Das Landgericht macht die Freilassung der 35 Jahre alten Frau rückgängig und geht nun von versuchtem Mord aus. Erleichterung beim Opfer.

Jork. War es versuchter Mord oder "nur" gefährliche Körperverletzung? An der Frage, als was der schwere Überfall auf den Jorker Gastronom Andreas S. Ende März gewertet werden soll, scheiden sich die Geister. Das Amtsgericht Stade hatte sich Mitte Juli für "gefährliche Körperverletzung" entschieden und die ursprünglichen Haftbefehle gegen die verdächtige "Herbstprinz"-Wirtin Sandra T. und ihren mutmaßlichen Komplizen, den Koch Marc W., aufgehoben. Die zwei kamen auf freien Fuß. Das Landgericht Stade hat diesen Entschluss jetzt revidiert. Die 35-jährige Wirtin und der Koch sitzen wieder in Untersuchungshaft.

Staatsanwalt sagt, es bestehe die Gefahr, dass die Verdächtigen fliehen

"Es besteht dringender Tatverdacht", sagt Burkhard Vonnahme, Sprecher der Stader Staatsanwaltschaft. Man gehe von versuchtem Mord aus, und es sei zu befürchten, dass die Verdächtigen fliehen. Auch zwei von insgesamt vier weiteren Komplizen sitzen mittlerweile wieder in Untersuchungshaft. Bei ihnen war der Haftbefehl im Juli ebenfalls in "Anstiftung zu schwerem Raub mit Körperverletzung" abgemildert worden, woraufhin sie freikamen. Schon damals hatte die Stader Staatsanwaltschaft betont, dass die gerichtlichen Entscheidungen nicht mit ihrem Segen getroffen worden seien und man Beschwerde einlegen werde - mit Erfolg, wie sich jetzt gezeigt hat.

Für Überfall-Opfer Andreas S. sind die aktuellen Entscheidungen eine große Erleichterung. "Es ist beruhigend, dass die Hauptverdächtigen wieder sitzen", sagt der 51-Jährige gegenüber dem Abendblatt. Die ganze Sache sei ein Desaster gewesen, und schon beim kleinsten nächtlichen Geräusch habe er Angst gehabt, dass wieder jemand vor seiner Haustür stehe. Die Erinnerungen an jene Märznacht, als es für ihn um Leben und Tod ging, sind noch zu frisch.

Das Brisante daran: Sandra T. war seine Lebensgefährtin und hatte zum Zeitpunkt der Tat mit dem Koch Marc W. ein Verhältnis. Gemeinsam sollen die zwei ein Mordkomplott geschmiedet haben, um Andreas S. aus dem Weg zu räumen. Für die Tat sollen sie vier junge Männer aus Hamburg angeheuert haben, die den Gastronom im Schlaf überfielen und mit mehreren Messerstichen schwer verletzten. Im Mai kamen Sandra T. und ihre fünf Komplizen in Untersuchungshaft.

Das sollte aber noch lange nicht das Ende der dramatischen Ereignisse sein, es kamen noch eine vermeintliche Kindesentführung und ein Feuer hinzu. Nur zehn Tage nachdem das Amtsgericht Stade Sandra T. im Juli aus der Untersuchungshaft entlassen hatte, brannte das Jorker Traditionslokal "Altländer Hof" nieder. Auch dessen Besitzerin ist keine Geringere als Sandra T. Sie hatte den historischen Gasthof 2008 für 100 000 Euro ersteigert, ohne bisher aber auch nur einen Cent des Kaufpreises zu bezahlen.

Aus diesem Grunde sollte das Lokal am 10. August erneut versteigert werden, der Termin wurde jedoch aufgrund des Feuers hinfällig. Was genau mit dem komplett zerstörten Gebäude passiert, ist noch offen. Die Ermittlungen der Polizei zur Brandursache dauern an.

Nahezu parallel dazu geriet dann auch noch die gemeinsame Tochter von Sandra T. und Andreas S. in den Fokus des Interesses. Ebenfalls unmittelbar nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis holte die Mutter die heute Sechsjährige ohne Wissen des Vaters aus dem Kinderhort "Tintenklecks" in Jork und nahm sie mit zu sich nach Hamburg. Der Vater empfand das als Entführung und erhob schwere Vorwürfe gegen das Amtsgericht und das Kreisjugendamt Stade. Es war ihm unbegreiflich, wie die Behörden zulassen können, dass das Kind in die Hände einer Frau gegeben werde, die ein Mordkomplott gegen ihn geschmiedet habe - zumal er mit dem Hort schriftlich vereinbart hatte, dass das Kind nur an ihn herausgegeben werden dürfe.

Andreas S. hofft, dass jetzt endlich Ruhe in sein Leben einkehrt

Der Landkreis Stade begründete seine Entscheidung mit dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern, weshalb das Kind auch der Mutter übergeben werden dürfe. Am Ende konnte Andreas S. seine Tochter aber doch wieder in seine Arme schließen: Das Buxtehuder Familiengericht sprach ihm das "vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht" für das Mädchen zu.

Vor allem für das Wohl seiner Tochter hofft Andraes S. nun, dass endlich Ruhe einkehrt. Dazu trage seiner Ansicht nicht zuletzt die Tatsache bei, dass seine ehemalige Lebensgefährtin wieder in Untersuchungshaft sitze.

Wann genau Anklage gegen Sandra T. und ihre Komplizen erhoben wird, ist nach Aussage von Oberstaatsanwalt Burkhard Vonnahme noch unklar. "Wir arbeiten aber mit Hochdruck daran." Eines betont er in diesem Zusammenhang ebenfalls: Bei der Anklage gehe es lediglich um versuchten Mord. Die vermeintliche Kindesentführung und der Brand spielen dabei keine Rolle.