin sieht die Turbulenzen ihres Arbeitsfeldes eher mit Ruhe und Sachlichkeit. "Ich versuche natürlich, die Leute, die sich beschweren, auch zu verstehen, aber ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ich weiß, dass unsere Leute zuverlässig arbeiten und wirklich nach besten Kräften die Straßen in Ordnung halten", sagt Schütt.

"Unser Winterdienst ist derzeit mit 20 eigenen und 22 Fahrzeugen von Fremdfirmen rund um die Uhr im Einsatz, um Fahrbahnen und Radwege freizuhalten. Aber sie können nicht gleichzeitig überall sofort sein."

Rund 70 Mitarbeiter im Innendienst und 99 Leute draußen im Einsatz bei den vier Straßenmeistereien stehen jetzt unter Hochdruck. Mitunter sei es so, dass die Beschimpfungen wegen glatter Straßen gehörig ausarten.

"Ich bin nachts extra mit Räumfahrzeugen die Tour mitgefahren, um mir ein genaues Bild davon zu machen, was die Mitarbeiter leisten. Bei diesen Schneemassen behindern am Straßenrand geparkte Autos ebenso die Schneepflüge wie Verkehrsinseln, die ab einer bestimmten Schneehöhe nicht mehr sichtbar sind. Das ist für die Mitarbeiter vom Räumdienst ein harter Job, und nicht selten werden sie von Brummis überholt, die sich vom Schneepflug behindert fühlen."

Sie kenne die Not der Berufspendler sehr genau, so Schütt, da ihr Wohnort nahe Verden 130 Kilometer vom Arbeitsort entfernt sei. Andererseits verstehe sie nicht, dass viele Menschen kaum bereit sind, zu akzeptieren, dass der Winter nun einmal mit extremen Straßenverhältnissen einhergehe.

"Das Anspruchdenken ist sehr hoch, manche meinen, sobald sie losfahren, müssten alle Wege freigefegt sein", schildert Schütt die Lage. Das sei allerdings längst nicht mehr realistisch. "In so einem Winter muss man wirklich mal einen Gang runterschalten und das Tempo den Witterungsbedingungen anpassen", sagt die Bauingenieurin, die sich in ihrem Fach auf reibungslosen Verkehrsfluss auf den Straßen spezialisiert hat.

Allerdings sei die Zeit der Beschwerden nach der Eiszeit im Frühjahr nicht vorüber, das sei seit dem vergangenen Winter klar. "Dann haben wir die nächste Bescherung und es kommen die ewigen Beschwerden über die neuen Frostschäden und Schlaglöcher. Der Frust der Leute frisst viel Arbeitszeit", sagt Schütt.

"Wir sind nicht schuld an den schlechten Straßen. Aber es ist oft so, dass wir aufgrund der zur Verfügung stehenden Finanzen nur den Mangel verwalten, womit wir in der Öffentlichkeit kaum punkten können. So suche ich immer nach Kompromissen im Rahmen des Möglichen."

Schütt sagt, sie befinde sich oft in einer Zwickmühle: Die Politik entscheide, wie viel Geld zum Beispiel für die Sanierung der Landesstraßen bewilligt wird. Aber es seien auch die Politiker, die ihren Bürgern, die sich vor Ort über die Landstraßen beschweren, dann sagen, es sei Sache der Straßenbaubehörde in Stade.

"Wir können nur sanieren, wenn wir Geld haben. Und es ist deutlich zu wenig, wir leben von der Hand in den Mund." Nach diesem Winter haben wir wieder immense Schäden und müssen mit Sparvarianten die Straßen sanieren.

Im Jahr 2010 kamen 20,5 Millionen Euro als Baumittel für den Neubau und Erhaltung der Bundesautobahnen sowie für Brückensanierungen, für die Landesstraßen steuerte das Land Niedersachsen 6,5 Millionen Euro bei, so Schütt.

"Die Bemessungen der Bundes- und Landesmittel richten sich nach den geplanten Aufgaben und sind daher sehr unterschiedlich hoch", erklärt die Straßenbehördenleiterin. Auf der Prioritätenliste für die kommenden Jahre stehen die A 26, die neue B 3 bei Neu Wulmstorf, die A 20 bis zum Wesertunnel und der Abschnitt 5 der A 26 von Drochtersen nach Stade sowie der Elbtunnelbau ganz oben, so Schütts Blick in die Zukunft. Die neue B 3 soll, wenn alles planmäßig verläuft, im Sommer 2011 freigegeben werden.

Die durch die Bundesstraßen 73, 495, 206, 404 und 209 umgebene Metropolregion Hamburg erweise sich als Engpass im norddeutschen Fernstraßennetz. Diese unbefriedigende, von vielen Staus behinderte Verkehrsituation könne nur durch weiträumiges Umfahren der Region Hamburg verbessert werden, so Schütt.

Die teils geplante, teils schon gebaute Autobahn 20 werde in hohem Maße zur Bewältigung der zu erwartenden Verkehrsprobleme beitragen. Mit einer zusätzlichen Elbquerung, einem Tunnel zwischen Glückstadt und Drochtersen gebe es über die A 20 von Niedersachsen Richtung Hamburg schnelle Verbindungen nach Schleswig-Holstein und damit eine leistungsfähige Anbindung an die Fernstraßenachsen in die nordöstlichen und südlichen Zentren der Europäischen Union.