Die Samtgemeinde Harsefeld hat solide Finanzen und eine gute Infrastruktur. Doch die Einwohnerzahl sinkt, Politiker wollen gegensteuern.

Harsefeld. Neue Kohlekraftwerke? Überschuldung? Kuriose Schwimmstege, drohende Fluten, Wegzug, Ladensterben? All das sind Probleme im Landkreis Stade - nicht aber in der Samtgemeinde Harsefeld. Diese wirkt, im Vergleich mit anderen Gemeinden, manchmal fast wie eine Insel der Seligen. Die effizient geführte, 20 234 Einwohner starke Samtgemeinde hat vieles, was andere nicht haben - ein Freibad, einen idyllischen Klosterpark, ein Gymnasium, ein gutes Angebot an Kitas und bald auch einen beruhigten Harsefelder Ortskern. Dafür haben die Harsefelder viele Dinge nicht, die ihre Nachbarn haben - oben genannte Probleme etwa. Der Schuldenstand der Samtgemeinde ist mit rund 300 Euro pro Einwohner noch moderat, mithilfe der Städtebauförderung schreitet die Aufwertung Harsefelds und seiner Ortsteile voran.

Bei näherem Hinsehen glänzt aber auch die "Perle der Geest" nicht überall. Ein Gutachten besagt, dass die Einwohnerzahl der Samtgemeinde schrumpfen wird. In der neuen Legislaturperiode werden die Politiker gegensteuern müssen. Ein Streitpunkt des vergangenen Jahres, der sprunghafte Anstieg der Zahl geplanter Biogasanlagen, wird die Räte weiterhin beschäftigen. Nicht zuletzt hat die "Perle der Geest" auch einen braunen Fleck. Rund 600 Menschen wählten bei der Kommunalwahl im Jahr 2006 die rechtsradikale NPD, die mit dem Ahlerstedter Peter Brinkmann einen Abgeordneten in den Samtgemeinderat schicken konnte. Die NPD schickt sich in diesem Jahr erneut an, Sitze zu erobern.

Bei der Wahl am kommenden Sonntag werden die Vertreter des Samtgemeinderates, sowie der Gemeinderäte in Harsefeld, Ahlerstedt, Bargstedt und Brest für fünf Jahre neu gewählt. Im derzeitigen Samtgemeinderat hat die CDU mit 15 Sitzen die Mehrheit, gefolgt von der SPD mit 9 Sitzen, der FWG mit acht und den Grünen mit zwei Sitzen. Die Linkspartei tritt in der Samtgemeinde erstmals zur Wahl an. Zudem schickt sich ein junges Team aus Schülern und Studenten an, für die FDP Sitze zu erobern. In den vier Gemeinderäten stehen im Herbst Bürgermeisterwahlen an. Samtgemeindebürgermeister Rainer Schlichtmann hingegen ist noch bis zum Jahr 2015 gewählt.

Ortsentwicklung und Verkehr

Mit dem begonnenen Bau der Ortskernentlastungsstraße, der neuen Kreisstraße 26, bietet sich für das Zentrum Harsefeld die Möglichkeit zur lang ersehnten Beruhigung des Ortskerns. SPD und CDU wünschen sich zudem mehr gastronomische Angebote in Harsefeld. Die FDP will sich dafür einsetzen, dass speziell für junge Leute mehr geboten wird. Die FWG-Spitzenkandidatin Susanne de Bruijn kann sich vorstellen, dass es im Sommer in der Eishalle Gastspiele von Theatern gibt.

SPD-Spitzenkandidat Michael Ospalski macht einen Vorschlag zur Verbesserung des Gesundheitswesens: "Ich könnte mir vorstellen, ein richtiges Ärztezentrum in Harsefeld anzusiedeln, auch mit Angeboten in der Alternativmedizin." FDP und FWG hingegen wünschen sich, dass die Samtgemeinde einen Wirtschaftsförderer einstellt.

Sowohl die Grünen, als auch die FWG fordern für Harsefeld einen innerörtlichen Busverkehr. Nach Meinung der Grünen könnten sogenannte "Bürgerbusse" verkehren, die von Ehrenamtlichen gefahren werden. Die Grünen wünschen sich außerdem mehr Fahrradwege.

Familie, Kitas und Schulen

Nach Meinung aller Parteien ist das Angebot an Kindergartenplätzen in der Samtgemeinde bereits gut bis sehr gut. Anders die Linkspartei: "Es gibt noch Engpässe. Wir müssen das Angebot deshalb ausweiten", sagt Spitzenkandidat Manfred Petrat. Die Linke will zudem das Familieninformationszentrum (FIZ) in Harsefeld ausbauen. Kostspielige Pläne wie diese will Petrat mit einer Anhebung der Grundsteuer finanzieren. Auch die Vorstellungen der SPD im Kita-Bereich sind kostspielig: Die Sozialdemokraten wollen die Plätze künftig möglichst völlig kostenfrei anbieten. Zur Finanzierung sollen die Samtgemeindewerke in den Energiemarkt einsteigen. FDP, CDU, Grüne und FWG halten diese Pläne nicht für realistisch und wollen an den Gebühren festhalten.

Im Schulbereich tritt die FDP mit einem echten Alleinstellungsmerkmal an: Sie möchte, dass die Haupt- und Realschulen in Ahlerstedt und Harsefeld auch künftig erhalten bleiben und nicht zu sogenannten Oberschulen zusammengelegt werden. "Bei den Oberschulen fehlt mir die Leistungsbezogenheit", sagt Patrick Meyer. Die CDU wäre für eine Umwandlung in Oberschulen offen. Noch mehr wünschen sich Grüne und Linkspartei: Sie würden die Schulen gerne in Integrierte Gesamtschulen umwandeln. Michael Ospalski hingegen sagt: "Für uns ist der Elternwille maßgeblich".

Energie

Die CDU ist tendenziell für neue Biogasanlagen, Grüne und FWG sind weitgehend dagegen, die SPD dafür, aber mit Auflagen - so sah in der Vergangenheit das Bild aus. Die erwartete Änderung der Einspeisegesetze im Frühjahr wird wohl darüber entscheiden, ob der Harsefelder Biogas-Boom weitergeht. Mittlerweile gibt es aber in allen Parteien die Befürchtung, dass die Anlagen ab einer gewissen Größe zuviel landwirtschaftliche Fläche verbrauchen. Man setzt daher verstärkt auf andere Energiequellen. Grüne und SPD wollen mehr Solardächer auf öffentlichen Gebäuden, die Grünen fordern zudem, dass die Samtgemeinde mehr Energie spart und komplett auf Ökostrom umsteigt.

Sport

Auch im sportlichen Bereich ist die Samtgemeinde Harsefeld etwas anders als ihre Nachbarn. Sie bringt nämlich auf zwei ungewöhnlichen Feldern besonders erfolgreiche Sportler hervor: Im Pistolenschießen und, traditionell, im Rollkunstlauf. Die Förderung dieser Bereiche steht deshalb "ganz oben auf der Liste" der SPD, sagt Michael Ospalski. Für die Rollkunstläufer könnten schon bald Investitionen anstehen: Denn diese können die Eissporthalle im Sommer nur noch eingeschränkt als Trainingsort nutzen, weil dort auch Veranstaltungen stattfinden. Die Rollkunstläufer sollen nun eine überdachte Trainingsfläche bekommen, die auch für die Eishockeyspieler nutzbar wäre. Laut Ospalski eignet sich dafür ein Gelände an der Jahnstraße, hinter der dortigen Schule. Auch Friedrich Dammann ist optimistisch, dass dort gebaut werden kann. Hartwig Holthusen ist skeptisch, ob sich der Platz eignet. Susanne de Bruijn hingegen sagt: "Wir sehen zurzeit nicht, dass die Rollkunstläufer eine neue Fläche benötigen".