Selbst nach einer Stunde Schlangestehen ist bei den befragten Autofahrern am Fähranlager Wischhafen von Stress keine Spur.

Wischhafen. Herrje, so viele Autos! Als der Fahrer die Schlange vor dem Fähranleger sieht, steht seine Entscheidung sofort fest. Umdrehen und zurück auf die Landesstraße in Richtung Stade. Der Elbtunnel erscheint da doch die bessere Wahl. Szenen wie diese sind am Wochenende keine Seltenheit, wenn es im Radio wieder einmal heißt: "An der Elbfähre Glückstadt -Wischhafen ist mit einer Wartezeit von zwei Stunden zu rechnen." Eine Stunde Wartezeit wird angesichts solcher Angaben fast schon als normal gesehen, auch drei Stunden können durchaus vorkommen, vor allem in der Hauptreisezeit in den Sommermonaten.

Jeannine Braun und ihre Familie hat das alles nicht geschreckt. Die vierköpfige Truppe aus Wilhelmshaven ist am Freitag auf dem Weg zur Oma in Itzehoe und kennt die Strecke in- und auswendig. "Viermal im Jahr fahren wir hin", erzählt Jeannine Braun. Von Wilhelmshaven über Varel, Bremerhaven und Bad Bederkesa bis zur Elbe - "eigentlich die zukünftige Autobahn 22 entlang". Früher, vor einigen Jahren noch, seien sie eher durch den Elbtunnel gefahren. "Aber seit auf der Autobahn zwischen Bremen und Hamburg gebaut wird, machen wir das nicht mehr."

Eine Bratwurst am Imbiss verkürzt die lange Wartezeit

Zweieinhalb Stunden brauchen sie bestenfalls für die Tour, dazu kommt dann noch mal die je nach Verkehrsaufkommen variierende Wartezeit am Fähranleger Wischhafen. Stress für die Familie? Keine Spur. "Alles besser als der Elbtunnel", ist sich Jeannine Braun sicher. Denn während sie im Auto aufpasst, wann die Fahrt weitergeht, bricht Papa mit den zwei Kindern schon mal zum Imbiss direkt am Anleger auf - Bratwurst essen. So kann man die Warterei auch verkürzen.

Yvonne Stebel steigt tiefenentspannt aus ihrem Wagen aus. Gerade ist die Schranke direkt vor ihrer Nase heruntergegangen, ihr Freund und sie haben es knapp verpasst, mit auf die Fähre zu kommen. Doch halb so wild, findet sie. Was nützt es, sich darüber aufzuregen? Dann wartet man halt die nächste Fähre ab.

Die zwei kommen aus der Nähe von Lamstedt und sind ebenfalls auf dem Weg nach Itzehoe, zur Schwester von Yvonne Stebel. "Sie hat mir erzählt, dass sie schon mal zweieinhalb Stunden warten musste", erzählt sie. Da können die beiden froh sein, dass jetzt nur von knapp einer Stunde Wartezeit die Rede ist und die nächste Fähre auf jeden Fall ihre sein wird.

Wartezeit hin oder her, für den Imbiss "Land's End" direkt am Fähranleger bedeutet sie vor allem ein gutes Geschäft. Gisela Göringer und Britta Stelling, sozusagen die Wischhafener Ausgabe der Damen vom Grill, wissen, worauf es ihren Kunden ankommt. "Schnell muss es gehen", sagt Gisela Göringer. Ideal sei deshalb ein Fischbrötchen oder eine Wurst, mit langen Bestellungen will sich niemand aufhalten. Nicht, dass einem die Fähre vor der Nase davonschippert.

Die zwei freuen sich schon jetzt auf die vielen Festivalgänger, die von Mitte der Woche an über Wischhafen zum Wacken Open Air anreisen werden, dem größten Heavy-Metal-Festival der Welt. "Das ist immer etwas ganz Besonderes, weil die Leute unheimlich nett sind", sagt Gisela Göringer. Die Wartezeit am Fähranleger wird dann vermutlich wieder auf einige Stunden klettern und die Autoschlange bis zur Landesstraße reichen. Aggressive Fahrer habe sie selbst in solchen Situationen aber noch nie erlebt, erzählt sie. Viele wissen, auf was sie sich einlassen.

Das ist auch bei Sonja und Andreas Lübke aus Menden im Märkischen Kreis der Fall. Die zwei sind mit ihren Kindern Maren und Liane unterwegs nach St.-Peter-Ording und überzeugt, dass die Autobahn 1 keine Alternative gewesen wäre. "Wenn's zu lange dauert, essen wir eben etwas", sagt Andreas Lübke und schiebt entspannt das Fenster seines Wagens herunter. Die frische Elbluft sorgt für einen kühlen Kopf.

Familie Hargens sieht die Fährfahrt als schöne Seereise

Den bewahrt auch die Familie Hargens aus Dithmarschen. Die drei haben sich Stade und Jork angeschaut und sind jetzt auf dem Heimweg. Die Fährfahrt sehen sie als schöne Seereise und nette Ergänzung ihres Tagesausflugs. Von dem geplanten Tunnel unter der Elbe, der irgendwann einmal kommen soll, halten sie deshalb gar nichts. Und falls die Wartzeit doch etwas länger als geplant ausfällt, sind sie auch für diesen Fall bestens gerüstet. Ein Korb mit Kirschen steht parat, der die schlechte Laune einfach vertreibt.