Hollenbeck bei Harsefeld ist der Heimatort von Jürgen Fitschen. Er könnte bald die Deutsche Bank als Co-Vorstandsvorsitzender leiten.

Hollenbeck. "Solide" und "bodenständig" sind nicht unbedingt die Adjektive, die den meisten Menschen in den Sinn kommen, wenn sie an die Führungsetage der Deutschen Bank AG denken. Eher kommt vielen das Wort "Peanuts" in den Sinn, oder auch das ausgestreckte Victory-Zeichen im Gerichtssaal. Ein Wechsel an der Konzernspitze könnte das bald ändern. Denn für den Vorstandsvorsitz ist der bisherige Deutschland-Chef Jürgen Fitschen im Gespräch, der die Bank in Zukunft als Teil einer Doppelspitze leiten soll. Fitschen werden die oben genannten Adjektive immer wieder zugeschrieben. Das sagen indes nicht nur Finanzanalysten, sondern auch Menschen, mit denen er aufgewachsen ist. Die Bewohner des 630-Seelen-Dorfes Hollenbeck bei Harsefeld, Fitschens Heimatort.

"Der Jürgen ist ein solider Mensch. Der ist wirklich in Ordnung", sagt Lütje Borchers, seines Zeichens gebürtiger Hollenbecker. Der 73-Jährige kennt den zehn Jahre jüngeren, heutigen Bankchef noch aus der Kindheit. Borchers' Eindruck bestätigt auch Hermann Meinke, der Fitschen ebenfalls noch aus Kindertagen kennt: "Der ist bodenständig und sehr beliebt hier im Dorf. Niemand käme auf die Idee, ihn hier mit 'Herr Fitschen' anzusprechen", sagt der 76-Jährige Landwirt. "Wenn der hier wäre, würde der sofort Platt mit uns reden. Und kein Wort Hochdeutsch!", ergänzt Lütje Borchers.

Zum Plattschnacken in seiner alten Heimat hat Jürgen Fitschen hin und wieder Gelegenheit. Denn er besitzt in Hollenbeck ein eigenes Haus. Vor einigen Jahren ließ er es auf dem ehemaligen Grundstück seiner Eltern bauen. Nach Ausssage der Hollenbecker kommt er mehrmals im Jahr auf das Anwesen, das traditionell gestaltet ist und zwischen den Bauernhöfen und Fachwerkhäusern der idyllischen Ortschaft nicht auffällt.

Das Haus ist ein Rückzugsort für den Top-Manager, der den Rest des Jahres in allen Teilen der Welt unterwegs ist. Bestimmte wichtige Anlässe begeht Jürgen Fitschen lieber in Hollenbeck - unter anderem seinen 60. Geburtstag, den er in seinem Heimatdorf mit rund 100 Gästen feierte. Auch Hermann Meinke und seine Ehefrau Irmgard waren eingeladen. "Das war ein wirklich netter Abend. Im Garten war ein Zelt aufgebaut, da haben wir gesessen und geklönt", sagt Irmgard Meike. Mit an den Tischen saßen unter anderem ehemalige Mitglieder der Tischtennis-Mannschaft, in der Jürgen Fitschen einst spielte. "Er lässt die alten Sachen eben nicht hängen", sagt Hermann Meinke.

Bodenständig und heimatverbunden - diese Worte fallen immer wieder, wenn man Hollenbecker auf das berühmt Mitglied ihrer Dorfgemeinschaft anspricht. Auch die Zuschreibung, dass er ein "schlauer Jung" war, hört man hin und wieder. Paul Reisener, der Jürgen Fitschen einst im heutigen Dorfgemeinschaftshaus unterrichtete, kann das bestätigen: "Ich erinnere mich genau an ihn, weil er auffällig aufmerksam und wissbegierig war" sagt der 81-Jährige. "Er saß mit großen Augen da und wartete immer darauf, etwas Neues zu erfahren!".

Unter diesen neuen Dingen war die Mathematik, die Fitschen einst von Nutzen sein sollte. Der heutige Manager lernte sie auf eine Weise, die nur entfernt an heutige Lehrmethoden erinnert. "Die Klassen eins bis vier wurden alle in einem Raum unterrichtet. Das war damals so. Ich habe dann eine Aufgabe an die Tafel geschrieben, an der alle etwas zu lösen hatten", so Reisener, der auch auf andere Weise mit Fitschen verbunden ist. Denn dieser ging als Sechsjähriger in die erste Schulklasse, die Reisener als 24-Jähriger übernahm.

Über dem Klassenraum bewohnte der Junglehrer in dem Backsteingebäude eine Dienstwohnung. Wollte er einmal fernsehen, ging es in eines der beiden Gasthäuser im Ort. Den "Gasthof zur Linde" bewirtschafteten die Fitschens, neben ihrem landwirtschaftlichen Beruf. Jürgen Fitschens Mutter, allseits genannt "Tante Ilse", war für ihre Kochkünste bekannt: "Sie konnte wunderbare Kohlrouladen machen", erinnert sich Paul Reisener. Hermann Meinke lobt die großen Mahlzeiten nach den Treibjagden.

Jürgen Fitschen half schon als Junge öfters im Gasthaus aus. Und schon damals seien Hermann Meinke dessen besondere Begabungen aufgefallen, wie er heute erzählt: "Der Jürgen war so schlau, der wurde von den Alten immer als Skatspieler genommen, wenn mal einer fehlte!".

Nicht nur seinem elterlichen Grundstück, auch dem ehemaligen Schulhaus ist Jürgen Fitschen verbunden geblieben. Dem DRK-Kindergarten, der heute in den ehemaligen Klassenräumen residiert, spendete er Geld für neue Spielgeräte. "Herr Fitschen denkt solide", sagt auch Helmut Meyer, Vorsitzender des Harsefelder DRK-Ortsvereins.