Menschen des Jahres Professor Erik Pasche faszinierte die Bürger mit neuen Ideen zum Hochwasserschutz

Horneburg/Buxtehude. Seinen wichtigsten Vortrag hat Professor Erik Pasche nie gehalten. Zumindest den für die Stadt Buxtehude wichtigsten Vortrag nicht - und auch für andere Orte in der Region wie Horneburg und Neuenkirchen hätte er eine große Bedeutung gehabt. Nicht vor Studenten, sondern vor Buxtehuder Bürgern und Politikern hätte der Leiter des Instituts für Wasserbau der Technischen Universität Harburg diese Rede gehalten. Der 55-jährige, recht jugendlich wirkende Mann hätte vorn im modernen Sitzungssaal des neuen Stadthauses gestanden, hätte eindringlich gesprochen und in dem vermutlich sehr vollen Saal wohl sämtliche Zuhörer gefesselt.

Auch jene, die seine Meinung nicht teilten. Die besagte, dass die geplante Erhöhung der Deiche im Stadtgebiet so nicht notwendig ist. Dass es stattdessen sinnvoller ist, auf eine Renaturierung der Este im Bereich zwischen Moisburg und Altkloster zu setzen. Diese Auffassung hätte der Professor mit Verve und dem Selbstbewusstsein eines international renommierten Wissenschaftlers vertreten. Die Diskussion, die in vielen Orten südlich der Elbe ähnlich geführt wird, wäre nach dem Vortrag vermutlich eine andere gewesen.

Doch zu der Veranstaltung, die am 1. Dezember stattfinden und den Auftakt für ein Mediationsverfahren bilden sollte, kam es nicht. Denn Erik Pasche verstarb nur wenige Tage vorher, an einem Herzinfarkt. Die Technische Universität Harburg sucht nun nach einem Nachfolger für den Ausnahmewissenschaftler. Und die Bürgerinitiativen in Horneburg und Buxtehude, die gegen die jeweils geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen kämpfen, einen neuen wissenschaftlichen Berater.

Sowohl in der Stadt an der Este als auch in jener an der Aue planen die Deichverbände, Vorkehrungen gegen zukünftige Fluten zu treffen. Teils massive Maßnahmen sollen verhindern, dass sich eine Flut wie im Jahr 2002 wiederholt, die besonders Horneburg traf. In Buxtehude sollen dazu die Deiche erhöht und Bäume abgeholzt werden. In Horneburg soll sogar die Aue, die an dieser Stelle Lühe heißt, in einem bestimmten Bereich aus dem Stadtgebiet heraus verlegt werden.

Die Bürgerinitiativen empfinden diese Eingriffe als zu brutal. Sie plädieren für die Renaturierung der Flüsse im Oberlauf und für den Einsatz mobiler Spundwände.

Andere Bürger, aber auch Experten in den Verwaltungen halten diese Auffassung für naiv, weltfremd und sogar für egoistisch, weil die Initiativen die Sicherheit der Stadt für ein schönes Stadtbild aufs Spiel setzen würden. In Pasche hingegen, der ebenfalls den alternativen Ansatz vertritt, fanden die Initiativen einen Berater und Unterstützer von unschätzbarem Wert.

"Ich konnte Herrn Pasche jederzeit anrufen, auch, wenn er gerade auf Forschungsreise am anderen Ende der Welt unterwegs war", sagt Michael Järnicke, Sprecher der Horneburger Bürgerinitiative, die sich gegen eine Verlegung der Aue einsetzt. Pasches plötzlicher Tod sei für die Mitglieder der Initiative ein Schock gewesen. Und das nicht allein deshalb, weil den Mitgliedern jetzt die "wissenschaftliche Begleitung" für ihr Anliegen fehlt. Järnicke betont auch den menschlichen Aspekt: "Wir haben Herrn Pasche alle sehr gemocht, es war einfach ein sympathisches Verhältnis. Er konnte ganz besonders auf Menschen zugehen."

Auch für die Buxtehuder "Bürgerinitiative Este", die sich für eine Renaturierung des Flusses einsetzt, ist Pasches Tod ein großer Verlust. Ihr Sprecher Hanno Krusche wirkt noch heute beeindruckt, wenn er von dem Wissenschaftler erzählt. "Er war unheimlich dynamisch, preschte mit Ideen nach vorne. Und dabei war er sehr freundlich, wie man das von Personen in seiner Position nicht unbedingt kennt."

Der Initiative habe Erik Pasche auch angeboten, mögliche Alternativen zu den Vorhaben des Deichverbandes neu zu berechnen. Dass er sich damit öffentlich in Widerspruch zu dem Verband begeben hätte, der die Pläne möglichst schnell durchführen möchte, störte den Professor wohl eher weniger.

"Wenn Herr Pasche von etwas überzeugt war, ließ er sich von nichts bremsen. Auch von Verwaltungsvorschriften nicht", sagt Professor Günter Rombach, der das Institut für Wasserbau kommissarisch weiterführt. Rombach meint es nicht negativ. Im Gegenteil sei die Hartnäckigkeit das Markenzeichen eines Wissenschaftlers gewesen, dessen Engagement keine Grenzen kannte. Weder räumlich noch fachlich noch in Sachen Arbeitsaufwand. Zuletzt war der Wissenschaftler in rund 30 Projekten engagiert, darunter in eine Studie zum Hochwasserschutz in New Orleans und das Projekt "Klimzug Nord", das den Bereich der Metropolregion Hamburg auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten soll. In der belgischen Stadt Delft hatte Pasche eine Gastprofessur inne, er sprach auf Kongressen in allen Teilen der Welt.

Das "ganz enorme" Engagement seines Kollegen veranschaulicht Rombach so: "Er war ungefähr so viel unterwegs wie der Rest des Instituts zusammen genommen". Das Institut für Wasserbau hat etwa 30 Mitarbeiter. Pasche hat es selbst aufgebaut. Wie Erik Pasche dieses Pensum bewältigen konnte? "Er liebte seinen Beruf, Leben und Arbeit waren für ihn fast ein- und dasselbe", sagt Rombach.

Monika Donner, die jahrelang als wissenschaftliche Assistentin für Erik Pasche gearbeitet hat, betont, dass er trotz der vielen Reisen besonders mit der Hamburger Region verbunden war. "Er liebte diese Gegend, sie war ihm sehr wichtig", sagt Monika Donner über den in Dresden geborenen Pasche, der schon in jungen Jahren nach Westdeutschland kam und an der Aachener Hochschule sein Diplom und seinen Doktortitel erwarb. Nach Hamburg kam er erst im Jahr 1998, nach einer längeren Tätigkeit für ein Ingenieurbüro in Koblenz.

In der Verbundenheit mit seiner norddeutschen Wahlheimat sieht Monika Donner einen zusätzlichen Grund dafür, dass Erik Pasche stets ein Ansprechpartner für die Bürgerinitiativen war. Ein weiterer sei, dass seine Haltung als Forscher weitgehend dem entsprach, was die Initiativen auf lokaler Ebene fordern. "Erik Pasche plädierte immer dafür, den Fluss als Ganzes zu betrachten, wenn Hochwasserschutzmaßnahmen geplant werden."

Diese Sichtweise schließe nicht nur den Oberlauf des Gewässers mit ein, sondern eben auch Orts- und Stadtbilder, sowie die Menschen, die in dieser Region leben. "Leben mit dem Wasser" sei Pasches Devise gewesen. Er selbst hat es auf seine Weise getan: "Bei ihm spürte man die Begeisterung für das Element. Erik Pasche konnte so enthusiastisch und rauschhaft wie ein Künstler sein, wenn er an Modellen arbeitete. Und dabei war er hoch konzentriert und präzise."

Letzten Endes war es wohl dieses außerordentliche Engagement, dass Erik Pasche zum Verhängnis wurde. Der Tod ereilte ihn auf dem Flughafen in Hongkong, als er sich auf der Rückreise von einem Forschertreffen befand. In Singapur hatte er zuvor einen Vortrag gehalten. Das Thema: dezentrale Regenrückhaltung. Über Ähnliches wird auch im Falle der Aue und der Lühe diskutiert. Einen Tag vor Heiligabend wurde Erik Pasche in Vallendar bei Koblenz beerdigt, neben dem Grab seiner früh verstorbenen Frau. Er hinterlässt zwei erwachsene Töchter.