Die Ernennung von Jürgen Fitschen und Anshu Jain zu den Nachfolgern von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kommt offenbar schnell voran.

Frankfurt. Die Ernennung von Jürgen Fitschen und Anshu Jain zu den Nachfolgern von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kommt offenbar schnell voran. Der Nominierungsausschuss der Bank habe wie erwartet beschlossen, Fitschen und Jain dem Präsidialausschuss des Aufsichtsrats als künftige Doppelspitze vorzuschlagen, berichtet die Zeitung "Die Welt" unter Berufung auf gut informierte Kreise.

Auch die Zustimmung des Präsidialausschusses ist demnach sicher. Die dann noch fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats sei ebenfalls nicht fraglich, da es nach Recherchen des Blattes eine Mehrheit in dem 20-köpfigen Gremium für Deutschland-Chef Fitschen und den Investmentbanker Jain gebe. Andere Varianten hätten am Wochenende trotz anderslautender Gerüchte nicht mehr ernsthaft zur Debatte gestanden. Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte auf Anfrage, bei dem Bericht handele es sich um Spekulationen, die nicht kommentiert würden.

Zuvor hatte das Geldhaus dementiert, dass Ackermanns baldiger Abschied bevorstehe. Die "Bild" hatte berichtet, der 63-Jährige habe angedeutet, seinen bis zur Hauptversammlung 2013 laufenden Vertrag nicht zu erfüllen und die Bank schnell zu verlassen, sollte Fitschen als Teil einer Doppelspitze berufen werden. Dies sei "absoluter Quatsch", sagte ein Deutsche-Bank-Sprecher in Frankfurt.

Das ist Anshu Jain

Er gilt als genialer Analytiker und brillanter Redner, hochintelligent, instinktsicher. Sollten sich die Spekulationen um Anshu Jain bewahrheiten, wird ein Mann die Nachfolge von Josef Ackermann an der Spitze der Deutschen Bank antreten, der bereits heute deutlich mehr verdienen soll als der Vorstandsvorsitzende selbst. Seit Jahren als Kronprinz gehandelt, deutet derzeit alles darauf hin, dass der Investmentbanker und gebürtige Inder die Geschäfte der Frankfurter Großbank künftig gemeinsam mit Deutschland-Chef Jürgen Fitschen führen wird.

Seine fachliche Qualifikation für die Leitung von Deutschlands größtem Kreditinstitut hat Jain in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Als „Geldmaschine“ und „Flow-Monster“ wurde das von ihm geführte Investmentgeschäft beschrieben. Die Sparte ist maßgeblich verantwortlich dafür, dass die Deutsche Bank ihren Vorsteuergewinn von drei Milliarden Euro im Jahr 2003 auf knapp neun Milliarden Euro 2007 steigern konnte.

Auf die während der Finanzkrise 2008 angefallenen Milliardenverluste reagierte Jain mit einem völlig umstrukturierten Produktportfolio. Bereits 2009 erzielte sein Geschäftszweig wieder satte Erträge. Das Investmentbanking erwirtschaftete einen Großteil des wieder auf 5,2 Milliarden Euro vor Steuern angewachsenen Gewinns der Bank. Für 2010 vermeldete Jains Bereich einen Vorsteuergewinn von rund sechs Milliarden Euro.

Beachtlich ist auch die Karriere Jains. Er wurde 1963 in der nordindischen Stadt Jaipur geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Neu-Delhi. Jain studierte Volkswirtschaft, erst in Indien, später in den USA. Er arbeitete als Managing Director für Merrill Lynch in New York, bevor er 1995 zur Deutschen Bank nach London wechselte. Ackermann machte Jain zum Chef der Kapitalmarktsparte. Dazu gehört der Handel mit Devisen, Rohstoffen und Aktien.

Nachdem Jain knapp sechs Jahre lang die Macht über den wichtigsten Geschäftsbereich der Bank hatte teilen müssen, stieg er 2010 mit dem Weggang von Michael Cohrs zum alleinigen Chef des gesamten Corporate- und Investment-Bankings auf. Bereits ein Jahr zuvor war er im Zuge der Verdoppelung des Vorstands auf acht Mitglieder in die Führungsetage der Deutschen Bank berufen worden. Als mögliche Hindernisse auf dem Weg an die Spitze des Geldhauses machten Beobachter bislang jedoch Jains noch geringen Draht zur Politik geltend. Ein Mann, der einen Großteil seines Berufslebens in Londoner Handelssälen verbracht habe, sei im politischen Berlin nur schwer vorstellbar, so die Bedenken einiger Entscheidungsträger.

Was Jain offenbar auch lieber meidet, sind ausschweifende Champagnerpartys. „Die Exzesse, für die seine Branche berüchtigt ist, liegen ihm fern“, charakterisierte ihn das „Handelsblatt“. Jain, der mit seiner Frau und zwei Kindern im Westen Londons lebt, gilt vielmehr als leidenschaftlicher Cricket-Spieler und begeisterter Tierfotograf.

Das ist Jürgen Fitschen

Vor kurzem noch rätselte Jürgen Fitschen in kleiner Runde, ob sein Vertrag als Vorstand der Deutschen Bank überhaupt über das nächste Frühjahr hinaus verlängert wird. Nun macht der fast 63-Jährige auf seine alten Tage aller Voraussicht nach als Co-Chef noch richtig Karriere: Denn unter den Vorständen von Deutschlands größtem Geldhaus ist der bodenständige Niedersachse am ehesten das lange gesuchte Puzzleteil, das dem Investmentbanker Anshu Jain zum kompletten Bankchef fehlt. Seit sieben Jahren ist Fitschen die personifizierte „Deutschland-AG“ der Deutschen Bank – und geht in dieser Rolle voll auf.

Schon 2004 musste er eine Lücke schließen. Josef Ackermann war aufgefallen, dass sich die Deutsche Bank zu weit von ihrer Stammklientel, den deutschen Firmenkunden, entfernt hatte, und machte Fitschen zum Deutschland-Chef. Der hatte sich gerade bewährt, als er im weltweiten Geschäft mit Firmenkunden einen Stellenabbau geräuschlos über die Bühne brachte. Erneut stellte sich Fitschen in den Dienst „seiner“ Bank und zog von London nach Frankfurt. Eine gesunde Ertragslage im Heimatmarkt sei die beste Basis für eine Bank, konstatierte er damals – im Einklang mit Ackermann, der eine zweite Säule neben dem lukrativen, aber riskanten Investmentbanking aufbauen wollte.

Seither jettet der Vater zweier Kinder durch die Republik und macht im Kleinen, was Ackermann von seinem Lieblings-Nachfolger Axel Weber im Großen erhofft hätte. Er parliert mit Kunden ebenso wie mit der Bundesregierung, gibt jedem Gesprächspartner das Gefühl, er kenne ihn schon ewig. Firmenchefs, die ein Problem mit ihrer Bank haben, rufen Fitschen persönlich an – und er kümmert sich. Das Vorurteil vom arroganten Deutsch-Banker passt auf ihn so wenig wie auf kaum einen in der Vorstandsetage. Redetexte braucht er selten – seine Reden klingen trotzdem klug und strukturiert. Fitschen ist ein Hansdampf in allen Gassen – ob im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft oder im Aufsichtsrat der Deutschen Sporthilfe. Oder doch nur ein „Grüßonkel“ ohne echte Verantwortung für eine Sparte, wie Kritiker meinen.

Dabei war Fitschen diese Rolle nicht in die Wiege gelegt. Er ist ein Aufsteiger. Auf eine Lehre aus Groß- und Außenhandelskaufmann setzte er ein wirtschaftswissenschaftliches Studium in Hamburg, eine Autostunde von seiner Heimat Harsefeld. Schon bei der damaligen KKB (später Citibank, heute Targobank) hat er sich innerhalb von zwölf Jahren vom Trainee bis in die deutsche Geschäftsleitung hochgedient. Die Deutsche Bank ist seit 24 Jahren sein zweiter Arbeitgeber. Zehn Jahre baute er das Asien-Geschäft mit auf. Seit 1997 waren die großen Firmenkunden sein Metier. In London traf er dabei erstmals auf den damaligen Investmentbanker Ackermann, dessen Sparte er zugeordnet wurde.

Der war 2002 allerdings für seinen ersten kleinen Karriere-Knick verantwortlich: Den Posten des Firmenkunden-Vorstands, den Fitschen seit 2001 bekleidete, schaffte der neue Vorstandschef erst einmal ab und verkleinerte das Gremium – Fitschen war nicht mehr dabei. Erst 2009 wurde er wieder Vorstand. Unter dessen acht Mitgliedern gehörte er mit einem Gehalt von knapp drei Millionen Euro im vergangenen Jahr zu den schlechtestbezahlten Managern.