Gemeinde hat jahrelang Ausgleichsmaßnahmen gebündelt und einen Wald gepflanzt

Harsefeld. Sogenannte Ausgleichsmaßnahmen sind selten die markantesten oder beliebtesten Orte in einer Gemeinde. Die sperrige Vokabel bezeichnet Plätze, die von Gesetzes wegen im Zuge großer Bauprojekte ökologisch hergerichtet werden müssen.

Neue Fischtreppen entstehen auf diese Weise, Biotope werden instand gesetzt, Betonflächen entsiegelt. Doch die Maßnahmen haben eines gemeinsam: Zumeist handelt es sich um kleine, geografisch verstreute Projekte. Unter anderem deshalb gibt es auf Bundes- und auf Landesebene die Initiative, Ausgleichsmaßnahmen gegen einen Fonds zu ersetzen, mit dem solche Projekte gebündelt werden können. So soll auch verhindert werden, dass in bestimmten Regionen zuviel Fläche verbraucht wird. Kritiker sagen, dass sich Bauherren großer Vorhaben auf diese Weise freikaufen könnten.

Dass für die Zusammenfassung verschiedener Ausgleichsmaßnahmen nicht unbedingt ein neues Gesetz notwendig ist, zeigt indes der Flecken Harsefeld. Hier wurden in den vergangenen 15 Jahren die Kompensationsmaßnahmen für neue Baugebiete in ein einziges Projekt überführt. Das Ergebnis des im Landkreis Stade beispiellosen Vorgehens ist ein komplettes, neues Waldgebiet, das schon in diesem Sommer als Naherholungsgebiet zur Verfügung stehen wird. Es befindet sich auf dem 23 Meter hohen, sogenannten Ehrenberg im Nordosten Harsefelds und ist laut Gemeindedirektor Rainer Schlichtmann rund 24 Hektar groß. Zurzeit ist es noch von einem schützenden Zaun umgeben, der nun "zeitnah" entfernt werden soll.

"Wir haben die Flächen für die Gemeinde aufgeforstet. Dort ist ein Mischwald entstanden, hauptsächlich wurden Eichen, Kiefern, Birken und Buchen angepflanzt", sagt Otto Fricke, Leiter des Harsefelder Forstamtes. Zudem habe das Forstamt bereits Wege angelegt, die auch für Fahrradfahrer geeignet seien.

Diese können in Zukunft einen Abstecher durch den neuen Wald am Ehrenberg machen, wenn sie auf dem Radweg entlang des Rellerbaches nach Horneburg unterwegs sind. Besonders für Wanderer und Spaziergänger wird die Fläche eine Bereicherung sein. Denn der Wald liegt in unmittelbarer Nähe des Friedhofes und des "Gartens der Steine", in dem Exemplare aus der Eiszeit gezeigt werden und der bereits jetzt ein beliebtes Ausflugsziel ist.

Wer auf dem Ehrenberg noch Zeugnisse germanischer Stämme sucht, wird wohl allerdings vergeblich suchen. Nach einer landläufigen Geschichte sollen auf dem Ehrenberg einst Rituale stattgefunden haben, bei denen einem heidnischen Gott gehuldigt wurde.

Den wissenschaftlichen Hintergrund lieferte der Flurnamensforscher Hinrich Granz: Im "Stader Jahrbuch" von 1962 schrieb er, dass das Wort "Ehren" im Namen auf "Freudenfeuer" hindeute, die zur Sachsenzeit (250 bis 800 n. Chr.) einst zu Ehren des Gottes Tiu, auch "Er", entzündet worden seien.

Dabei seien brennende Reisigbündel umher geschwenkt worden. Dietrich Alsdorf, Vorstand des Harsefelder Vereins für Kloster- und Heimatgeschichte, sagt dazu: "Das ist eine rein romantische These. Es ist unwahrscheinlich, dass so ein Name aus heidnischer Zeit überliefert wurde. Archäologische Belege gibt es dafür nicht", so Alsdorf, der auch Grabungstechniker bei der Stader Kreisarchäologie ist.

Wo der Name "Ehrenberg", plattdeutsch "Irnsbarg", wirklich herrühre, sei unklar. Der Berg sei nie besiedelt gewesen. Zumindest etwas Besuch wird er nun wohl bald bekommen.