Die Grünen in Buxtehude wollen die Renaturierung der Este anstatt neuer Deiche. Ihre Harburger Kollegen unterstützen ihren Plan jetzt.

Buxtehude/Moisburg. Wenn viele Buxtehuder heute Abend die Daumen für eine Mehrheit drücken, werden sie - wohl nicht minder nervös - auf ein Scheitern der Abstimmung hoffen. Die Rede ist von den Grünen in der Estestadt - und von der Abstimmung des Deichverbandes der Zweiten Meile Alten Landes. Dessen 15 Deichgeschworene werden auf einer nicht öffentlichen Versammlung in Jork darüber entscheiden, ob Buxtehude die geplanten Deiche im Innenstadtbereich bekommen wird, oder nicht. Im Deichverband hatte es zuletzt Zweifel an der rechtlichen Zuständigkeit gegeben, außerdem werden Entschädigungsforderungen befürchtet.

Neben den Grünen würden auch die Buxtehuder FDP, sowie die dortige Bürgerinitiative "Este" ein Scheitern begrüßen. Sie alle hoffen, dass in diesem Fall ein Alternativplan zu dem Deichbau realisiert werden kann, der ihrer Meinung nach zu stark ins Stadtbild eingreifen würde. Die avisierte Alternative ist eine Renaturierung der Este, also die teilweise Wiederherstellung des ursprünglichen Flußbettes. Diese Maßnahmen würden besonders den Verlauf der Este zwischen Buxtehude und Moisburg betreffen, das außerhalb des Landkreises Stade und auch außerhalb des Zuständigkeitsgebietes des Deichverbandes liegt.

Der Plan, für den Wissenschaftler der Technischen Universität Harburg mögliche Realisierungsoptionen ausgearbeitet haben, ist in Buxtehude weitgehend bekannt. Im Rahmen der Mediationsgespräche zwischen Gegnern und Befürwortern des Deichbaus wurde er eingehend diskutiert.

Neu allerdings ist die Tatsache, dass sich die Grünen als erste politische Gruppierung gemeinden- und landkreisübergreifend für das Ziel einsetzen. So kommen andere Realisierungsoptionen für eine Renaturierung in den Blick, die bei ihren Gegnern als zu langwierig und kompliziert gilt.

"Der Landkreis Harburg kauft zurzeit Flächen im Estetal auf, um Ausgleichsmaßnahmen für neue Baugebiete zu realisieren. Diese Flächen würden sich hervorragend für eine Renaturierung eignen", sagt Ruth Alpers, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Harburger Kreistag.

Mit ihrem Vorschlag, so Alpers, ließe sich ein zentrales Problem umgehen. Während Renaturierunsmaßnahmen auf Privatgrund sehr viel schwieriger zu realisieren wären, könnten diese auf Gebiet, das dem Landkreis gehört, einfacher und schneller erfolgen. Ein zentrales Argument der Renaturierungsgegner, nämlich, dass die Maßnahme zu viel Zeit kosten würde, wäre demnach - zumindest teilweise - ausgehebelt.

Ruth Alpers bringt einen weiteren Punkt auf die Agenda, der bisher nicht in dem Zusammenhang diskutiert wurde: "Wir haben in Mienenbüttel das größte Gewerbegebiet Norddeutschlands. Das leitet sein Oberflächenwasser in den Aarbach ein, der in die Este fließt." Laut Ruth Alpers wird das Buxtehuder Problem so verschärft - ein Konzept zum Hochwasserschutz müsste auch diese Tatsache in den Blick nehmen und Alternativen anbieten.

Jürgen Badur ermahnt Deichverband

Wie man sich die Renaturierung im Detail vorstellen kann, erläutert Dieter Kröger, Grünen-Politiker aus Sauensiek und frisch gewähltes Mitglied im Stader Kreistag. Er nimmt seinen Besucher zu einer Brücke mit, die zwischen Buxtehude und Moisburg im Estetal liegt. Die Landschaft dort wirkt für den Laien idyllisch und wildromantisch, eben naturbelassen. Am Ufer blühen Weidenröschen, Schilf und Gras wuchern ungehemmt. Doch Dieter Kröger ist diese Landschaft nicht natürlich genug. "Die Este fließt viel zu schnell", sagt Dieter Kröger. Seiner Meinung nach ist das hohe Tempo, das der Elb-Nebenarm vorlegt, eine Folge der früheren Flussbegradigungen - und die müssten mit einer Renaturierung teilweise rückgängig gemacht werden.

"Dort drüben liegen irgendwo noch Tot-Arme der Este", sagt Kröger und deutet auf eine überwucherte, mit Bäumen bewachsene Wiese. Nach Krögers Vorstellung müsste man diese ehemaligen Nebenarme wieder beleben, außerdem die Wiesen, die zurzeit nicht genutzt werden, zu Überflutungsflächen machen. Die Folge: "Der Fluss würde langsamer fließen", so Kröger. Und damit wäre auch dem Buxtehuder Hochwasserschutz gedient, die Deiche wären - so die Auffassung der Grünen - verzichtbar.

Der Vorteil einer Renaturierung, nämlich die Reduzierung der Fließgeschwindigkeit, ist allerdings gleichzeitig ein Problem. Zumindest aus Sicht einiger Moisburger Lokalpolitiker. Bestimmte Teile des Ortes, der zur Samtgemeinde Hollenstedt gehört, wären nach neueren Berechnungen des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bei starken Regenfällen hochwassergefährdet.

In Moisburg wird deshalb befürchtet, dass eine Renaturierung im Estetal dazu führen könnte, dass sich das Wasser staut und in Moisburg über die Ufer tritt. "Ich wäre für eine Renaturierung grundsätzlich aufgeschlossen. Aber es müsste sichergestellt sein, dass die Auswirkungen nicht bis Moisburg reichen würden", sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Steffens. Ähnlich äußert sich Hans Jürgen Cohrs, Bauamtsleiter der Samtgemeinde Hollenstedt: "Alle Maßnahmen müssten gewährleisten, dass das Wasser wie bisher abfließt."

Ruth Alpers, die auch im Rat der Samtgemeinde Hollenstedt sitzt, hofft, die dortige Skepsis zu überwinden. Auch im Harburger Kreistag will sie neue Allianzen für eine Renaturierung schmieden. "Die Ergebnisse bei de Kommunalwahl geben uns dafür eine gute Ausgangsbasis", sagt sie. Wie Guido Seemann von den Buxtehuder Grünen betont, ist es mit der landkreisübergreifenden Zusammenarbeit längst nicht genug. "Die Grünen in Jork und in Cranz müssen auch mit ins Boot, wenn wir die Probleme der Este übergreifend lösen wollen", sagt er.